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Health-IT |

Neues von der Zukunft der Interoperabilität

Die Interoperabilität im deutschen Gesundheitswesen soll neu organisiert werden. Beim 8. Deutschen Interoperabilitätstags wurde darüber kontrovers diskutiert.

Dr. Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin für Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium, hielt die Keynote auf dem 8. DIT in Berlin; Foto: © Techniker Krankenkasse

Das Digital-Gesetz und mit ihm die Pläne zur Umgestaltung der Interoperabilitäts-Governance im deutschen Gesundheitswesen sind derzeit im Deutschen Bundestag. Es kann also noch ein paar Änderungen geben, aber die wesentlichen Konzepte stehen. Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung 5 im Bundesgesundheitsministerium, stellte sie in Berlin jetzt etwas ausführlicher vor.

 

Noch unter Jens Spahn war 2021 die Koordinierungsstelle Interoperabilität bei der gematik in die Spur gebracht worden, die derzeit die zentrale Anlaufstelle für technische und semantische Standards im Rahmen der Telematikinfrastruktur ist. Sie stützt sich auf das Interop-Council und die gemeinsam definierten Arbeitskreise, unterstützt von einem stetig wachsenden Expertenkreis. Mittlerweile seien 220 Expert:innen registriert, sagte der Leiter der Koordinierungsstelle, Stefan Höcherl. Weitere rund 30 Expert:innen seien auf dem Weg der Registrierung.

 

Das KIG soll Zuständigkeiten stärker bündeln

Diese Governance-Struktur sei ein guter erster Schritt gewesen, so Ozegowski. Sie reiche aber nicht: „Wir sind immer noch in dem Dilemma, dass KIS- und PVS-Systeme nicht miteinander sprechen können, es gibt immer noch keine strukturierten Daten in der ePA.“ Das BMG will mit dem Digital-Gesetz deswegen die Koordinierungsstelle mächtiger machen. Sie soll zu einem Kompetenzzentrum Interoperabilität, oder KIG, werden. Dort sollen viele der bisher stark dezentral angesiedelten Zuständigkeiten im Rahmen von Standardisierungsprozessen gebündelt werden.

 

Konkret, so Ozegowski, solle das KIG gemeinsam mit dezentralen Akteuren Bedarfe identifizieren. Die Priorisierung und die Vergabe der Erstellung der Spezifikation erfolgten durch das KIG. Die Spezifizierung selbst liege dann beim benannten dezentralen Akteur, also zum Beispiel der mio42 GmbH. Aufgabe des KIG sei dann wiederum die Prüfung der Spezifikation, gefolgt von einem Signal an die Hersteller, dass die geprüfte Spezifikation verbindlich umzusetzen ist. Ob die Umsetzung spezifikationskonform erfolgte, werde schließlich im Rahmen einer Konformitätsbewertung überprüft, entweder durch das KIG oder durch eine externe Prüfinstanz.

Abbildung 1: Das künftige KIG im Überblick

 

Damit am Ende dann auch wirklich ein verbindlicher Standard steht, sehe das Digital-Gesetz einen doppelten Verbindlichkeitsmechanismus vor, so Ozegowski. Zum einen werde auf Patientenseite gegenüber den Leistungserbringer-Einrichtungen ein Recht auf Interoperabilität etabliert, das Patient:innen ggf. mit Hilfe ihrer Krankenkassen durchsetzen sollen. Zum anderen wird es auf Herstellerseite nicht nur eine Zertifizierung geben, sondern es soll auch das Recht geschaffen werden, einen Mitbewerber, der sich nicht an die Interoperabilitätsvorgaben hält, zu verklagen.

Abbildung 2: Die beiden Verbindlichkeitsmechanismen, die der Digital-Gesetz-Entwurf vorsieht

 

 

Der Klageweg erntet Kritik

Beim letztgenannten Punkt ging wenig überraschend ein Raunen durch den Saal. Im Verlauf wurde das Klagerecht dann auch von einigen im Publikum scharf kritisiert. Kai Heitmann von HL7 Deutschland drückte es so aus: „Es müssen sich so früh wie möglich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, damit niemand überrascht wird von Dingen, die nicht funktionieren. Wenn alle dabei sind, dann brauchen wir auch keine Klagebefugnis. Vor allem müssen wir uns als Menschen vertrauen, da sind wir noch nicht ganz angekommen.“

 

Susanne Ozegowski bat im Zuge dieser Diskussionen darum, die Neuerungen bei der Interoperabilität nicht auf den Klagemechanismus zu reduzieren. Es gebe im Gesetz eine Vielzahl von Instrumenten, um die nötige Verbindlichkeit zu erreichen: „Der Klageweg kommt ziemlich am Ende, wenn alles andere nicht gereicht hat. Eigentlich sollte Verbindlichkeit schon durch das Konformitätsverfahren erreicht werden.“

 

Zukunft der gematik weiter unklar

Melanie Wendling, Geschäftsführerin des BVITG, wies, wie auch einige andere, lobend darauf hin, dass mittlerweile mehr miteinander und vor allem auch mit der Industrie geredet werde. Trotzdem bliebe mit dem Digital-Gesetz noch vieles unklar, auch weil wichtige Details auf Rechtsverordnungen ausgelagert würden. Eine große Lücke sei außerdem das fehlende Digitalagenturgesetz, mit dem die gematik neu ausgerichtet werden soll.

 

Ozegoskwi blieb beim Thema Digitalagenturgesetz vage. Nachdem die ersten Pläne im Sommer 2023 nur wenige Tage vor Veröffentlichung des ersten Entwurfs des Digital-Gesetzes ad hoc aus dem Gesetzentwurf entfernt wurden, scheint sich hier niemand weit aus dem Fenster lehnen zu wollen.  Roland Berger hatte für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem gematik-Umbau schon im Mai 2023 einen bis Ende des Jahres mit zwei Millionen Euro dotierten Auftrag bekommen. Das heißt aber nicht, dass der Gesetzentwurf danach sofort kommt. „Das Digitagenturgesetz kommt noch in dieser Legislaturperiode“, so Ozegowski. Es kann also noch etwas dauern.

 

Damit wird es nach der vom BMG gewünschten, vorzeitigen Auflösung des Vertrags von gematik-Chef Markus Leyck-Dieken zum Jahresende 2023 in Sachen gematik-Führung möglicherweise eine Übergangslösung geben müssen. Denn eine/n Geschäftsführer/in zu finden, der oder dem mangels Digitalagenturgesetz niemand genau sagen kann, was ihn oder sie in der neuen Bundesagentur finanziell und strukturell genau erwartet, dürfte zumindest herausfordernd sein. Dem Vernehmen nach ist die Liste derer, die abgewunken haben, schon recht lang. Seit Kurzem ist die Stelle auch bei Stepstone ausgeschrieben. Gesucht wird offenbar ein Tandem, zumindest ist in der Ausschreibung von einem „Co-Geschäftsführer“ die Rede.

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM