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Diabetesverbände und Digital Health: Erste Erfahrungen

Bild: © jull1491

Diabetes gilt vielen als Paradeerkrankung für eine digitale Versorgung. Kann eine kooperative Bewertung unter Einbeziehung von Fachgesellschaften die Suche nach der richtigen App, der richtigen Anwendung erleichtern? Ein Beitrag des ZTG.

 

Diabetes stellt mit über sechs Millionen Betroffenen [1] ein ernst zu nehmendes Problem für das deutsche Gesundheitswesen dar. Angesichts der „Datenlastigkeit“ des Krankheitsbildes bieten mobile Applikationen eine Möglichkeit, die Therapie patientenindividueller zu gestalten und vor allem „alltagsnahe“ Daten zu generieren. Dies haben viele Betroffene, Software-Entwickler, Start-ups, Krankenkassen etc. erkannt. Die Folge ist, dass es ein großes Angebot an unterschiedlich gestalteten Apps gibt, die sich hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Zielen etc. teils deutlich unterscheiden. [2]

 

Sowohl für Patienten als auch für Behandelnde stellt es sich als komplex dar, die richtige App auszuwählen. Bewertungen durch andere User, beispielsweise in den App-Stores, oder persönliche Empfehlungen können ein erster wichtiger Schritt sein. Gerade ersteres ist jedoch teils mit Unsicherheiten behaftet. Ein „offizielles“ bzw. behördliches App-Gütesiegel erscheint manchem zwar als erstrebenswert [3], ist aber angesichts der Marktdynamik wohl nicht umsetzbar.

 

Es existieren bereits Initiativen, welche sich mit der Bewertung solcher Apps beschäftigen. Die Bewertungsanforderungen und der Bewertungsprozess sind jedoch teils sehr unterschiedlich.
Ratsam ist es auf jeden Fall, dass (mobile) Anwendungen im Gesundheitswesen nicht ausschließlich von einer einzelnen Person oder Institution bewertet werden. Vielmehr sollten unterschiedliche Perspektiven integriert werden.

 

Das kooperative Bewertungsmodell von den Diabetes-Verbänden und der ZTG GmbH

Eine gemeinsame Bewertung von medizinischen Fachgesellschaften, Patienten- bzw. Selbsthilfeorganisationen und technischen Partnern stellt eine Option dar, qualitativ hochwertige Apps von wenig hilfreichen Angeboten zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund haben die ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH aus Bochum und die Arbeitsgruppe DiaDigital, bestehend aus Mitgliedern der Diabetes-Verbände Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG), Verband der Diabetes Beratungs- und Schulungsberufe (VDBD), diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe (dDE) und Deutsche Diabetes Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-m) ein kooperatives Bewertungsmodell entwickelt.

 

Es sieht vor, dass anhand eines systematischen Kriterienkatalogs geprüft wird, ob die App geeignet ist, patientenrelevante Ziele und Prozesse zu stärken. Der gemeinsam erarbeitete Kriterienkatalog berücksichtigt den potenziellen Nutzen einer App sowohl für Betroffene als auch für Behandelnde. Zu den wichtigsten Kriterien zählen eine einfach und intuitive Bedienung, die Erfüllung des medizinischen Ziels durch die App und eine barrierefreie Anwendungsmöglichkeit. Erfüllt die App die (wesentlichen) Kriterien, so erhält die App das Siegel von „DiaDigital“. Die Besonderheit des Verfahrens liegt also in der bundesweit bisher einmaligen kooperativen Bewertung von Fachgesellschaften, Selbsthilfe und einer technisch orientierten Institution wie der ZTG GmbH.

 

Wie ist nach jetzt bald einem Jahr die Zwischenbilanz? Bislang haben fünf Applikationen das Siegel erhalten, zwei weitere befinden sich derzeit in der Testphase [4]. Bewerben können sich grundsätzlich alle App-Hersteller, die im Entferntesten mit Diabetes zu tun haben. Momentan sind an die 180 Betroffene, Behandler und App-Interessierte als App-Tester bei DiaDigital (https://diadigital.de/) registriert. Über insgesamt vier Wochen können die zur Bewertung stehenden Applikationen über die DiaDigital-Webseite bewertet werden, ein vorheriger kostenfreier Download der App wird entsprechend ermöglicht.

