Forschung für einen scharfen Blick: Behandlungen des hinteren Augenabschnitts zur Verbesserung und Erhaltung des Sehvermögens zählen mit 1,5 Millionen Eingriffen pro Jahr zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Das Problem: Die realen Ergebnisse weichen oft stark ab von dem, was klinische Studien erbracht haben – und es fehlt an Datenerhebungen aus der täglichen Krankenhausroutine, um diese Differenz zu verstehen. Antworten soll zumindest in Teilbereichen EyeMatics liefern, ein Projekt zur „Behandlung“ von Augenerkrankungen mittels interoperabler medizinischer Informatik - einem Ansatz, bei dem die Planung von Operationen durch künstliche Intelligenz (KI) verbessert werden soll. Finanziert wird das Projekt vom Bundesforschungsministerium (BMBF) insgesamt rund sieben Millionen Euro aus der Medizininformatik-Initiative, kurz MII. Fast 2,9 Millionen Euro aus diesem Volumen fließen an das interdisziplinäre Forschungsteam an der Universität Münster, bei der auch die Projektleitung liegt.
Informatik trifft Augenheilkunde: Der Use Case – also ein klinischer Anwendungsfall - EyeMatics kombiniert Informationen aus der Bildgebung der Netzhaut und weitere klinische Untersuchungsdaten aus vier Universitätskliniken (Aachen, Greifswald, Münster und Tübingen) und aus zwei Partnern (Klinikum Chemnitz und Universitätsklinikum Leipzig). „Dabei helfen modernste Verfahren mittels Künstlicher Intelligenz, besonders wichtige Merkmale von Augenerkrankungen zu identifizieren und in einem klinischen ‚Dashboard‘ – einer Art klinischem Armaturenbrett - für eine mögliche individualisierte Risikobewertung und Therapie zu bündeln“, erklärt Prof. Julian Varghese, Leiter des Institutes für Medizinische Informatik der Universität Münster. Die Aufgabe seiner Einrichtung ist die sichere Entwicklung der KI-Algorithmen nach regulatorischen Standards in der Medizin.
„Mit EyeMatics schaffen wir die Voraussetzungen für eine multizentrische Datenauswertung von ‚Real-World‘-Daten – also Daten aus der medizinischen Versorgung - an universitären Augenkliniken. Wir erhalten unter anderem Einblicke in mögliche regionale Unterschiede der untersuchten Krankheitsentitäten und können Auswertungen zu den verschiedenen Behandlungsschemata vornehmen“, so Prof. Nicole Eter, Direktorin der münsterschen Uniklinik für Augenheilkunde. Nach ihrer Einschätzung werden Forschung und Patientenversorgung direkt von der durch das Projekt aufgebauten Infrastruktur profitieren. „Derart können wir einen großen Beitrag dafür leisten, die Versorgung insgesamt zu verbessern und unsere Patientinnen und Patienten in Zukunft personalisierter zu behandeln", erklärt die Medizinerin.
Auch Varghese ist zuversichtlich: „EyeMatics kann Vorarbeiten innerhalb der Medizininformatik-Initiative nutzen und stellt auf dieser Basis neue Werkzeuge zur verteilten Datenintegration und -analyse bereit. Unser Konsortium freut sich auch deshalb sehr über die Förderzusage, weil das Potenzial der Routinekrankenhausdaten immens, aber derzeit kaum ausgeschöpft ist.“ Der Use Case – der der erste dieser Art der Medizininformatik-Initiative ist - wird ab März 2024 über vier Jahre gefördert und ist in zwei Phasen geteilt. An den teilnehmenden Standorten sind sowohl die Augenkliniken beteiligt als auch die jeweiligen Datenintegrationszentren, welche in der vorherigen Förderphase der MII aufgebaut wurden, des Weiteren die TU Dresden mit Erfahrungen aus dem Digitalem FortschrittsHub – ebenfalls Teil der MII mit dem Ziel, die regionale Gesundheitsversorgung zu verbessern - sowie und die Universitätsmedizin Mainz. Münster nimmt bei EyeMatics insofern eine besondere Rolle ein, als hier sowohl die klinische Leitung (Prof. Eter) als auch die technische Leitung (Prof. Varghese) liegen. Dieses Zusammenspiel begünstigt das Oberziel der MII, die bessere Nutzung von Daten aus der Krankenversorgung und der Forschung der deutschen Universitätsmedizin.
Quelle: Medizinische Fakultät Münster