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Health-IT |

Neuer FDA-Vorschlag für Zertifizierung von Decision Support

© Jérôme Rommé

Die FDA legt eine neue Regulierungsrichtlinie für Entscheidungsunterstützungssysteme vor. Spannend:  Nicht jeder digitale Algorithmus soll zwangsläufig ein Medizinprodukt sein.

 

In Sachen E-Health hat die US-Zulassungsbehörde FDA derzeit einen Lauf. Vor kurzem stellte das US-Äquivalent von EMA und BfArM neue Ideen für eine Zertifizierung von IT-Produkten zur Diskussion, die medizinische Maschinenlernalgorithmen für Diagnose oder Therapiesteuerung nutzen. (E-HEALTH-COM berichtete.) Jetzt meldet sich die Behörde wieder zu Wort, diesmal mit einer neuen Regulierungsrichtlinie („Guidance“) für die Medizinprodukte-Zertifizierung von Entscheidungsunterstützungssystemen.

 

FDA: Digitale Leitlinien-Checker sind keine Medizinprodukte

Waren die Verlautbarungen zur Zertifizierung von Maschinenlernalgorithmen eher als Debattenbeitrag gedacht, wird die neue Guidance, die sich vor allem mit konventionelleren Varianten der Entscheidungsunterstützung befasst, nach einer 60 Tage dauernden Kommentierungsfrist mit anschließender Überarbeitung aller Voraussicht nach relativ rasch den neuen Rechtsrahmen darstellen. Die auf Medizinprodukte spezialisierte US-Anwaltskanzlei C&M Health bezeichnet die neue Richtlinie als eine „signifikante Veränderung“ mit dem Potenzial, das Gesundheitswesen zu verändern.

 

Was steht nun genau drin? Der wichtigste Punkt ist, dass künftig in den USA nicht mehr jedes Entscheidungsunterstützungs-Tool zwangsläufig ein Medizinprodukt sein soll. Zur Erinnerung: In Europa gilt jede Software, die unmittelbar zur Diagnose oder Therapie beiträgt und die keine reine Dokumentations-Software ist, als Medizinprodukte. Die neue europäische Medizinprodukteverordnung hat diese grundsätzliche Herangehensweise nicht nur bestätigt, sondern im Gegenteil nochmal verschärft.

 

In den USA soll das anders laufen. Die FDA will künftig unterscheiden zwischen Entscheidungsunterstützungssystemen, deren Empfehlungen der entsprechend ausgebildete und trainierte Nutzer – in der Regel ein Angehöriger eines Gesundheitsberufs – unabhängig überprüfen kann und solchen, bei denen das nicht ohne weiteres möglich ist.  Erstere sollen künftig nicht mehr in den Verantwortungsbereich der FDA fallen, erfordern also keine Medizinproduktezulassung nach US-Recht. Die Begründung für diesen recht radikalen Schritt klingt in europäischen Ohren geradezu phänomenal: Bei solchen Systemen seien Ärzte ja nicht auf die Software angewiesen, sondern könnten sich im Prinzip auch auf ihre eigene Urteilskraft verlassen.

 

Anders als in Europa geht der Trend in Richtung weniger Regulierung

Konkret: Für Software, die nichts anderes macht, als existierende Leitlinien zu digitalisieren, fühlt sich die FDA künftig nicht mehr zuständig. Auch Software, die auf Basis digitaler Leitlinien überprüft, ob ein individueller Patienten leitliniengetreu behandelt wird, interessiert die FDA nicht mehr, sofern die Guidance so in Kraft tritt, wie sie jetzt vorgeschlagen wurde. Mehr noch: IT-Tools, die öffentlich zugängliche Arzneimittelinformationen der Zulassungsbehörden digital aufarbeiten und/oder mit individuellen Patientendaten abgleichen, sollen ebenfalls kein Medizinprodukt nach US-Recht mehr sein. Das dürfte die große Masse aller AMTS-Tools betreffen und macht deutlich.

 

Anders sieht es aus, wenn eine Software nicht mehr nur „beratenden“ Charakter hat, sondern Teil der Therapieplanung wird. Ein Programm, das auf Basis digitaler Leitlinien und individueller Patientendaten einen persönlichen Behandlungsplan erstellt, soll auch in den USA ein Medizinprodukt bleiben. Auch alle Programme, die Daten in irgendeiner Weise „manipulieren“, sind demnach Medizinprodukte. Dies dürfte neben Programmen, die Maschinenlernalgorithmen nutzen auch auf die meisten Dosisrechner zutreffen, wobei die FDA schon angedeutet hat, dass die Einordnung bei sehr gängigen Kalkulatoren durchaus „Ermessenssache“ sein könnte.

 

Insgesamt bestätigt sich mit diesem Vorschlage für eine neue FDA-Guidance im Bereich medizinische Entscheidungsunterstützung, dass die FDA im Bereich Digital Health bemüht ist, nicht übermäßig zu regulieren. Die Behörde bemüht sich viel mehr aktiv darum, sich aus einigen Bereichen dezidiert zurückzuziehen – ein völlig anderer Ansatz als der, den die europäischen Zulassungsbehörden derzeit (noch) fahren.

 

FDA-Guidance „Clinical and Patient Decision Support Software“ https://www.fda.gov/downloads/MedicalDevices/DeviceRegulationandGuidance/GuidanceDocuments/UCM587819.pdf

 

Kommentar der Anwaltskanzlei C&M Health: https://www.cmhealthlaw.com/2017/12/fda-issues-new-guidance-for-clinical-and-patient-decision-support-software/


Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM