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Interoperabilität: Was ist das eigentlich?

Mit „Interoperabilität“ ist das so eine Sache. Viele Personen im Gesundheitswesen nehmen diesen Begriff gerne in den Mund und argumentieren, dass man das braucht. Warum? Weil: Wenn man „Interoperabilität“ hat, dann wird alles besser.

 

Dementsprechend sind im E-Health-Gesetz damit hohe Erwartungen verknüpft. Genaugenommen stellt das Gesetz die Argumentationskette auf den Kopf: Man will Interoperabilität haben, weil man dann Daten viel besser austauschen kann und somit in der Lage ist, den Patienten noch besser zu behandeln – und natürlich Geld einspart. Wenn wir erst ein gut gefülltes Interoperabilitätsverzeichnis haben, dann bekommt man das alles. Ergo müssen die Standards, was auch immer das wiederum ist, in das Verzeichnis aufgenommen werden.

 

Klingt einfach. Stimmt das aber auch? Fangen wir mit der IEEE-Definition an: “Interoperability is the ability of two or more systems or components to exchange information and to use the information that has been exchanged.” Damit wird nicht nur verlangt, dass Informationen ausgetauscht werden, sondern dass sie auch genutzt, d.h. verwendet werden. Eine Verwendung setzt aber voraus, dass wir das Konzept verstanden haben, dass sich hinter einer Information verbirgt. Bei einem „Aufnahmedatum“ ist das noch einfach, weil wir alle damit das Datum verbinden, zu dem der Patient in einer Einrichtung aufgenommen wurde. Bei einer Diagnose wird das schon ungleich schwieriger.

 

Das Merriam Webster Dictionary stellt eine Definition bereit, die einen anderen Aspekt einführt: “Ability of a system […] to work with or use the parts or equipment of another system.” Damit kommt der Begriff „Komponenten“ ins Spiel, den man in der Informatik auf Softwarekomponenten beziehen kann. Interoperabilität wäre demnach zu erreichen, wenn für die Übertragung von Daten dieselben Softwarekomponenten genutzt werden. Das kann auf verschiedenen Granularitätsstufen passieren, also etwa die Medikationsdaten komplett oder nur die Liste der Darreichungsformen.

 

So viel zu den Definitionen. Aber ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass in Deutschland die meisten Datenaustauschspezifikationen eine kombinierte inhaltliche und technische Vorgabe enthalten, die ausschließlich aus Empfängersicht festgelegt wurde? Anders formuliert: Die jeweiligen Empfänger legen fest, was sie wie haben wollen, bzw. die Spezifikation dazu legt fest, was die Empfänger maximal verarbeiten können. Dieses Faktum spiegelt sich direkt im Konformanzkonstrukt „Optionalität“ wider: Dort gibt es nur „MUSS“ und „KANN“ ggf. kombiniert mit der Kardinalität. Für bidirektional nutzbare und somit interoperable Spezifikationen müssten aber auch Details berücksichtigt werden, die für den Empfänger nicht relevant sind.

 

Eine die Interoperabilität fördernde Spezifikation muss also umfassender werden. „Aber warum soll ich das tun?“, werden jetzt einige sagen, wenn der Empfänger es gar nicht braucht. Wie oben bereits angeführt ist Interoperabilität die Wiederverwendung von Komponenten, auch Komponenten aus (anderen) Spezifikationen, die wahrscheinlich für einen anderen Zweck entwickelt wurden!

 

Das eigentliche Problem ist aber, dass unsere Institutionen und Organisationen nicht gezwungen werden, sich auf die Festlegung der Inhalte und Workflows aus Anforderungssicht zu einigen und daraus resultierenden Lösungsspezifikationen zu machen. Das führt dann zur Vermischung von inhaltlicher Analyse der Anforderungen und konkreten technischen Umsetzungen, die schlicht weg nicht funktionieren.

 

Haben Sie sich einmal gefragt, warum Sie diesen Blog lesen und verstehen können? Weil Sie die Fähigkeit haben, deutsche Texte zu lesen. Klingt eigentlich banal, ist aber wichtig. Dazu gehören neben der Grammatik auch das notwendige Vokabular und ein paar weitere Details. Sprachen entwickeln sich über die Jahre durch die Beteiligung aller und die Weitergabe über Eltern, Kindergärten, Schulen. Wir haben die Voraussetzung für eine gemeinsame Sprache im deutschen Gesundheitswesen bis dato noch nicht geschaffen. Um das zu erreichen und damit dem Ziel der Interoperabilität näher zu kommen, müsste man miteinander reden.

 

Aber vielleicht kommt das ja noch irgendwann. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

 

Dr. Frank Oemig, FHL7

HL7 International Affiliate Director, IHE-D ITI Caretaker, Leiter bvitg AG Interop