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Medizin |

» Die Frage lautet: Wie unterstützt Digitalisierung die Versorgung? «

Es knirschte gewaltig im durch E-Rezept und TI-Ausfälle geprägten Dreieck zwischen Kassenärzteschaft, Praxis-IT-Branche und gematik in den ersten Monaten dieses Jahres. Die elektronische Patientenakte und die neuen Rahmenverträge zwischen KBV und Praxis-IT-Herstellern werden für weitere Unruhe sorgen. Zeit für ein Gespräch mit der KBV-Vorständin Dr. Sibylle Steiner und dem Leiter der neuen Stabsstelle Digitalisierung, Dr. Philipp Stachwitz. Wie geht es weiter mit der Digitalisierung der medizinischen Versorgung?

Dr. Philipp Stachwitz und Dr. Sibylle Steiner; Fotos: © KBV

Dr. Sibylle Steiner ist seit März 2023 KBV-Vorständin und seit 2008 bei der KBV. Bis 2013 leitete sie die Abteilung Arzneimittel. Von 2013 bis 2023 war sie Dezernentin im Dezernat Ärztliche und veranlasste Leistungen. Zwischenzeitlich leitete sie außerdem die bereichsübergreifende Corona-Pandemie-Task Force.

 

Dr. Philipp Stachwitz ist seit März 2024 Leiter des neu geschaffenen Stabsbereichs Digitalisierung bei der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung KBV in Berlin. Der Anästhesist und Experte für digitale Medizin arbeitet seit über neun Jahren in einer schmerztherapeutischen Praxis in Berlin – und wird das auch in neuer Funktion weiterhin tun.

 

Wie ist aktuell die Stimmung bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Sachen Digitalisierung? Ruckelt sich das E-Rezept langsam ein?
Steiner: Licht und Schatten. Wenn wir mit dem Licht beginnen: Auch wenn das erst mal überraschend klingt, aber wir bekommen beim E-Rezept in Umfragen im Prinzip positive Rückmeldungen, schon im Februar haben immerhin sechzig Prozent gesagt, dass das gut läuft. Ich bin sicher, dass dieser Wert noch steigt, auch weil jetzt die Patientinnen und Patienten, die regelmäßig kommen, das E-Rezept langsam alle kennen. Die Schattenseite ist aber, dass wir immer noch und eigentlich ständig mit der störanfälligen TI zu kämpfen haben. Wir haben jetzt Mitte April, bisher werden die Ausfälle nicht weniger. Die Stabilität der TI ist nicht gut. Punkt.

Wie sehen diese Störungen in den Praxen konkret aus?
Steiner: Das sieht so aus, dass zum Beispiel das Einlesen der eGK nicht funktioniert. Dann können die Praxen kein E-Rezept ausstellen, gehen ins Ersatzverfahren mit Muster 16, und nach zwei Stunden kommt dann wieder der Startschuss für das digitale Arbeiten. Das passiert mitunter mehrmals die Woche. Und wenn verpflichtende Anwendungen wie E-Rezept, eAU und VSDM nicht funktionieren, führt das natürlich zu Frust und Ärger in den Praxen.


Stachwitz: Und die eGK ist ja nicht neu. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Infrastruktur in den letzten Jahren so belastet war, dass wir ständig keine eGK einlesen konnten. TI-Ausfälle führen nicht nur dazu, dass Patientinnen und Patienten Schlange stehen. Das dann notwendige Ersatzverfahren erzeugt viel Arbeit in den Praxen.  Das ist echt ein Problem, und entsprechend schlecht ist manchmal die Laune.

Die ePA-Einführung steht für 2025 an. Was sollte anders laufen?
Steiner: Eine Sache, die mir sofort einfällt und die wesentlich besser funktionieren muss, ist die Aufklärung. Beim E-Rezept kamen die Patientinnen und Patienten in die Praxis und wussten von nichts. Da ist eine Menge Arbeit in den Praxen abgeladen worden. Aufklärung bei der ePA sehen wir in der Einführungsphase als Aufgabe der Politik und der Krankenkassen. Zweiter Punkt: Testphase. Wir wissen nach wie vor nichts Genaues über eine Testphase bei der ePA. Es gibt dieses politische Datum
15. Januar 2025, ab dem es laufen soll. Aber über Testen redet bisher keiner so richtig. Wie funktional die Praxis-IT-Systeme die ePA abbilden werden, können wir derzeit überhaupt noch nicht einschätzen. Das wird aber zentral sein für die Akzeptanz.


