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Medizin |

Auf die Haut gekommen

Der Berufsverband der deutschen Dermatologen trotzte der Corona-Krise und lud zum Pitch-Event. Die Zukunft der hautärztlichen Versorgung, sie dürfte in vielen Bereichen sehr digital werden.

Quelle: © imito AG

„Wir wollen zur digitalen Transformation in unserem Fach beitragen“, dieses Motto gab Dr. Klaus Strömer, der Vorsitzende des Berufsverbands der deutschen Dermatologen (BVDD) vor. Der Verband, der vor knapp einem Jahr schon einmal von sich reden gemacht hatte, als er zusammen mit einem Schweizer Kooperationspartner einen für alle niedergelassenen Dermatologen offenen, telemedizinischen Befundungs-Service – siehe unten – aus der Taufe gehoben hatte, lud diesmal sieben quasi dermatologisch vorgetestete Start-ups ins Columbia Theater in Berlin ein.

 

Ziel war es, ein kleines Panorama von aus Versorgungssicht sinnvollen, vielfach mit hautärztlicher Beteiligung entwickelten, digitalen Innovationen zu präsentieren. Dabei wurden auch gleich noch zwei Startup-Preise verliehen, eine Wildcard für eine Finanzierungsrunde des Startup-Inkubators Vision Health Pioneers und eine Beratung durch die Experten von fbeta im Hinblick auf eine Zulassung als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Reizvoll war insbesondere das sehr breite Spektrum unterschiedlicher Anwendungen, die teils auf die Optimierung der Prozesse in dermatologischen Einrichtungen zielten, teils klassische Patienten-Apps waren, teils digitale Erweiterungen für Medizinprodukte und teils eher im telemedizinischen Umfeld angesiedelte Service-Anwendungen.

 

imitoCam: Dokumentation von Befundfotografien leicht gemacht

Ein Beispiel für eine innovative Prozessanwendung lieferte das Unternehmen Imito, das im Jahr 2016 gegründet wurde und nach eigenen Angaben rund 25 Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen zu seinen Kunden zählt - kein klassisches Startup mehr, aber doch noch ein sehr junges Unternehmen, das ohne feste Niederlassung komplett dezentral arbeitet. Imito bietet mit imitoCam eine Lösung an, die als „medizinisches Instagram“ vermarktet wird.

 

Es handelt sich dabei um ein hoch mobiles Bildmanagement-System, das über HL7/DICOM und künftig auch FHIR mit digitalen Bildarchiven beziehungsweise medizinischen Informationssystemen kommuniziert. Visuelle Befunde aller Art können per Smartphone-Kamera dokumentiert werden und lassen sich unmittelbar im Patientenkontext digital speichern. Das Ganze ist, verglichen mit vielen anderen Fotodokumentationslösungen, ein enormer Komfort-Gewinn und entsprechend zeitsparend für Arzt, Pflegekraft oder Praxisassistenz, wer auch immer derartige Dokumentationsaufgaben in einer Einrichtung übernimmt.

 

Künftig soll die Software nicht mehr nur innerhalb einzelner Einrichtungen, sondern auch über Klinikgrenzen hinweg einsetzbar sein, was spannende telemedizinische Einsatzszenarien denkbar macht. Auch an einer indikationsspezifischen Weiterentwicklung wird bereits gearbeitet: Gerade wurde mit imitoWound eine Version der Software gelauncht, die die speziellen Erfordernisse der Wunddokumentation und dabei unter anderen Kooperationsszenarien adressiert.

 

Formel Skin: Die Versorgung bei Akne vulgaris soll besser werden

Ein dermatologischer, telemedizinischer Online-Dienst speziell für Menschen mit unreiner Haut ist Formel Skin, hinter dem die beiden Dermatologinnen Sarah Bechstein und Johanna Latzka stecken. Das Problem, das Formel Skin lösen will, ist das der suboptimalen Therapie von Akne. Viele Menschen besorgen sich in der Drogerie OTC-Standardprodukte, wären aber deutlich besser versorgt, wenn sie dermatologisch rezeptierte Produkte und darauf abgestimmte Pflegeprodukte verwenden würden. Kaum einer ist allerdings bereit, wegen einer Akne mehrere Monate Wartezeit auf einen Facharzttermin in Kauf zu nehmen. Viele Akne-Patienten tauchen daher gar nicht erst beim Facharzt auf.

