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Vernetzung |

Breites Verbändebündnis für bessere Koordinierung von Standards

Foto: © momius - Fotolia

Zahlreiche Organisationen und Verbände des deutschen Gesundheitswesens und der Gesundheitsindustrie wenden sich gegen Pläne, die Definition von Standards für die elektronische Patientenakte allein in die Hände der Kassenärzte zu legen.

 

In dem am 22. November 2018 veröffentlichten Aufruf fordern die Unterzeichner, elektronische Patientenakten sowohl für die Versorgung als auch für die Forschung nutzbar zu machen. Notwendig sei ein transparenter, koordinierter und ressortübergreifender Prozess zur Festlegung der technischen und semantischen Spezifikationen medizinischer Inhalte: „Daten sind für alle da. Daher ist die interoperable Datenerfassung und deren strukturierte Verwertung ein Teil unserer gemeinsamen medizinischen Zukunft“, so DIVI-Geschäftsführer Prof. Andreas Markewitz stellvertretend für alle Unterzeichner.


Von A wie AWMF über R wie Röntgengesellschaft bis Z wie ZVEI

An dem gemeinsamen Aufruf sind von Seiten der medizinischen Fachgesellschaften unter anderem der Bundesverband der Deutschen Pathologen BDP, die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin DGIM, die Deutsche Röntgengesellschaft DRG, die GMDS und federführend die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin DIVI sowie die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften AWMF beteiligt. Seitens der Industrie haben sich unter anderem die IT-Verbände bvitg und Bitkom, der Verband der Diagnostica-Industrie VDGH, SPECTARIS, der bvmed, der ZVEI und der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller angeschlossen. Mitunterzeichner sind außerdem die TMF, HL7 Deutschland, IHE Deutschland und der Spitzenverband IT-Standards im Gesundheitswesen SITiG.

 

Verbände fordern: Keine Festlegungshoheit einzelner Akteure

Der Aufruf richtet sich zuvorderst gegen den unter der Vermittlung des Bundesgesundheitsministeriums zustande gekommenen so genannten Letter of Intent, in dem Krankenkassen und Kassenärzte bzw. Kassenzahnärzte die inhaltlichen Verantwortlichkeiten für die elektronische Patientenakte nach §291a SGB V unter sich aufteilen. Das Ganze ist auch deswegen aktuell, weil in der ersten Jahreshälfte 2019 ein „E-Health-Gesetz 2“ vorgelegt werden soll, indem wesentliche Weichenstellungen für das digitale deutsche Gesundheitswesen erfolgen sollen.

 

Das „E-Health-Gesetz 2“ folgt auf das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das in seinem digitalpolitischen Teil unter anderem darauf abzielt, das gesetzliche Chaos bei elektronischen Akten sowie einige veraltete technische Rahmenbedingungen für elektronische Patientenakten zu beseitigen. Anders als geplant geht das TSVG nicht mehr in diesem Jahr durchs Parlament. Die Gematik entwickelt ihre Patientenaktenspezifikation, deren erste Version mittlerweile vorliegt, derzeit deswegen zu einem gewissen Grad auf unklarer rechtlicher Basis.

 

Die Unterzeichner des Aufrufs begrüßen grundsätzlich die Beteiligung von KBV und KZBV an den Entscheidungen für die EPA-Standards. Jedoch: „Die alleinige Festlegungshoheit einzelner Akteure ist aus Sicht der Unterzeichner des Aufrufs nicht zielführend.“ Sinnvoller sei ein Prozess, bei dem die Festlegung von Standards staatlich koordiniert werde und Fachexperten und relevante Stakeholder transparent eingebunden würden. Vorbild ist hier unter anderen die Nationale Koordinierungsstelle für Health Information Technology (ONC) in den USA. Eine solche Koordinierungsinstanz gibt es in praktisch allen Ländern, die bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens gut vorankommen.

 

Opposition: Es gibt keine Strategie und keine Koordination

Bei einer Veranstaltung im Vorfeld der Veröffentlichung des Aufrufs plädierte der Leiter der Kommission Digitale Pathologie des mitunterzeichnenden BDP, Prof. Gunter Haroske aus Dresden, dafür, die Koordinierungsstelle beim Bundeskanzleramt anzusiedeln, auch weil dort die nötige Erfahrung mit der ressortübergreifenden Koordinierung von Digitalisierungsprojekten vorliege. Rückendeckung kommt auch von der Opposition im Deutschen Bundestag. So beklagten die Bundestagsabgeordneten und Gesundheitsexperten Maria Klein-Schmeink (B90/Die Grünen) und Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) bei einer Veranstaltung des AOK Bundesverbands, dass die Bundesregierung auch 14 Jahre nach dem Startschuss für die elektronische Gesundheitskarte noch immer keine ausformulierte E-Health-Strategie habe.

 

Auch scheine es, so die Oppositionspolitikerinnen, keinerlei koordinierende Aktivitäten zu geben zwischen dem Bundesgesundheitsministerium, das für die Patientenakte nach §291a zuständig ist und dem Bundesforschungsministerium, das die Medizininformatikinitiative finanziert und damit zumindest indirekt weite Teile der Krankenhauslandschaft repräsentiert. Gefragt danach, was genau die Strategie des Bundegesundheitsministeriums sei, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart (CDU) mit vagen Zielen wie der „flächendeckenden Einführung der Patientenakte bis 2021“ und vagen Leitgedanken wie dem „Primat des Patientennutzens“.

 

Philipp Grätzel

 

Aufruf der Verbände zur elektronischen Patientenakte https://www.divi.de/images/Dokumente/Pressemeldungen/181122-pressemeldungen-nutzbarkeit-elektronischer-patientenakten.pdf

 

Letter of Intent zur EPA-Governance von Krankenkassen und Kassenärzten/Kassenzahnärzten http://www.kbv.de/media/sp/LoI_ePA_final.pdf