Wer ins DiGA-Verzeichnis des BfArM guckt, der findet dort im Moment 65 aktuell erstattungsfähige DiGAs. Obwohl Krebserkrankungen eine der großen chronischen Indikationen, sind bisher nur zwei dieser DiGA in diesem Bereich angesiedelt, PINK! und Untire. Bei beiden handelt es sich um Brustkrebs-Apps. Erstere ist dauerhaft gelistet, letztere noch in der Probephase.
Dr. Sebastian Griewing von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Gießen-Marburg sieht hier noch deutlich Luft nach oben. Der Frauenarzt ist Mitglied der Kommission Digitale Gynäkologie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und entwickelt auch selbst DiGA, wie es bei der Herbsttagung der Initiative Vision Zero Oncology in München betonte. Kleinreden will er den Erfolg der beiden Brustkrebs-Apps nicht. Insbesondere das, was PINK! geleistet habe, sei eindrucksvoll. Die App sei innerhalb eines Jahres rund sechstausend Mal verordnet worden.
Jenseits des Brustkrebses sieht es bisher allerdings mau aus. Lungenkrebs? Darmkrebs? Lymphome? Alles häufige Krebserkrankungen, aber in Sachen DiGA Fehlanzeige. Dass ausgerechnet Brustkrebs die Vorreiterindikation ist, wundert Griewing allerdings nicht: „Hier gibt es einen relativ hohen intrinsischen Willen der Betroffenen, und viel Support sowohl von Patientenorganisationen als auch von der Politik.“
Kernproblem der DiGA im Krebsumfeld ist Griewing zufolge deren relative Losgelöstheit von der normalen Versorgung: „Man verschreibt als Arzt oder Ärztin eine DiGA und gibt dann so ein bisschen die Verantwortung ab. Das ist nicht ideal.“ Das Problem sei die Regulierungs- und Erstattungssituation bei den DiGA. Eine intersektorale Nutzung sei praktisch nicht möglich. Standard, so Griewing, sei, dass die stationären Gynäkolog:innen die DiGA den Patient:innen quasi bei der Entlassung mitgäben – in der eher vagen Hoffnung, dass sie psychoonkologisch irgendwie unterstützen mögen. Feedback ist nicht vorgesehen, und schon gar nicht durch ambulante Ärzt:innen, die die DiGA initial gar nicht verordnet hatten.
Griewing hat allerdings Hoffnung, dass sich die Situation in absehbarer Zeit ändert. Das im Frühjahr 2024 in Kraft getretenen Digitalgesetz bringt Neuerungen, die in der Branche unter dem Schlagwort „DiGA 2.0“ diskutiert werden: Die Verknüpfung einer DiGA mit telemedizinischen Dienstleistungen wird möglich und erstattbar. Dadurch werden Versorgungsszenarien denkbar, die einem Hybrid-Care-Ansatz verpflichtet sind, der Leistungserbringer einbezieht und im Idealfall Sektorengrenzen sprengt.