Ziel des „GDAG“ bzw. des Umbaus der gematik von einer „Gesellschaft für Telematik“ hin zu einer immer noch gematik heißenden „Digitalagentur Gesundheit“ seien die Stärkung des Mandats der gematik und eine Weiterentwicklung des Aufgabenportfolios. So weit, so unverfänglich, doch einiges, was dann kommt, hat es schon in sich.
Der grobe Rahmen
Prinzipiell soll die Digitalagentur künftig freier und vielfältiger agieren können. Komponenten und Dienste, die „zentral und nur einmalig vorhanden“ sind, können selbst entwickelt und betrieben werden. Wettbewerbsrelevante Anwendungen werden spezifiziert, aber „in unterschiedlichen Abstufungen“ vom Markt entwickelt. Außerdem können Backbone-Anwendungen in einem kontrollierten Marktmodell über Ausschreibungen beschafft und bereitgestellt werden.
Ausgeweitet wird das Aufgabenspektrum des Kompetenzzentrums für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG). Es soll künftig tiefer in die unterschiedlichen IT-Systeme hineinregieren dürfen, und zwar „durch die Festlegung von qualitativen und quantitativen Funktionen“ mit dem Ziel, nicht nur technischen, syntaktische und semantische Interoperabilität, sondern ggf. auch Nutzerfreundlichkeit definieren zu können. Darüber hinaus soll die Digitalagentur, das ist nicht weiter überraschend, künftig die Aufgaben einer digitalen Gesundheitsagentur nach europarechtlichem Vorgaben über den Europäischen Gesundheitsdatenraum übernehmen.
Ihre Agentur für neue Versorgungsprozesse?
Beim Blick in die Details fällt unter anderem der §363 SGB V ins Auge, der den im Vorspann des Entwurfs genannten Satz mit Leben füllt, wonach die Digitalagentur Gesundheit bei der Digitalisierung von Versorgungsprozessen und der Pflege als Partner zur Verfügung stehen soll. Hier geht es demnach in erster Linie um die Nutzung der Kommunikationsdienste KIM und TIM, die bisher nur punktuell für Einzelanwendungen (wie den eArztbrief) bespielt werden. Künftig sollen sie umfangreicher genutzt werden, neben „weiteren sicheren Verfahren für die Übermittlung von medizinischen Daten“, die die gematik nach Bedarf festlegen kann.
Wer die sicheren Kommunikationsdienste nutzen will, kann das demnach tun, sofern er eine entsprechende Zulassung erwirkt. Die Festlegungen für das Zulassungsverfahren muss die gematik qua GDAG jetzt bzw. nach Inkrafttreten des Gesetzes treffen und veröffentlichen, das Ganze im Benehmen, nicht Einvernehmen, mit dem BSI und der (neuen) BfDS. Attraktiv wird die Sache natürlich dadurch, dass die Verzeichnisdienste der TI genutzt werden können. Die Verzeichnisdienste dürften aber, so der Gesetzentwurf, ohne ausdrückliche Einwilligung der Nutzer:innen nicht für die Zusendung von Werbung genutzt werden. Letztlich geht es beim §363 wohl darum, endlich digital gestützte Versorgungsprozesse auf der TI in die Spur zu bekommen. Das Bundesministerium scheint hier reges Interesse zu erwarten, zumindest gibt das GDAG der gematik allein dafür gleich drei neue Stellen. Bleibt die Frage: Wer lehnt sich zuerst aus dem Fenster und setzt digitale Versorgungsszenarien auf der TI um?
Ihre Agentur für mehr Usability?
In Sachen Usability ist der § 311 der Dreh- und Angelpunkt. Er wird umfangreich geändert und regelt die „Aufgaben und Befugnisse der Digitalagentur“. In dem Paragraphen findet sich jetzt unter anderem, dass die gematik künftig „Standards der Benutzerfreundlichkeit der Komponenten, Dienste und Anwendungen der Telematikinfrastruktur“ verbindlich festlegen kann und auch sicherstellen darf, dass sie eingehalten werden.
Reicht das nicht, hält der Gesetzentwurf dem alten und neuen gematik-Mehrheitseigner Bundesministerium für Gesundheit eine Tür offen. Das Ministerium „kann der Digitalagentur Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats weitere Aufgaben zuweisen.“