Beim E-Rezept gab es ja relativ viele Tests, und trotzdem jetzt zahlreiche Störungen.

Stachwitz: Naja. Es gab zwei KVen, die getestet haben und dann die Tests eingestellt haben, weil es die Einlösung per Karte noch nicht gab, die jetzt über achtzig Prozent aller Einlösungen ausmacht. Danach ist ja eigentlich nicht mehr getestet wurden. Es wurde im Herbst 2023, einige Monate vor dem offiziellen Start, einfach punktuell angefangen. Was auch gut war, aber zum Beispiel echte Belastungstests der Infrastruktur gab es nicht, da hätte man dann vielleicht was gesehen. Wenn ich jetzt bei der ePA höre, was die PVS-Hersteller sagen, wann sie voraussichtlich das erste Mal ihre Systeme gegen die neue ePA werden testen können, dann kann ich mir ausrechnen, wie lange die Hersteller und wie lange wir dann in den Praxen Zeit zum Testen haben werden. Nicht lang. Das ist definitiv nicht so, wie wir uns das wünschen. Sehr gut wären zum Beispiel Dummy-Patienten und -Patientinnen, so ähnlich wie wir das beim E-Rezept ja hatten. Ansonsten ist die Situation bei der ePA ja ein bisschen anders als beim E-Rezept. Eine Praxis ohne Rezept funktioniert nicht, eine Praxis ohne ePA arbeitet einfach weiter – aber die Chance der Verbesserung der Versorgung ist dann vertan. Das große Thema wird am Anfang die Erklärungsbedürftigkeit sein – für die Versicherten, aber auch für uns Ärztinnen und Ärzte.


Wie wird oder sollte die ePA finanziell abgebildet werden?
Steiner: Es gab ja schon bei der ersten ePA keine spezielle Ziffer für die Beratung. Die neue ePA wird jetzt definitiv beratungsintensiver, denken Sie an die im Gesetz hinterlegten, umfangreicheren Informations- und Aufklärungspflichten. Es gibt zum Beispiel spezielle Informations- und Aufklärungspflichten, wenn die Dokumentation einer Erkrankung in der ePA als stigmatisierend wahrgenommen werden könnte. Es gibt die Information zu Widerspruchsrechten. Bisher ist für uns nicht erkennbar, dass dieser Zusatzaufwand finanziell abgebildet wird. Das halten wir schon für notwendig, denn das ist zeitintensiv. Bis jetzt ist das Thema Vergütung nicht geregelt, im Digitalgesetz taucht das nicht auf.

Stachwitz: Und das ist natürlich Arztzeit. Denn eine Aufklärung über eine stigmatisierende Dokumentation zu delegieren, kann zumindest ich mir nur schwer vorstellen.

Frau Steiner, Sie haben vor rund einem Jahr einen der drei Vorstandsposten bei der KBV übernommen und in dem Zusammenhang von Ihrem Vorgänger, Thomas Kriedel, auch das Thema Digitalisierung geerbt. Wie haben Sie dieses Thema damals wahrgenommen, und wie hat sich das verändert?
Steiner: Geerbt stimmt nicht ganz, wir haben uns da im Vorstand gemeinsam hingesetzt und im Rahmen einer neuen Vorstandsgeschäftsordnung Themengebiete neu verteilt. Ich habe mich bewusst unter anderem für dieses Thema entschieden. Es ist ein schwieriges Thema, aber eben auch ein total wichtiges Zukunftsthema. Aus ärztlicher Perspektive meine ich, dass wir von dieser reinen Technikdiskussion wegkommen müssen. Wir müssen mehr darüber nachdenken, wie wir mit Digitalisierung medizinische Versorgungsprozesse unterstützen können. Die Frage – auch in einem Interview wie unserem – sollte eigentlich nicht sein: Läuft die Patientenversorgung trotz Digitalisierung? Sondern: Wie unterstützt Digitalisierung die Versorgungsprozesse?

