Es ist eine von den besseren Wochen für Patient:innen und Ärzt:innen. Das E-Rezept darf abfotografiert und zur Einlösung in die Apotheke geschickt werden (hier mehr) und auf der Gesellschafterversammlung der gematik Gmbh fiel der Startschuss für die Ausgestaltung der Opt-out-Regelung der elektronischen Patientenakte (ePA). Sie sei überzeugt, erklärt Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung Digitalisierung & Innovation im Bundesgesundheitsministerium, bei der Health – The Digital Future-Konferenz des Handelsblatts, dass dies ein wichtiger Schritt ist, damit die ePA in der medizinischen Versorgung ankommt.
In vier Stufen von patientengeführter zu -zentrierter ePA
Bis das passiert, ist noch ziemlich viel Luft nach oben – bei heute 0,75 Prozent Nutzerquote. Natürlich sind die Gründe vielfältig und nicht alles lässt sich durch eine Opt-out-Regelung „in den Griff bekommen“. Aber es ist ein Signal, vor allem auch für die Ärzt:innen, dass sich von der (viel gescholtenen) patienten“geführten“ Akte ein Stück weit verabschiedet wird und eine patienten“zentrierte“ elektronische Akte nun das Ziel ist. 80 Prozent Nutzer:innen nennt sie als (ambitionierte!) Zielmarke bis 2025, denn erst dann wird die ePA aus dem Praxisalltag nicht mehr wegzudenken sein und einen relevanten Beitrag zu einer besseren und sicheren Patientenversorgung leisten.
Einen Fahrplan, wie dies geschehen soll, gibt es bereits:
1. Jeder bekommt eine Akte: Noch ungeklärt ist, wie und bei welcher Institution Bürger:innen ihren Widerspruch hinterlegen können.
2. Jeder Leistungserbringer soll befüllen: Noch ungeklärt ist, was verpflichtend in der ePA gespeichert werden soll.
3. Automatisiertes Zugriffsrecht für alle im Behandlungskontext Beteiligten: Natürlich hat jede und jeder das Recht zu widersprechen
4. Forschungsdatenspende: Auch hier wird es eine Opt-out-Regelung geben. Wer nicht explizit widerspricht, willigt in die automatisierte Weitergabe pseudonymisierter Daten an das Forschungsdatenzentrum ein.
Die Hoheit über die Daten und deren Freigabe liegt nach wie vor bei den Patient:innen, die auf jeder Stufe widersprechen können. Und doch trägt man hier der Einsicht Rechnung, dass die Patient:innen natürlich grundsätzlich die relevanten Daten den an der Behandlung beteiligten Personen zur Verfügung stellen möchten, um von dem Mehr an Wissen zu profitieren – und zwar ohne sich vorher im Selbststudium mit dem Konstrukt ePA auseinandersetzen zu müssen. Das war wohl einer der Hauptgründe für das Umdenken: „Eine patientengeführte Akte setzt voraus, dass sich quasi jeder informiert und mit dem Thema auseinandersetzt“, so Ozegowski. „Das ist einfach ein zu hoher Anspruch. Die Bürger:innen wollen eine bestmögliche Versorgung und unsere Aufgabe ist es, die Ärzt:innen dahingehend zu befähigen.“
Das Abschneiden alter Zöpfe sorgt für ein Raunen
Auch die für das Frühjahr 2023 avisierte Digitalisierungsstrategie wird die Maxime des Patientennutzens in den Vordergrund stellen. Darüber hinaus soll eine moderne Versorgung vor allem ausgehend von den Prozessen gedacht werden – nicht von etwaigen Produkten. Selbst Anwendungen, wie die Medizinischen Informationsobjekte (MIOs), die bereits auf dem Weg seien, werden auf ihren Nutzen für den Versorgungsprozess hin erneut überprüft und gegebenenfalls eingestellt.
„Wir werden uns nicht scheuen, alte Zöpfe abzuschneiden“, erklärt Ozegowski, „wenn absehbar ist, dass es keinen Nutzen in der Versorgung haben wird, ist es besser, uns schnell zu verabschieden. Das heißt aber nicht, dass wir uns von allen bisherigen MIOs verabschieden.“ Es ist nur nicht ausreichend für die Akzeptanz, einfach Analoges eins zu eins in Digitales zu pressen. Die gematik wurde damit beauftragt, die MIOs auf den Prüfstand zu stellen.
Der eine oder andere hatte diesen Part übrigens missverstanden. Noch am Tag der Veranstaltung sah sich Susanne Ozegowski zu einem zurechtrückenden Tweet genötigt:
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@SOzegowski, Di, 8. November
Zur Klarstellung: Ich habe heute NICHT gesagt, dass wir uns von allen bisherigen MIOs verabschieden. Wir müssen aber prüfen, welche der MIOs zukunftstauglich sind. Damit haben wir gestern die
@gematik1 gemeinsam mit ihren Gesellschaftern beauftragt.