 

Zusätzlich prüft die ZTG GmbH die technischen und rechtlichen Aspekte der App. In einer sich anschließenden, ca. einstündigen Telefonkonferenz beraten sich die App-Tester dann noch einmal hinsichtlich der Qualität der App und möglicher Verbesserungsbedarfe. Wird Verbesserungsbedarf gesehen, so erhält der Hersteller eine entsprechende Rückmeldung und hat die Chance, nachzubessern. Und tatsächlich gab es schon Hersteller, die (zunächst) kein Siegel erhalten haben. Schlechte Bewertungsergebnisse werden aber von DiaDigital nicht veröffentlicht.

 

Ein geeignetes Verfahren? Ein Fazit auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen

Die bisher gesammelten Erfahrungen mit dieser Form der Bewertung zeigen, dass ein solcher kooperative Bewertungsprozess gute Ergebnisse erzielt und ggf. auch für andere Fachgesellschaften eine Möglichkeit darstellen kann, geeignete Apps herauszufiltern. Denn auch andere Fachgesellschaften haben bereits begonnen, sich intensiver mit dem Thema der digitalen Anwendungen auseinanderzusetzen [5] [6].

 

Auch fördert dieses Vorgehen bei den beteiligten Teilnehmern die immer wichtiger werdende „digitale Gesundheitskompetenz“. Zu bedenken gilt jedoch, dass das Thema nicht mal ebenso „nebenbei“ abgehandelt werden kann, sondern schon eine gewisse (wenn auch nicht übermäßige) persönliche bzw. institutionelle Motivation voraussetzt, sich mit den jeweiligen Anwendungen und dem Thema an sich auseinanderzusetzen.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob und inwiefern nicht-betroffene App-Nutzer und Behandelnde entsprechende Apps adäquat bewerten können. Die bisherigen Erfahrungen von DiaDigital zeigen, dass sie sich sozusagen in die Rolle eines Betroffenen hineinversetzen müssen, um die App zu vollumfänglich zu nutzen. Weiterhin wird es in Zukunft nicht mehr nur um einzelne Apps gehen. Vielmehr wird die Beschäftigung mit bzw. Bewertung von vernetzten Diabetes-Lösungen (bspw. Kombination Medizingerät-App) wichtiger werden. Es bleibt also noch einiges zu tun.

 

Text: Veronika Strotbaum, Referentin Telemedizin und mobile Anwendungen bei ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH, Bochum

 

Quellen:

[1] Rathmann, W. et al. (o. J.): Die Epidemiologie des Typ 2 Diabetes in Deutschland – Ergebnisse aus der KORA S4/F4 Kohortenstudie. Online verfügbar unter http://www.koquap.de/fileadmin/user_upload/publikationen/FZP_Epidemiologie.pdf. (Zugriff am 08.02.2018)
[2] Thranberend, T. et al. (2016): Gesundheits-Apps: Bedeutender Hebel für Patient Empowerment –Potenziale jedoch bislang kaum genutzt. In: Spotlight Gesundheit Nr. 2/2016
[3] von Riegen, O. (2017): Datenschutzbeauftragter schlägt Gütesiegel für Gesundheits-Apps vor. Online verfügbar unter https://www.heise.de/newsticker/meldung/Datenschutzbeauftragter-schlaegt-Guetesiegel-fuer-Gesundheits-Apps-vor-3879572.html. (Zugriff am 07.02.2018).
[4] AG Diabetes & Technologie (2018) (Hrsg.): Apps, die das Siegel erhalten haben. Online verfügbar unter https://diadigital.de/apps-mit-siegel/ (Zugriff am 08.02.2018).

[5] Deutsches Ärzteblatt (Hrsg.) (2017): „DiaDigital“ zertifiziert erstmals therapie­unterstützende Apps. Online verfügbar unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77787/DiaDigital-zertifiziert-erstmals-therapieunterstuetzende-Apps. (Zugriff am 09.02.2018).

[6] Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (Hrsg.) (2017): BDP verabschiedet Gütesiegel für psychologische Gesundheitsangebote im Internet. Online verfügbar unter http://www.bdp-verband.org/bdp/presse/2017/03_guetesiegel.html (Zugriff am 08.02.2017).