Die Zahlen sehen gut aus, auch wenn eine definitive Bilanz der DMEA 2025 natürlich erst möglich ist, wenn sie dann auch endlich läuft. In jedem Fall kommen mehr als 800 nationale und internationale Aussteller und mehr als 450 nationale und internationale Referenten vom 8. bis 10. April aufs Berliner Messegelände. Verkehrstechnisch werden die ihren Spaß haben, dank gesperrter Autobahnbrücke am Funkturm und Bus-Ersatzverkehr auf der wegen der einsturzgefährdeten Brücke unterbrochenen Ringbahn. Aber hey, das ist zwar ein Infrastruktur-, aber kein Digital Health-Thema.
Aus Sicht von Messe Berlin und Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) ist die entscheidende Frage eine andere: Wird in diesem Jahr – nach 18.000 im vergangenen Jahr – die magische 20.000 Teilnehmer:innen-Schwelle geknackt, oder nicht? Einer, der seinen Teil dazu beiträgt, ist Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der hält am Eröffnungstag eine Keynote und macht seinen Messerundgang, als stehe die Ampelkoalition kurz vor der Wiederwahl. Das Publikum wird es freuen, das steht fest.
KI bis Jahresende in jeder Einrichtung?
Was sind die großen Themen der DMEA? Da ist, natürlich, die künstliche Intelligenz (KI). Für bvitg-Expertin Luisa Wasilewski, die auch für den gerade veröffentlichten Trendreport Gesundheits-IT des bvitg mitverantwortlich zeichnet, sind KI-Anwendungen im Bereich Workflows und Administration schon mitten in der Durchbruchsphase: Klinische Dokumentation sowie Telefon- und Terminassistenten seien hier die Renner, und das werde sich auch bei der DMEA 2025 spiegeln.
Die Frage, ob die medizinischen Einrichtungen überhaupt schon mental bereit für die KI seien, beantwortet bvitg-Vorstand Matthias Meierhofer klar mit Ja: „Alle Hersteller haben KI-Angebote, und die hätten sie nicht, wenn es keine Nachfrage gäbe.“ Luisa Wasilewski ließ sich bei der Vorab-Pressekonferenz von Messe und Verband zu einem Blick in die Glaskugel hinreißen: „Eine KI-gestützte klinische Dokumentation wird es bis Ende des Jahres in der Mehrzahl der medizinischen Einrichtungen geben.“ Etwas länger dauern werde es überall dort, wo AI Act und Medical Device Regulation greifen, also bei diagnostischen und therapeutischen Anwendungen. Denn hier sei in Sachen KI einfach noch zu viel unklar.
Meierhofer zur ePA: „Wir plädieren für langsames Hochfahren“
Das zweite große Thema der DMEA ist, natürlich, die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Das dürfte dann auch der Hauptgrund sein, warum sich der Bundesgesundheitsminister die Teilnahme nicht nehmen lässt, obwohl er sich eigentlich entspannt zurücklehnen könnte, solange die Parteigremien verhandeln. Nach „durchaus holprigem Start“, so Meierhofer, sei man nach Beseitigung der durch den Chaos Computer Club aufgedeckten Sicherheitslücken jetzt an einem Punkt, an dem die ePA in den Rollout gebracht werden könne: „Eine Sicherheit zu 100 Prozent wird es nie geben, aber das Sicherheitslevel ist mit den getroffenen Maßnahmen so hoch, dass der Nutzen klar überwiegt.“
Dies heiße aber nicht, dass nicht künftig noch an einigen Stellen nachjustiert werden müsse. Das im Moment indirekt durch die Beschränkung auf PDF/A adressierte Thema der Viren in der ePA sieht Meierhofer perspektivisch wieder auf der Agenda: „Über Virenschutz in der ePA werden wir reden müssen, auch darüber, was mit kontaminierten Informationen passiert.“ Das sei aber nichts, was einem Rollout entgegenstehe. Prinzipiell, so Meierhofer, plädiere die Industrie für ein langsames Hochfahren der ePA-Infrastruktur und nicht für einen Big Bang. Die allermeisten Hersteller seien mittlerweile „ePA-ready“, es müsse jetzt vor allem darum gehen, die Anwender:innen und Patient:innen mitzunehmen. Hier seien unter anderem KVen und Krankenkassen in der Pflicht.
Krankenhausreform: Es braucht den Flow
Mit einer Mischung aus gespannter Erwartung und auch ein wenig Respekt blickt die Digital Health Branche auf das voraussichtlich größte gesundheitspolitische Thema der kommenden Legislatur, die Krankenhausreform. Die ist eigentlich mehr als eine Krankenhausreform, weil sie auch auf die ambulante Versorgung erheblichen Einfluss nehmen und die Sektorentrennung weiter aufweichen wird.
Für die IT-Branche ist das deswegen interessant, weil eine nicht mehr sektorengetrennte Welt IT-Lösungen braucht, mit deren Unterstützung Patient:innen durch das Gesundheitswesen navigiert werden können. Die ePA werde hier helfen, so Meierhofer, aber sie werde wahrscheinlich nicht die alleinige Antwort sein: „Wir müssen quasi einen durchgängigen Flow von Daten und Informationen erzeugen. Und dabei dürfen wir uns nicht nur auf die Akutversorgung konzentrieren, sondern müssen auch Rehabilitation und Langzeitpflege mitdenken.“
Digital Health Start-up: Choose Wisely
Der durchaus vorhandene Respekt vor der Krankenhausreform in der Digital Health Branche rührt unter anderem daher, dass die Zahl der Krankenhäuser sinken wird. Was das für die Zahl der IT-Projekte in Krankenhäusern heißen wird, und letztlich auch für die Zahl der Unternehmen, die dann um einen kleiner werdenden Kuchen konkurrieren, das sind Fragen, die bei der DMEA im Hintergrund mitschwingen werden, auch wenn sie derzeit noch niemand seriös beantworten kann.
Besonders herausfordernd, so Luisa Wasilewski, könnte die Krankenhausreform für kleinere Unternehmen bzw. Startups werden. Zwar liefert jede Reform für Innovatoren neue Ansatzpunkte, die zum Sprungbrett für ein Unternehmen werden können. Doch gleichzeitig müssten sich insbesondere junge Unternehmen künftig noch genauer als bisher ansehen, mit welchen Häusern sie in der Entwicklungsphase kooperieren, so Wasilewski. Die Frage sei: Ist die entsprechende Abteilung in zwei Jahren überhaupt noch da?
Das hat zwangsläufig auch eine gewisse Relevanz für den IT-Nachwuchs, der sich die Frage stellt, ob das Gesundheitswesen das zukunftsträchtigste und spannendste Betätigungsfeld – und nicht vielleicht doch eher die Verteidigungsbrache oder New Energy. Der bvitg jedenfalls rollte mit seiner DMEA sparks dem Nachwuchs auch in diesem Jahr den Teppich aus. Das Angebotsspektrum reicht von lebendigen Kongressformaten über Kontaktanbahnungen aller Art bis hin zu gezielter Unterstützung bei Bewerbungen. Auch der schon traditionelle DMEA sparks Nachwuchspreis wird am Kongress-Mittwoch wieder vergeben.