 

Hier setzen die beiden Dermatologinnen an, die ihr Angebot zeitgemäß über Social-Media-Kanäle bekannt machen und seit dem Launch Anfang 2020 schon 16000 Instagram-Follower eingesammelt haben. Die Patienten füllen eine Online-Fragebogen aus, senden Fotos, und nach einer entsprechenden Tele-Diagnostik erhalten sie ein Behandlungs-Kit, bestehend aus einer auf den individuellen Hautbefund abgestimmten Basispflege und einer ebenfalls individuellen, in Kooperation mit Apotheken hergestellten und versendeten Rezeptur-Arznei. Das Ganze ist als offene Plattform konzipiert, an der sich auch andere Leistungserbringer beteiligen können. Der Preis für die Selbstzahlerleistung liegt derzeit bei 49 Euro für telemedizinische Beratung plus Produkte.

 

DermaDigital und Nia Health: Mit App-Unterstützung gegen atopische Erkrankungen

Nicht bei Akne, sondern im Bereich atopischer Erkrankungen bewegt sich das ebenfalls noch ganz junge Startup DermaDigital, das einen der beiden Preise des Nachmittags erhielt, die Beratung im Hinblick auf einen DiGA-Antrag. DermaDigital entwickelt für Patienten mit Allergien oder atopischen Hauterkrankungen eine App, mit der Hautpflegeprodukte in der Drogerie oder der Apotheke eingescannt und dann analysiert werden können. So können sich Patienten direkt beim Einkauf von Hautprodukten über die Inhaltsstoffe und die individuelle Hautverträglichkeit informieren, ohne die Listen von Inhaltsstoffen im Detail durchgehen zu müssen. Am Ende soll so die Basistherapie bei chronischen Hauterkrankungen effektiver werden.

 

Auf Patienten mit atopischen Erkrankungen zielt auch das schon etwas etabliertere und, nicht zuletzt dank einer medial hinterlegten Kooperation mit der Krankenkasse DAK, deutlich bekanntere Unternehmen Nia Health. Es bietet die nach eigenen Angaben bisher einzige Neurodermitis-App an, die ein zugelassenes Medizinprodukt ist. Zu deren Komponenten gehört zum einen ein umfangreiches Patientenschulungsprogramm, zum anderen eine detaillierte Erkrankungsdokumentation, die grafisch aufbereitet dem Arzt zugänglich gemacht werden kann. Auf Dauer sollen Maschinenlernalgorithmen auch individuelle Präventions- und Therapieempfehlungen geben. Derzeit sind diese Algorithmen aber noch in der Entwicklung.

 

Dermtest: Das dermatologische Tele-Hausarzt-Konsil

Kein Frischling, aber immer noch ein junges Unternehmen, ist Dermtest, das neben Deutschland noch in zwei anderen EU-Ländern aktiv ist und vor allem durch seine Aktivitäten in Estland bekannt geworden ist. Dermtest zielt auf die Schnittstelle von Hausarzt und Dermatologen mit dem Ziel, die dermatologische Versorgung in der Breite zu verbessern und dabei die Hausärzte mit ins Boot zu holen. In Estland bietet dem Unternehmen zufolge knapp jeder sechste Allgemeinmediziner die Dermtest-Dienstleistung an.

 

Sie besteht aus einem klassischen Arzt-zu-Arzt-Telekonsil, wobei der Hausarzt eine (Smartphone-)Kamera nutzt, die mit einem Dermatoskopie-Aufsatz veredelt wird. Damit lassen sich zum Beispiel von Leberflecken hochaufgelöste Bilder anfertigen, die es dem Dermatologen erlauben, im Rahmen eines Hautkrebs-Screenings zu entscheiden, ob ein Praxisbesuch beim Dermatologen indiziert ist oder nicht. Das Ganze kann natürlich mit diagnostischen Algorithmen hinterlegt werden, um noch mehr Sicherheit zu schaffen. Entsprechende Validierungsstudien sind unterwegs.