Wo könnte eine solche Versorgungsunterstützung konkret ansetzen? Und wie kann das KV-System, kann eine KBV darauf hinwirken?
Steiner: Der Fehler in der Vergangenheit, vorgegeben vom damaligen Gesetzgeber, war, dass wir einfach nur die existierenden, analogen Verordnungsformulare digital umgesetzt haben – die eAU, das E-Rezept, als Nächstes die eVerordnung der häuslichen Krankenpflege. Das ist nicht der richtige Ansatz. Wir müssen von den Versorgungsprozessen her kommen, nicht von den Formularen: Welche Versorgungsprozesse haben wir? Und wie können wir die durch Digitalisierung erleichtern? Ich spreche gerade mit den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten über die Digitalisierung des Antrags- und Gutachterverfahrens, das wäre so ein Beispiel. Wir müssen an einen Punkt kommen, an dem die Kolleginnen und Kollegen einen Mehrwert spüren. Von der eAU habe ich als Ärztin nichts. Es braucht dringend Anwendungen, von denen die Praxen profitieren.

Wer muss da die Initialzündung geben? Der Gesetzgeber, Stichwort digitales DMP Diabetes? Oder kann das auch aus dem KV-System selbst kommen?
Stachwitz: Beim digitalen Diabetes DMP sind KBV und KV-System sehr eng involviert. Am Ende muss natürlich nicht alles im Gesetz stehen. Aber bevor wir über digitale Versorgungsprozesse sinnvoll reden können, muss die Basisinfrastruktur endlich erst einmal vorhanden sein, sie muss funktionieren und sie muss es ermöglichen, neue digitale Szenarien abzubilden. Dinge, die seit zwanzig Jahren im Gesetz stehen, werden jetzt erst so langsam Wirklichkeit, und Stand im Moment funktionieren sie technisch einfach noch nicht besonders gut. Das macht digital gestützte Versorgung schwierig. Nehmen wir den Vortrag des Ministers bei der DMEA: Wenn ich das als Arzt höre, dann denke ich mir: KI schön und gut – und ich sehe absolut die Chancen –, aber erst mal muss TI funktionieren. Auf einer als funktionierend erlebten Infrastruktur können Ärztinnen und Ärzte dann Versorgungsmodelle aufsetzen, die auch regional unterschiedlich sein können. Und das wiederum kann dann von KV- bzw. KBV-Seite unterstützt werden.

Mit der Schaffung einer eigenen Stabsstelle Digitalisierung hat die KBV eine organisatorische Veränderung vorgenommen. Was erhofft sich der KBV-Vorstand von dieser neuen Stabsstelle?
Steiner: Die Stabsstelle Digitalisierung setzt letztlich genau da an: Wir wollen stärker medizinisch an die Dinge rangehen, deswegen wollten wir diese Stelle mit einer Ärztin oder einem Arzt besetzen, jemand wie Philipp Stachwitz, der einerseits Digitalisierung kennt und versteht, der aber auch selbst in der Versorgung verankert ist und die Anwendersicht in die Diskussionen zum Beispiel mit der gematik einbringen kann. Es gibt aber noch ein paar mehr Ebenen. Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das letztlich in alle Fachdezernate der KBV hineinspielt, und entsprechend sollte Digitalisierung an allen Stellen mitgedacht werden. Das erfordert viel Abstimmung KBV-intern und mit den Tochterunternehmen der KBV, also der kv.digital und der mio42. Ich finde es ziemlich offensichtlich, dass es eine Koordination braucht, und bin sehr froh, dass wir das jetzt hinbekommen.

Wie bildet sich das organisatorisch im KBV-Organigramm ab? Und gibt es einen Stab, also weitere Stellen?
Steiner: Es ist ein eigener Stabsbereich, aber er ist na­türlich eng abgestimmt mit dem Stabsbereich Politik, ­Strategie und Kommunikation. Diese koordinierende, integrierende Funktion kann nur ein eigener Stabsbereich wahrnehmen. Was die personelle Ausstattung angeht: Wir fangen gerade erst an, aber Ziel ist schon, dass das ein Team wird und keine One-Man-Show.

Im Wissen, dass die Stelle noch ganz neu ist: Was wird der neue Stabsstellenleiter als Erstes in Angriff nehmen?
Stachwitz: Ein wichtiges Thema, das aktuell auf dem Tisch liegt, ist natürlich die ePA-Einführung. Da gibt es viel Raum für die Nutzerperspektive – und das heißt konkret für die Umsetzung im Praxisverwaltungssystem (PVS). Ein anderes Thema ist Vertrauensarbeit, nicht nur innerhalb der KBV, sondern auch mit den regionalen KVen. Und es geht darum, über den Tag hinaus noch stärker strategisch-konzeptionell zu denken.

