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Vernetzung |

Schuss vor den Bug

Foto: © BGH/Nikolay-Kazakov

Nach dem BGH-Urteil gegen Jameda können Arztbewertungsportale nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Portale werden sich ändern müssen.

 

Außer Spesen nichts gewesen? Wer die Reaktion des Portals Jameda und von Teilen der E-Health-Branche auf das BGH-Urteil von 20. Februar liest, könnte diesen Eindruck haben. Der BGH hat in seinem Urteil der Klägerin, einer mittlerweile nicht mehr tätigen und deswegen auch nicht mehr bei Jameda gelisteten Ärztin, Recht gegeben. Sie hatte von dem Arztbewertungsportal verlangt, ihren Eintrag zu löschen.

 

Der BGH hatte im Jahr 2014 geurteilt, dass im Grundsatz die Speicherung personenbezogener Daten und eine Bewertung der Ärzte zulässig sind. Dass im aktuellen Fall dennoch der Klägerin Recht gegeben wurde, begründet der BGH damit, dass Jameda durch die Art seiner Platzierung zahlender Premiumkunden nicht mehr als neutraler Informationsvermittler aufgetreten sei. Insbesondere wird moniert, dass bei nicht zahlenden Ärzten mit Hilfe eines eingeblendeten „Anzeige“-Querbalkens deutlich sichtbare Hinweise auf Premiumkunden eingeblendet wurden, während umgekehrt bei zahlenden Premiumkunden derartige Hinweise auf nicht zahlende Ärzte unterblieben.

 

Der Beifall ließ nicht lange auf sich warten. Die Bundesärztekammer teilte mit, das Urteil trage dazu bei, das Arzt-Patienten-Verhältnis zu schützen, erläuterte allerdings nicht, warum das so sein soll. Auch die großen Tageszeitungen positionierten sich wenig mutig auf Seiten des BGH. Die Süddeutsche, sonst um keine Ärztekritik verlegen, sah wohl eine Gelegenheit, ein bisschen Gutwetter zu machen und monierte, dass Arztportale „zu Foren der Denunziation und Pöbelei“ verkommen seien, blieb allerdings den Beweis dafür schuldig, dass Pöbeleien bei Arztportalen verbreiterter sind als anderswo im Netz. Die FAZ äußerte sich nicht ganz so drastisch, aber im Tenor ähnlich.

 

Jameda wiederum pickte sich in seiner Reaktion wenig überraschend jenen Passus des Urteils heraus, der in der Erstberichterstattung tatsächlich etwas zu kurz kam, nämlich die grundsätzliche Bestätigung des BGH-Urteils von 2014, wonach Arztbewertungen im Internet prinzipiell legitim sind. Dieser Punkt wurde auch vom IT-Branchenverband Bitkom hervorgehoben. Jameda kündigte entsprechend prompt an, auch künftig keine Profile zu löschen. Stattdessen wurde unmittelbar nach dem Urteil die beanstandete Werbepraxis für Premiumkunden abgeschaltet.

 

Die recht souveräne Reaktion Jamedas kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche jetzt ein Problem hat. Zwar wurde die Arztbewertung per se nicht für unzulässig erklärt, aber das Geschäftsmodell vieler Portale – die Klägerin sprach von Schutzgelderpressung – bekommt durch den BGH einen deutlichen Schuss vor den Bug. Die Frage für die Portale lautet nun, wie sie ihre Premiumangebote auch ohne plumpe Werbung so attraktiv machen können, dass die Ärzte sie buchen.

 

Die Hubert Burda Media als Eigentümerin von Jameda jedenfalls hat Konsequenzen bereits angekündigt. Künftig könnten demnach weitere Qualitätsindikatoren in die Arztsuche einfließen. Wie das konkret aussehen wird, ist allerdings noch offen. Möglicherweise werden sich die Arztbewertungsplattformen auf Dauer zu breiter aufgestellten digitalen Serviceanbietern weiterentwickeln müssen. Mit dem Erwerb des Videosprechstundenanbieters Patientus hat Jameda vor einem Jahr bereits einen Schritt in diese Richtung unternommen.

 

Text: Phillip Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM