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Forschung |

Klinische Studien sollen digitaler werden

Das Medizinforschungsgesetz soll den Studienstandort Deutschland reanimieren. Helfen bei der Herzdruckmassage könnte aber auch die Digitalisierung.

Bild: © LALAKA – stock.adobe.com, 603347830, Stand.-Liz.

Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach über die Zukunft der klinischen Forschung in Deutschland redet, dann gerät er geradezu ins Schwärmen. Die Zusammenführung von Gesundheitsdaten jeglicher Couleur mit Hilfe des Forschungsdatenzentrums (FDZ) und der Datenzugangs- und Koordinierungsstelle soll nicht nur dafür sorgen, dass Deutschland künftig im Falle weiterer Pandemien besser forschen kann. Sie soll auch die KI-Entwicklung unterstützen bei klinischen Studien helfen.

 

Bei der VISION ZERO Tagung in Berlin skizzierte der Minister kürzlich eine Art Tinder für die klinische Forschung. Studienleiter:innen, die Patient:innen für eine neue Studie rekrutieren wollen, und Patient:innen, die gerne an Studien teilnehmen wollen, könnten auf der Basis strukturierter, pseudonymisierter Daten von KI-Modellen zusammengebracht werden, ähnlich wie das bei einer Dating-App geschieht. Kommt es zu einem Matching, kann der betreffende Patient – sofern einverstanden – kontaktiert werden und ggf. an der Studie teilnehmen.

 

IT-Lösungen sollen Studienzentren unterstützen

Soweit die Vision. Klar ist, dass es für so etwas nicht nur ein funktionierendes FDZ, sondern auch entsprechende Softwarelösungen braucht. Die Dating-App für klinische Studien ist natürlich noch Zukunftsmusik. Aber dass es im Bereich klinischer Studien generell einen Bedarf an leistungsfähiger digitaler Unterstützung gibt, diese Erkenntnis bricht sich zunehmend Bahn, und zwar auch und gerade auf Seiten der Studienzentren.

 

Aktuell springen die Unternehmen Deutsche Telekom und Healex auf diesen Zug auf: Sie bieten jetzt unter dem Namen TrialSite eine neue Software an, die, unterstützt von künstlicher Intelligenz, die Abrechnung und Verwaltung klinischer Studienteilnahmen in den einzelnen medizinischen Einrichtungen erleichtern soll. „Die Teilnahme an klinischen Studien stellt die Krankenhäuser vor besondere Herausforderungen: Die Administration erfolgt sehr oft noch manuell und ist mit hohem Aufwand verbunden“, betont Gottfried Ludewig, Chef der internationalen Gesundheitssparte von T-Systems. „Zudem ist die Kalkulation oft unübersichtlich und nicht kostendeckend. TrialSite ist eine digitale Lösung an, die den Häusern das Leben deutlich einfacher macht.“

 

Tatsächlich werden klinische Studien heute oft noch auf Basis von Excel-Tabellen geführt, was zeitintensiv und fehleranfällig ist. Die neue Software soll nicht nur die Studienadministration erleichtern, sondern auch für Kostentransparenz sorgen, sodass die an einer Studie teilnehmenden medizinischen Einrichtungen besser mit den Studiensponsoren verhandeln können. Gespeichert werden die Studiendaten in den ISO/IEC 27001-zertifizierten Rechenzentren der Open Telekom Cloud.

 

Perspektivisch ist eine Verknüpfung mit einer bereits existierenden, eher regulatorisch ausgerichteten Softwarelösung für klinische Studien auf Seiten der pharmazeutischen Hersteller geplant. Genutzt wird TrialSite bereits von einem Maximalversorger am Niederrhein, wo im Mittel 90 bis 100 klinische Studien und Registerstudien parallel laufen: „Der Stundenaufwand für die Rechnungsstellung wird minimalisiert und es ist für uns immer ersichtlich, wenn Leistungen noch nicht abgerechnet wurden“, sagt Andrea Pelzer, Leiterin Studienkoordination des Maximalversorgers.

 

Medizinforschungsgesetz soll Rahmenbedingungen verbessern

Die politische „Hintergrundmusik“ solcher Softwarelösungen ist neben dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz auch das Medizinforschungsgesetz (MFG), das am 4. Juli 2024 den Deutschen Bundestag passiert hat. Es ist ein Resultat eines intensiveren Dialogs mit der vor allem pharmazeutischen Industrie, den das Bundesgesundheitsministerium 2023 initialisiert hatte – unter anderem weil Deutschland in der internationalen Rangliste der Standorte für klinische Studie zuletzt deutlich zurückgefallen war.

 

Prof. Salah-Eddin Al-Batran vom Institut für Klinische Forschung (IKF) am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt/Main hat kürzlich eine Analyse vorgestellt, die das am Beispiel der klinischen Krebsforschung illustrierte. Demnach gab es in Deutschland im August 2022 nur 2,9 von Forschenden initiierte klinische Studien mit Krebsbezug pro eine Million Einwohner, gegenüber 3,8 in Spanien, 10,4 in Frankreich, 10,9 in den USA und 30,4 in Dänemark. Bei den industriegesponsorten klinischen Studien sieht es ähnlich aus. Hier gab es in Deutschland 6,5 pro eine Million Einwohner, gegenüber 9,2 in den USA, 11,0 in Frankreich, 18,0 in Spanien und 30,6 in Dänemark.

 

Zentrenaktivierung als Dauerbaustelle

Die klinische Forschung in Deutschland hat mit mehreren Hürden zu kämpfen, die im MFG zumindest teilweise adressiert werden. Ein Hauptproblem ist die langsame Aktivierung der Studienzentren. Dies betrifft u.a. Phase-I-Studie, die oft nur ein bis anderthalb Jahre dauern und – bei internationalen Studiendesigns – mitunter schon halb vorbei sind, bevor deutsche Zentren überhaupt mit der Rekrutierung beginnen.

 

Konkret will das MFG mit entsprechenden Regelungen zur Standardisierung von Verträgen beitragen, es will die strahlenschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren verschlanken und einen Teil der für Studien nötigen Ethikvoten in die Verantwortung einer bundesweiten Ethikkommission zentralisieren. Solche Regelungen allein werden aber nicht reichen. Es muss auch auf Ebene der Studienzentren die Effizienz gesteigert werden. Hier setzen Softwarelösungen wie jene von Telekom/Healex an.