Klingt nach einer personalisierten Schnittstelle sowohl Richtung gematik als auch Richtung Industrie als auch Richtung KVen als auch KBV-intern.

Steiner: Letztlich ist es so, ja. Und ich glaube, wir glauben, dass das gebraucht wird.

Das PVS wurde schon erwähnt als quasi die Nutzerperspektive der Praxen auf IT-Anwendungen aller Art. Die KBV hat kürzlich eine Pressemeldung verschickt unter dem Titel „Praxissoftware darf kein Glücksspiel sein“. Was sind Ihre Kritikpunkte an der Softwarebranche?
Steiner: Was fehlt, ist Transparenz. Wie informiert sich ein Arzt oder eine Ärztin bei einer Praxisgründung über das Thema IT? Wie können die Systeme untereinander verglichen werden? Was leisten die unterschiedlichen Systeme? Was passt zu einer speziellen Praxisgründung? Aus unserer Sicht fehlt es da an Information, das ist ein wichtiger Kritikpunkt und das, was wir mit „Glücksspiel“ meinen. Es ist der Punkt, den wir mit der neuen Rahmenvereinbarung in erster Linie adressieren wollen: Transparenz schaffen. Ein zweiter Punkt ist, dass es möglich sein muss - wenn man unzufrieden ist –, das PVS einfacher zu wechseln und bessere Informationen über das Angebot zu bekommen. Wir wollen aber niemanden zu irgendetwas überreden, und wir wollen auch keine Werbung für irgendwelche Systeme machen.

Wie sind Sie bei der Rahmenvereinbarung, die seit Ende März vorliegt, vorgegangen? Und was sind aus Ihrer Sicht zentrale Inhalte?

Steiner: Tatsächlich ging es uns zunächst einmal darum, zu definieren, was eigentlich Kriterien sind, die ein gutes Praxisverwaltungssystem ausmachen. Ein konkretes Beispiel ist der Support: Was bietet welches Support-Level, welche Response-Zeiten habe ich? Da gibt es unterschiedliche Anforderungen aufseiten der Praxis, je nach Größe, Fachrichtung und Komplexität, und das ist wenig transparent teilweise. Das sollte man aber schon wissen, bevor man etwas kauft. Ein zweiter Punkt ist Transparenz über die Preise: Die Preise der Systeme, die Preise des Supports, aber auch zum Beispiel Preise in Bezug auf die Leistungen, die eine Praxis für die TI-Pauschale bekommt oder eben nicht bekommt, weil sie als Add-on ­extra berechnet werden. Hier braucht es Vergleichsmöglichkeiten, die gibt es im Moment nicht. Dritter Punkt: Nutzerfreundlichkeit. Wir haben dafür jetzt die Akzeptanzkriterien des TI-Scores genommen, weil das der im Moment verfügbare Standard ist. Darüber kann man diskutieren, aber es ist zumindest mal ein Anfang.

Stachwitz: Sicherheitsanforderungen ist auch noch ein Punkt. Ich sehe das ein bisschen wie bei den DiGA: Seit es DiGA gibt, weiß ich als Arzt oder Ärztin, dass bestimmte Gesundheits-Apps von jemandem geprüft wurden und, mal unabhängig von der medizinischen Wirksamkeit, notwendige Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllen. Das hilft mir schon.

Der Erfolg der Rahmenvereinbarung hängt ja unter anderem davon ab, ob sie einerseits anspruchsvoll genug ist, dass es zu spürbaren Verbesserungen kommt, andererseits aber nicht so anspruchsvoll, dass alle von vornherein abwinken. Glauben Sie, dass Sie diese Balance hinbekommen haben? Wie viel Resonanz erwarten Sie?
Steiner: Ich denke schon, dass uns diese Balance gelungen ist. Auch weil wir ein umfangreiches Kommentierungsverfahren hatten, wo entsprechende Bedenken eingebracht werden konnten. Da haben wir auch einige Stolpersteine identifiziert, die wir noch aus dem Weg geräumt haben. Konkrete Prognosen würde ich nicht machen wollen. Das Angebot ist für die Hersteller freiwillig, wir werden sehen.

Insgesamt war das Verhältnis zwischen Ärzteschaft und IT-Industrie in den letzten Monaten ja eher angespannt. Wie kann ein besseres Miteinander gelingen?
Steiner: Ich glaube, dass der Prozess, den wir im Zusammenhang mit der Rahmenvereinbarung angestoßen haben, schon eine erste Antwort auf diese Frage ist. Wir kommunizieren mehr, wir hatten einen sehr intensiven Austausch mit den Herstellern, mit dem Verband bvitg, und auf Ärzteseite haben nicht nur wir bei der KBV, sondern auch die KVen sich sehr intensiv eingebracht. Dieser Austausch geht auch weiter, der ist nicht vorbei. Wir bieten den Herstellern zum Beispiel Sprechstunden zur Rahmenvereinbarung an, in denen sie auch außerhalb der existierenden Formate mit uns in Austausch kommen können. Ich glaube, dass das allen Seiten hilft. Ich bin eigentlich ganz optimistisch.

Was die Verantwortlichkeiten für IT-Pannen angeht, haben wir die Situation, dass jeder auf jeden zeigt: Die gematik auf die Praxis-IT-Branche, die Praxis-IT-Branche auf die TI und die KVen mal in die eine, mal in die andere, mal in beide Richtungen. Wie kommen wir weg von diesem Fingerpointing?
Steiner: Der erste Schritt ist, dass wir eine stabilere TI brauchen. Solange das nicht gewährleistet ist, wird sich die Stimmung nicht verbessern. Wir sollten aus unserer Sicht auch von verpflichtenden Stichtagsregelungen wegkommen, insbesondere von Fristen, von denen jeder weiß, dass sie völlig unrealistisch sind. Es kann nicht sein, dass am Ende die Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Form von Sanktionen die Zeche zahlen müssen, wenn die IT-Systeme die Anwendungen nicht vorhalten. Diese Sanktionen und Bußgelder müssen ersatzlos gestrichen werden. Wir werden auch schärfere Performance-Vorgaben für die TI und Praxisverwaltungssysteme fordern. Bisher fokussiert die Gesetzgebung noch zu stark ausschließlich auf Interoperabilität. Die ist wichtig, und da arbeiten wir ja auch viel für, aber Performance und Funktionsfähigkeit sind halt für den Alltag in den Praxen mindestens genauso wichtig.

Stabile TI geht in Richtung gematik, Fristen und Sanktionen an den Gesetzgeber. Was erwarten Sie von PVS-Herstellern?
Steiner: Ansprechpartner und Reaktionszeiten sind hier die zentralen Themen. Das ist das, was wir immer wieder hören. Ärztinnen und Ärzte müssen wissen, an wen sie sich wenden können, und die Preismodelle im Support-Bereich müssen akzeptabel sein.
Stachwitz: Und dann natürlich bessere Usability, das ist ein Riesenthema. Was man ganz klar sagen muss: Bei Usability geht es nicht um Geschmacksfragen, auch wenn dieser Eindruck manchmal erweckt wird. Es geht um fundamentale, funktionale Anforderungen, und dafür gibt es schon objektivierbare Kriterien. Ein bisschen mehr Verbindlichkeit wäre uns in diesem Bereich ganz recht.

Noch mal zum Stichwort Support: Verfügbarkeit von Ansprechpartnern und Reaktionszeiten hängen mit den TI-Störungen zusammen. Wie kann man diesen Knoten zerschlagen? Mit einer speziellen Support-Ebene für TI-Störungen?
Stachwitz: Das ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Als Anwender in der Praxis will ich einen festen Kommunikationskanal, und dann muss sich um das Problem gekümmert werden. Ich will nicht heute eine WhatsApp an den einen und morgen eine E-Mail an den anderen schreiben, und übermorgen dann ein Telefonat mit einem Dritten führen. Das ist auch bei anderer Software nicht so. Ich verstehe, dass ein PVS-Support bei TI-Ausfällen nichts tun kann. Das kann man dann aber auch zügig so kommunizieren. Mein zentraler Ansprechpartner ist der Hersteller des PVS, an den zahle ich das Geld. Da erwarte ich, dass der sich kümmert. Wenn die Verantwortung an anderer Stelle, bei der gematik, liegt, dann mag das sein. Aber dann müssen die entsprechenden Akteure das untereinander lösen und sich da irgendwas überlegen, und zwar sowohl was den Support als auch was das zugrundeliegende Problem, die TI-Ausfälle angeht. Schnelle Information schön und gut, aber wenn ständig eine WhatsApp kommt, dass die TI mal wieder nicht geht, dann hilft das natürlich auch nur bedingt. Wir kommen immer an denselben Punkt: Die TI muss stabiler werden, und alle, die für diese Instabilität Verantwortung tragen, müssen handeln.