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Medizin |

Telemedizin – Ready – Stop?

Bild: © elenabsl

Als wäre es Absicht. Pünktlich zur conhIT startet das GKV-Projekt zur Fernbehandlung der KV Baden-Württemberg. Mit einem massiven Dämpfer allerdings: Das Bundesgesundheitsministerium hat das Ausstellen von Rezepten erst einmal erfolgreich verhindert. Die Kassen bezahlen es.

 

Seit Februar können privatversicherte Patienten in Baden-Württemberg bei dem Anbieter TeleClinic telemedizinische Arztkontakte in Anspruch nehmen – inklusive Diagnose und gegebenenfalls Rezeptierung von Medikamenten. Möglich wurde das durch eine jetzt auch bald schon zwei Jahre alte Änderung der Berufsordnung der Baden-Württembergischen Landesärztekammer.

 

Vorhang auf für Docdirekt

Auch auf GKV-Seite war noch Ende vergangenen Jahres das erste Modellprojekt zum telemedizinischen Erstkontakt von der Landesärztekammer Baden-Württemberg  genehmigt worden. Jetzt, am Montag den 16. April, fällt bei diesem Docdirekt-Projekt der KV Baden-Württemberg, die dabei mit TeleClinic als Dienstleister kooperiert, in Stuttgart und Tuttlingen der offizielle Startschuss. Die Krankenkassen im Ländle haben zur Finanzierung für zunächst zwei Jahre 1,6 Millionen Euro bereitgestellt. Weiteres Geld soll der Strukturfonds des Bundeslands beisteuern.

 

Schwierig wird die ganze Sache, weil das Interesse der Patienten nur schwer abschätzbar ist. Die Ärzte, die die telemedizinische Beratung durchführen – alles niedergelassene Ärzte in Baden-Württemberg – werden pro Konsultation bezahlt, mit je 25 Euro. Wenn der Patient auf Basis einer Telekonsultation kurzfristig „leibhaftig“ in eine Praxis muss, gibt es für diesen so genannten PEP-Arzt einen Zuschlag von 20 Euro aufs normale Honorar. Demnach hängen die Gesamtkosten des Projekts massiv vom Verhalten der Bevölkerung ab.

 

Nun wurde allerdings – wir befinden uns schließlich im deutschen Gesundheitswesen – unfreiwillig ein Weg gefunden, wie sie das Interesse sagen wir mal in Schach gehalten werden kann. Ursprünglich war – analog zum PKV-Projekt – vorgesehen gewesen, dass die Ärzte auch im GKV-Projekt per Telefon spätestens wenige Monate nach dem Start Rezepte erstellen und diese elektronisch an baden-württembergische Apotheken weiterleiten können.

 

Behandlung mit Rezept wird dank Bundesregierung 45 Euro teurer

Davon ist jetzt erst einmal keine Rede mehr. Der Telearzt – ein niedergelassener Arzt, der 25 Euro für seine Dienste erhält – darf im GKV-Projekt nämlich gar keine Rezepte ausstellen, wegen „juristischer Bedenken“, wie es so schön heißt. Benötigt ein Patient ein Medikament, muss er vom Telearzt in eine der PEP-Praxen geschickt, also leibhaftig gesehen werden. Dafür wiederum bezahlen die Krankenkassen neben dem normalen Honorar dem PEP-Arzt einen Zuschlag von 20 Euro. Das möge man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Wer erkältet ist, den Telearzt anruft und ein Rezept braucht, muss nicht nur trotz Telearzt zu einem leiblichen Arzt. Die Krankenkasse zahlt für das Ganze auch noch 45 Euro mehr als bisher.

 

Innovation à la deutsches Gesundheitswesen also. KV und Kassen können dafür nichts, das muss man ganz klar und laut und deutlich sagen. Hintergrund ist dem Vernehmen nach vielmehr Ex-Minister Hermann Gröhes wohl auf die Apotheker und die bayerische CSU zurückgehende so genannte Lex Dr. Ed, mit der die Bundesregierung via Arzneimittelgesetz untersagt hat, dass Apotheken Rezepte einlösen dürfen, die offensichtlich ohne leibhaftigen Arztkontakt ausgestellt wurden.

 

Selten hat sich ein Ministerium, das seit Jahren der Innovation und der digitalen Vernetzung das Wort redet, so sehr selbst in den Fuß geschossen. Wenn dieses Projekt jetzt zum Rohrkrepierer wird, weil es nur mit massiv angezogener Handbremse starten kann, dann liegt die Verantwortung dafür in der Berliner Friedrichstraße und nirgends sonst. Immerhin: Die Projektbeteiligten wollen nicht locker lassen: „Es besteht kein Zweifel, dass die Ausstellung von Rezepten im Rahmen der Telekonsultation sinnvoll und wünschenswert ist und auf Dauer kommen wird“, so ein KV-Sprecher. Bleibt zu hoffen, dass sich Jens Spahn in Berlin nicht die Ohren zu hält.

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM