47 Prozent der Menschen aus Gemeinden und Kleinstädten mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, sieht laut einer aktuellen Forsa-Befragung im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) bei sich vor Ort einen Ärztemangel. „Die Vorstellung, sich in eigener Praxis und noch dazu auf dem Land niederzulassen, wird für den ärztlichen Nachwuchs zunehmend unattraktiv. Es gilt daher, neue moderne Strukturen zu entwickeln, um die ambulante Versorgung auch künftig sicherzustellen“, erklärt Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen. „Wir müssen akzeptieren, dass sich die Vorstellungen und Wünsche der neuen Ärztegeneration grundlegend verändert haben. Statt nur zu versuchen, durch Anreize an alten Strukturen festzuhalten, sollte das hessische Gesundheitswesen auch neue Wege in Betracht ziehen, um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen.“
Eine Möglichkeit stellt eine andere Art der Arbeitsaufteilung zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie ihren Mitarbeitenden dar: Nicht-ärztliche Versorgungsassistentinnen und -assistenten könnten vor Ort bei den Patientinnen und Patienten Hausbesuche, Routinekontrollen oder Beratungen durchführen – mit Unterstützung durch Telemedizin. Bei Bedarf wäre es der Assistenz so möglich, sich via Videotelefonie mit den Ärztinnen und Ärzten verbinden, um medizinischen Rat einzuholen. Die Akzeptanz der Menschen in Hessen wäre in jedem Fall gegeben: 90 Prozent der Menschen in Hessen finden die Idee von telemedizinisch begleiteten Hausbesuchen „gut“ oder sogar „sehr gut“. Konkreter nachgefragt, würden 83 Prozent der Hessinnen und Hessen ein solches Angebot tatsächlich auch selbst nutzen wollen. Bei den Menschen, die in Orten mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen/Einwohnern leben, sind es sogar 86 Prozent.
In Hessen gibt es mit dem Projekt Tele-VERAH bereits einen Ansatz, der in diese Richtung geht. Seit 1. April 2020 können alle Hausarztpraxen diese Form der telemedizinischen Leistung über die Hausarztzentrierte Versorgung abrechnen. Bislang wurde diese Möglichkeit von den Ärztinnen und Ärzten allerdings nur sehr zögerlich in Anspruch genommen. „Statt das einfach so hinzunehmen, sollte nach der Wahl am 8. Oktober die neue Landesregierung dabei unterstützen, das Projekt weiterzuentwickeln und zum Erfolg zu führen“, so Voß.
Die TK hat darüber hinaus noch weitere Vorschläge, um die ambulante Versorgung, gerade auf dem Land, künftig sicherzustellen: Denkbar wäre zum Beispiel, in unterversorgten Gebieten das Konzept teleärztlicher Praxen auszuprobieren. Das wären Einrichtungen, in denen medizinische Fachangestellte die Patientinnen und Patienten untersuchen, zum Beispiel Blutdruck messen oder Blut abnehmen. Die Ärztin beziehungsweise der Arzt würde dann zur Besprechung der Ergebnisse und der weiteren Schritte aus der Ferne per Videoschalte hinzugezogen.
Um eine Niederlassung auf dem Land wieder attraktiver für den ärztlichen Nachwuchs zu machen, sollte das Land darüber hinaus eine neue Form der Ansiedlungsförderung in Betracht ziehen: „In Kooperation mit den von Unterversorgung bedrohten Kommunen könnten jungen Ärztinnen und Ärzten fertig ausgestattete Praxisräume zur Anmietung angeboten werden. Dazu sollte zwingend auch eine digitale Grundausstattung gehören“, erklärt Voß. Dazu zählt zum Beispiel die nötige Hard- und Software für Telemedizin und Videosprechstunden sowie Programme, die eine bürokratiearme Erfassung von Abrechnungsdaten ermöglichen.
Der Eindruck vieler Hessinnen und Hessen, dass es bei ihnen vor Ort einen Ärztemangel geben könnte, wird häufig auch dadurch verstärkt, dass es in einigen Fällen sehr lang dauert, einen Termin einem (Fach-)Arzt oder einer (Fach-)Ärztin zu erhalten. Die Landesregierung sollte deshalb Anreize für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte entwickeln, ihre freien Termin-Kapazitäten tagesaktuell und für die Patientinnen und Pateinten transparent zu veröffentlichen, um Online-Terminbuchungen zu ermöglichen. 81 Prozent der Menschen in Hessen würden gerne eine Online-Terminvergabe bei ihren Ärztinnen und Ärzten nutzen.
Quelle: TK Hessen