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Medizin |

Die Telemedizinwelle baut sich auf

Das Unternehmen KRY bietet ab sofort auch in Deutschland telemedizinische Beratungen an. Das Angebot zielt zunächst auf Selbstzahler. Doch Ziel ist ganz klar die Regelversorgung.

Quelle: © aleutie – Fotolia

Gut anderthalb Jahre nachdem der Deutsche Ärztetag den Weg für telemedizinische Konsultationen auch im Erstkontakt freigemacht hat, beginnt sich dieser Markt jetzt langsam zu entwickeln. Aktuelles Beispiel ist der Markteintritt von KRY Anfang Dezember. Das Unternehmen bietet eine Plattform an, die es Ärzten im jeweiligen Gesundheitssystem ermöglicht, Videosprechstunden abzuhalten und abzurechnen.


Buntes Bild: KRY, Zava, TeleClinic, Medgate, OnlineDoctor

KRY ist nicht der erste Telemedizinanbieter in Deutschland. Von Baden-Württemberg aus hat sich das Münchener Unternehmen TeleClinic als bundesweiter Anbieter positioniert. TeleClinic kooperiert wie KRY mit in Deutschland approbierten, hier niedergelassenen Ärzten und setzt im Patientenkontakt bisher stark auf das Telefon. Außerdem gibt es Zava, das zuvor als DrEd für selektive Indikationen von London aus agierte. Ebenfalls seinen Hut in den Ring geworfen hat der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD), der kürzlich mit dem auf Selbstzahler zielenden, teledermatologischen OnlineDoctor an den Start ging, einer Schweizer Plattform. Schließlich gibt es auch noch Medgate Deutschland, eine Rhön Klinikum-Tochter in Kooperation mit Medgate Schweiz.

 

Der Markteintritt von KRY bekommt unter anderem deswegen recht viel Aufmerksamkeit, weil das Unternehmen als wichtiger Akteur in Schweden und – unter dem Namen LIVI – in Frankreich europaweit einer der Marktführer für patienteninitiierte Telemedizin ist. KRY setzt – anders als etwa TeleClinic oder Zava/DrEd – strikt auf Videosprechstunden. Es bietet eine sehr patientenfreundliche App und hat mit über eine Millionen Videosprechstunden in Europa bewiesen, dass es über eine leistungsfähige, adaptierbare Plattform verfügt.

 

Start mit Allgemeinmedizinern

Für den Anfang geht KRY in Deutschland jetzt mit allgemeinmedizinischen Sprechstunden für Erwachsene ins Rennen, und zwar wochentags von 7 bis 22 Uhr und am Wochenende von 8 Uhr bis 20 Uhr. „Diese Sprechstunden bieten eine ärztliche Beratung sowie die Möglichkeit, eine AU-Bescheinigung und ein Rezept zu erhalten. Auch Überweisungen zu Fachärzten sind bei Bedarf möglich“, sagt Dr. Cristina Koehn, General Manager von KRY Deutschland. Bei den Allgemeinmedizinern soll es nicht bleiben: Das Angebot soll mit wachsender Nachfrage auch auf andere Fachärzte ausgedehnt werden.

 

Wer als „Tele-Arzt“ auf der KRY-Plattform arbeiten will, kann sich bewerben und wird dann einem Auswahlprozess unterzogen: „Wir begrüßen es, wenn unsere Ärzte sowohl vor Ort als auch telemedizinisch tätig sind, da wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Qualität am besten ist, wenn ein Arzt Patienten zu unterschiedlichen Zeiten sowohl vor Ort als auch per Videosprechstunde sieht“, beschreibt Koehn im Gespräch mit E-HEALTH-COM die idealtypischen Anforderungen an einen KRY-Arzt. Das Interesse aus den Reihen der Ärzte sei relativ groß. Für den Start ist eine zweistellige Zahl an Ärzten an Bord. Wie sich diese Zahl in den nächsten Monaten entwickelt, wird nicht zuletzt von der Nachfrage seitens der Patienten abhängen.


QES und Dokumentationssoftware werden mitgeliefert

Technisch laufen die Konsultationen so ab, dass sich die Patienten die KRY-App über Apples App Store oder Googles Play Store herunterladen. Sie können dann eine Videosprechstunde initiieren, die kurzfristig zustande kommt, innerhalb von weniger als einer Stunde. Der Patient gibt bei der Registrierung seine Kreditkartendaten an, und er wird informiert, in welcher Größenordnung sich die Kosten bewegen werden. Exakte Beträge werden nicht genannt, da der Arzt bei der deutschen Version der Dienstleistung nicht einen Fixbetrag berechnet, sondern nach GOÄ abrechnet: „Wir geben aber Korridore an, sodass das Angebot auch für GKV-Versicherte, die selbst bezahlen wollen, finanziell einschätzbar wird. Unter der Woche sind das 30 bis 40 Euro pro Konsultation“, so Koehn.

 

Bevor der Patient das Videosprechzimmer betritt, füllt er einen Anamnesebogen aus, mit dem sich der Arzt auf das Gespräch vorbereiten kann. Der Arzt dokumentiert dann die Telekonsultation nicht in seiner lokalen Praxis-IT, sondern in einem separaten, cloudbasierten, KBV-zugelassenen Arztinformationssystem. Dort kann er bei Bedarf auch ein elektronisches Rezept erstellen, das mit einer Anwendung für die qualifizierte elektronische Signatur (QES) der Bundesdruckerei signiert wird.

 

Die Crux mit den Rezepten

Wie bei allen Telemedizinanbietern ist das elektronische Rezept einer der Dreh- und Angelpunkte des Angebots. Denn wer will schon eine Telekonsultation machen, wenn er für ein Rezept nachher dann doch in eine Praxis laufen muss? Wie alle anderen Anbieter hat aber auch KRY derzeit das Problem, dass in Sachen eRezept unklar ist, wohin das deutsche Gesundheitswesen steuert. Die Frist, bis zu der die gematik ihre eRezept-Spezifikation vorlegen muss, ist der Mai 2020. Bis dahin versuchen sich Pilotprojekte jeglicher Couleur zu positionieren, und hinter den Kulissen läuft knallhartes politisches Lobbying. Was am Ende rauskommt, weiß kein Mensch.

 

„Wir sind derzeit an keinem eRezept-Pilotprojekt beteiligt. Wir warten, bis die Fronten geklärt sind und werden dann die Anforderungen umsetzen“, so Koehn. Bis dahin funktioniert der Rezeptprozess bei KRY so, dass das signierte eRezept von KRY an die Apotheke weitergeleitet wird, die der Patient wünscht. Beim Kooperationspartner DocMorris geschieht das elektronisch, und die Medikamente werden dann wie bei einer Online-Bestellung nach Hause geschickt. Wünscht der Patient eine Offizin-Apotheke oder andere Versandapotheke, wird diese von KRY informiert. „Wir wollen flächendeckend mit allen Apotheken zusammenarbeiten. Die freie Apothekenwahl ist ein ganz wichtiges Recht der Patienten und ein Prinzip, das wir in keiner Weise untergraben wollen“, betont Koehn.

 

Wann kommt die GKV-Abrechnung?

Bleibt die Frage der Gesetzlichen Krankenversicherung. Formal ist eine Abrechnung von Videosprechstunden im telemedizinischen Erstkontakt seit Oktober auch bei GKV-Patienten möglich. Ärzte können dafür – je nach Fachrichtung – rund 80 Prozent der Quartalspauschale geltend machen, sofern die Online-Konsultationen nicht mehr als 20 Prozent des gesamten GKV-Honorarvolumens ausmachen. Im Moment wird dieses Abrechnungsmodell von KRY noch nicht unterstützt, zumal die GKV-Welt auch in Sachen Rezept etwas komplizierter ist. Außerdem muss sich KRY für einen Einsatz im GKV-Kontext als Videosprechstundenanbieter zertifizieren lassen: „Da sind wir dran. Solche Zertifizierungen haben wir in anderen Ländern auch durchlaufen, und wir halten sie für sinnvoll“, so Koehn.

 

Langfristig nur auf PKV-Versicherte und selbst zahlende GKV-Versicherte beschränken will sich KRY in jedem Fall nicht. Ziel sei es vielmehr, ein ganz normaler Teil der Gesundheitsversorgung zu werden – wie in anderen Ländern. In Schweden werden mittlerweile rund 10 Prozent aller Arztbesuche über Videosprechstunden abgewickelt, und KRY ist dabei der führender Anbieter. Auch in Frankreich, wo der telemedizinische Kontakt dem regulären Arztkontakt vor zwei Jahren abrechnungstechnisch gleichgestellt wurde, gehe es voran: „Es gab einige Diskussionen über die Auslegung des Gesetzes. Aber es gibt ein starkes Interesse seitens der Patienten. Dort wo die Vergütung flächendeckend geregelt ist, gibt es eine Nachfrage und das Angebot wird angenommen“, so Koehn.