 

In Estland kommt außerdem eine Patienten-App zum Einsatz, mit der die reine Doctor-to-Doctor-Telemedizin in Richtung Patient erweitert wird. So können komplexere Versorgungsprozesse und chronische Erkrankungen abgebildet werden, und es lassen sich beispielsweise auch Krankenhäuser einbinden. Verhandlungen für derartige, integrierte Versorgungsszenarien in Deutschland laufen derzeit mit mehreren Betriebskrankenkassen.

 

LeaseLife: Heim-Phototherapie für Psoriatiker

Der „Hauptpreis“ des DermaDigital Cafés des BVDD, besagte Wild-Card zur Teilnahme am Auswahlverfahren für eine frühe Finanzierungsrunde, ging an das junge Unternehmen LeaseLife, das sich im Indikationsgebiet Psoriasis bewegt. Konkret geht es dem Unternehmen darum, die Phototherapie mit Hilfe einer digitalen Plattform-Software zu einer Heimanwendung zu machen. Die Phototherapie ist eine hoch effektive Behandlungsform bei Psoriasis, aber sie ist nicht gerade einfach umzusetzen. Während es für den Einsatz an der Kopfhaut und bei punktuellen Läsionen handliche Kleingeräte gibt, die auch von vielen Krankenkassen erstattet werden, ist die großflächigere Phototherapie bisher eine Domäne der Praxen. Das wird nur selten angeboten bzw. wahrgenommen, denn 35 Sitzungen über einen Zeitraum von drei bis sechs Wochen sind weder für die Praxen noch für die Patienten besonders praktikabel.

 

LeaseLife will es nun niedergelassenen Dermatologen ermöglichen, die großflächige Phototherapie telemedizinisch zu betreuen. In Kooperation mit Geräteherstellern soll eine digitale Patienten-App entwickelt werden, bei der der behandelnde Hautarzt einen Behandlungsplan inklusive Dosisplanung erstellt und die applizierte Dosis des UV-Lichts sowie die Patienten-Compliance bei Heimanwendung sensorgestützt überwachen kann. So soll sichergestellt werden, dass die UV-Therapie auch dann sachgerecht durchgeführt wird, wenn sie nicht in den Praxisräumen stattfindet.

 

OnlineDoctor: Versorgungsnahe Telemedizin kommt an

Nummer sieben im Bunde der dermatologischen Digital Health Anbieter beim DigiDerma Startup Café des BVDD war – natürlich – das Schweizer Unternehmen OnlineDoctor, das gemeinsam mit dem Verband einen Store-and-Forward-Telemedizindienst für Hautpatienten anbietet. Wer ein Hautproblem hat, kann sich an einen der teilnehmenden Ärzte wenden. Er füllt einen kurzen Anamnesebogen aus, schickt Bilder ein und erhält dann innerhalb eines kurzen Zeitfensters eine ärztliche Rückmeldung. Das kann ein Therapiekonzept sein aber auch die Empfehlung, in die Sprechstunde zu kommen, wenn das geraten erscheint.

 

Obwohl es sich um eine Selbstzahlerleistung handelt und obwohl elektronische Rezepte noch nicht implementiert sind, erfreue sich das Projekt regen Interesses, so Strömer. Über 15000 Konsultationen seien mittlerweile abgewickelt worden, und mehr als 500 niedergelassene Dermatologen haben sich für den Service als Anbieter von Telekonsultationen registriert.

 

Zu den wichtigsten Lektionen aus jetzt einem Jahr Telemedizin äußerte sich OnlineDoctor-Mitgründer Dr. Paul Scheidegger, der in Berlin per Video zugeschaltet wurde. Entscheidend sei vor allem, den Fokus zu behalten, so Scheidegger in Richtung der Startup-Community: „Macht es nicht zu kompliziert. Lasst das Pflänzchen wachsen. Wohin das führt, wenn das nicht berücksichtigt wird, sehen wir in der Schweiz gerade beim elektronischen Patientendossier. Die fangen viel zu kompliziert an.“ Wichtig sei auch, den Markt im Blick zu haben, und das heißt in der Dermatologie konkret die Dermatologen. Eine anonyme Plattform hält der Schweizer zumindest in dieser Disziplin nicht für erfolgversprechend: „Dermatologen wollen ihren Kopf zeigen.“ Scheideggers Lektion Nummer drei schließlich betraf die eingebundenen Fachexperten: „Nehmt die besten, die Ihr Euch leisten könnt.“