Für ein Budget von rund 200 Millionen sucht die Berliner Charité ein neues Krankenhausinformationssystem (KIS). Die Ausschreibung wurde unter anderem durch den Rückzug von SAP nötig: Die Charité nutzt sowohl die Abrechnungsplattform IS-H als auch das KIS i.s.h.med. Es handelt sich um die mit deutlichem Abstand größte Einzel-KIS-Ausschreibung, die Deutschland bisher gesehen hat.
Die Ausschreibung gilt als sehr politisiert, weil die Drähte zwischen Charité und sowohl Berliner Landesregierung als auch Bundesregierung relativ kurz sind. Unter anderem hatte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach indirekt an den Diskussionen beteiligt, indem er wiederholt das bisher zwar nicht in Deutschland, wohl aber in der Schweiz präsente KIS des US-Unternehmens Epic öffentlich lobte.
Als die Charité ihre Ausschreibung öffentlich gemacht hatte, regte sich rasch Kritik aus den Reihen der deutschen Healthcare-IT-Industrie. Die Ausschreibung, so hieß es, sei auf Epic quasi zugeschrieben. Die Charité hat das stets bestritten. Der Vorwurf lag auch einer Beschwerde zugrunde, die das Unternehmens Dedalus („Orbis“) bei der Vergabekammer angestrengt hat. Diese hat nun, ein halbes Jahr nach Einreichen der Beschwerde, offenbar entschieden, wie der Business Insider exklusiv berichtet.
Demnach habe Dedalus von der Vergabekammer gefordert, dass die Charité ihre Vergabe transparent, produktneutral und auf den tatsächlichen Beschaffungsbedarf zugeschnitten abhalten solle. Wichtige KIS-Funktionen – wie ein deutsches Abrechnungsmodul – seien in der Ausschreibung zudem nicht berücksichtigt. Kritisiert wurde auch, dass der Preis als Zuschlagskriterium mit nur 20 % sehr gering bewertet wurde. Üblich seien mindestens 30 %. Dazu muss man wissen, dass die internationalen und insbesondere die US-amerikanischen KIS-Hersteller weit höhere Preise veranschlagen als jene Unternehmen, die im deutschen Markt stark präsent sind.
Den Einwänden von Dedalus hat die Vergabekammer nicht stattgegeben. Der Nachprüfungsantrag wurde zurückgewiesen, u.a. mit der Begründung, dass es der Charité freigestellt sei, einzelne Module nicht zu berücksichtigen. Was die Gewichtung des Preises angehe, sei unklar, worin die wettbewerbsverzerrende Wirkung bestehen solle, heißt es im Urteil, aus dem der Business Insider zitiert. Erwartungsgemäß begrüßt die Charité das Urteil, und Dedalus zeigt sich enttäuscht. Ob man sich weiterhin an der Vergabe beteiligen werde und/oder ob eine Klage vor dem Berliner Kammergericht angestrebt werde, dazu äußerte sich das Unternehmen noch nicht abschließend.