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Vernetzung |

Registergesetz: Jetzt aber wirklich!

Gesundheitsministerin Nina Warken legt einen erfrischend schlanken Entwurf für ein Registergesetz vor, das die Brücke in Richtung EHDS schlagen soll.

Bild: © InfiniteFlow – stock.adobe.com, 1230609854, Stand.-Liz.

Auf der Dauerbaustelle „Registergesetz“ wird wieder gearbeitet. Bundgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat jetzt den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung von Medizinregistern und zur Verbesserung der Medizinregisterdatennutzung“ (Medizinregistergesetz, MRG) vorgelegt. Sie macht sich damit an die Erfüllung einer expliziten Vorgabe des Koalitionsvertrags. Und sie greift ein Thema auf, das auch die Vorgängerregierungen schon beschäftigt hat. Ein existierender Gesetzentwurf fiel aber dem vorzeitigen Aus der Ampel-Koalition zum Opfer.

 

Jetzt also der MRG-Entwurf, den das Ministerium selbst als „Brückengesetz“ bezeichnet, das „die vorgesehene Infrastruktur für den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten für den Bereich der Medizinregister“ vorbereiten soll. Um allzu große Erwartungen zu dämpfen, wird dann gleich zu Beginn nachgeschoben, dass die Durchführung der Verordnung zum EHDS erst in einem späteren Gesetz erfolgen werde. Nötig ist dieses Erwartungsmanagement eigentlich nicht, denn der Entwurf ist genauso erfreulich schlank wie inhaltlich handfest.

 

Zentrum für Medizinregister am BfArM

Warken tritt mit dem Entwurf ziemlich klar in die Fußstapfen des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) ihres Vorgängers. Die Zuständigkeit des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Bereich gesundheitsdatenbasierte Forschung wird weiter ausgebaut. Es soll ein Zentrum für Medizinregister (ZMR) am BfArM entstehen, das perspektivisch zur domänenspezifischen Datenzugangsstelle im Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) werden soll.

 

Das ZMR soll ein Verzeichnis für Medizinregister erstellen und pflegen. Im Gesetzentwurf wird von derzeit etwa 350 medizinischen Registern in Deutschland gesprochen, die sehr unterschiedlich groß und sehr unterschiedlich aktiv sind. Aufgrund von Bundesrecht eingerichtet und betrieben sind das Transplantationsregister, das Hämophilieregister, das Implantateregister, das Zentrum für Krebsregisterdaten und die klinischen Krebsregister. Dazu kommen aus Bundes- und/oder GKV-Mitteln (mit)finanzierte Register ohne gesetzliche Grundlage, insbesondere Register, die aus dem Innovationsfonds gefördert sind, außerdem sehr viele andere auf Projektbasis entstandene Register mit sehr unterschiedlichen Finanzierungsmodellen und auch sehr unterschiedlichen Registerzwecken.  

 

Opt-out Option für Registerforschung soll kommen

Kernaufgabe des ZMR soll die Umsetzung eines Qualifizierungsverfahrens sein, an dem medizinische Register freiwillig teilnehmen können. In diesem Verfahren müssen jene Register, die sich qualifizieren wollen, nachweisen, dass sie in Sachen wissenschaftlicher Arbeit und technische Ausstattung „grundlegende Qualitätsanforderungen“ erfüllen. Maßstab sein soll demnach „ein Medizinregister, das auch jetzt schon auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik arbeitet“. Diese Formulierung taucht im Gesetzentwurf mehrfach auf und wird nicht weiter konkretisiert. Ob das Ministerium dabei schon ein ganz spezielles Register als quasi Blaupause im Blick hat, bleibt auch in den Erläuterungen unklar.

 

Attraktiv werden soll das Qualifizierungsverfahren dadurch, dass es am Ende für die Forschung einen interessanten Bonus gibt, nämlich die Möglichkeit, von einer streng einwilligungsbasierten Forschung zu wechseln auf eine einwilligungsfreie Forschung bzw. einer Forschung, bei der die Teilnahme am Register als pauschale Einwilligung gilt, sofern nicht aktiv widersprochen wird. Das ist das so genannte „Opt-out-Modell“, das auch bei der Forschung auf Basis der elektronischen Patientenakte (ePA) zum Einsatz kommen wird. Es reduziert den bürokratische Aufwand für die datenbasierte Forschung im Vergleich zum Einwilligungsmodell deutlich.

 

Nötig für den Switch in Richtung einwilligungsfreier bzw. Opt-out-Forschung ist neben einem erfolgreich durchlaufenen Qualifizierungsverfahren ein Ethikvotum der landesrechtlich zuständigen Ethikkommission. Aus ihm muss hervorgehen, dass „eine Datenerhebung auf Grundlage einer Widerspruchslösung aus medizinisch-fachlichen Gründen für die Ziele und Zwecke des Registers geeignet und erforderlich ist“. Das BMG geht gemäß Kommentaren zum Gesetz davon aus, dass initial etwa 20 % aller Register an dem Qualifizierungsprozess Interesse haben könnten.

 

Krankenversichertennummer als Pseudonym-Grundlage

Das Medizinregistergesetz ebnet auch den Weg für eine breitere Nutzung des zehnstelligen, unveränderbaren Teils der Krankenversichertennummer (KVNR) als Grundlage für ein Forschungspseudonym. Qua GDNG wird die KVNR heute schon als Pseudonym-Grundlage für die Forschung im Kontext des Forschungsdatenzentrum Gesundheit genutzt. Das beinhaltet auch die künftige Anbindung der ePA und die Anbindung der klinischen Krebsregister ans FDZ. Über diese Spezialfälle bundes- bzw. GKV-finanzierter Datensätze hinaus war bisher unklar, wie mit der Pseudonymisierung medizinischer Datensammlungen in Deutschland umgegangen wird.

 

Die Frage ist vor allem mit Blick auf den EHDS relevant, denn dieser erfordert, dass unterschiedliche Datensammlungen über eine Datenzugangs- und Koordinierungsstelle verknüpft werden können. Das geht unaufwändig nur bei einheitlichem Pseudonym. Das Medizinregistergesetz eröffnet den medizinischen Registern jetzt die Möglichkeit, den unveränderbaren Teil der KVNR zur Erzeugung eines Pseudonyms für die Verknüpfung mit anderen Datenquellen zu verarbeiten. Diese Verknüpfungen sollen zunächst über Kooperationsverträge erfolgen, auch dafür legt der Gesetzentwurf die Grundlagen.

 

Die Nutzung der KVNR scheint nicht zwingend an das Qualifizierungsverfahren gekoppelt zu sein, zumindest ist das im Gesetzentwurf so nicht ausdrücklich formuliert. Entsprechend können auch Register die KVNR nutzen, die weiterhin mit Einwilligungen arbeiten und sich nicht qualifizieren wollen. Die Nutzung der KVNR ist auf der anderen Seite auch kein obligater Teil des Qualifizierungsverfahrens. Das dürfte damit zusammenhängen, dass viele Register bisher die KVNR gar nicht erheben und es für einige Register recht schwierig bis unmöglich sein dürfte, das im Nachgang zu tun.

 

Dennoch: Die geplante Nutzung der KVNR für ein Forschungspseudonym auch jenseits von Bundesregistern und ePA spricht mit Blick auf den EHDS eine deutliche Sprache. Der für den EHDS nötige, einheitliche Forschungs-Identifier dürfte auf Basis der KVNR erstellt werden. Das festigt ganz nebenbei auch die zentrale Rolle von BfArM und Robert-Koch-Institut in der entstehenden Forschungsdateninfrastruktur.

 

Und was ist mit der PKV?

Ein naheliegender Einwand bei diesem Thema lautet, dass PKV-Versicherte keine KVNR haben. Dieses Problem gibt es auch schon bei der ePA und beim eRezept. Es ist bei diesen Anwendungen dahingehend teilgelöst worden, dass private Krankenversicherungsunternehmen und sonstige Kostenträger nach § 290 Absatz 1 Satz 2 SGB V für ihre Versicherten den unveränderten Teil der KVNR vergeben können. Auf diesen Passus geht nun auch der Gesetzentwurf des Medizinregistergesetzes explizit ein.

 

Bisher ist das freilich eher Theorie als gelebte Praxis. Auf Nachfrage von E-HEALTH-COM betonte der PKV-Verband, dass die KVNR auch für Privatversicherte immer mehr Relevanz gewinne. Die Nutzung werde den Versicherungen aber schwergemacht, da es keinen Automatismus gebe: „Während die Vergabe der KVNR an gesetzlich Krankenversicherte automatisiert und ganz ohne deren Zutun erfolgt, verpflichtet geltendes Recht die PKV-Unternehmen, die Zustimmung von jedem und jeder einzelnen Versicherten einzuholen, um die KVNR vergeben zu dürfen.“

 

Diese Regelungslücke sei schon zu Zeiten der Ampel-Koalition bekannt gewesen und sollte eigentlich noch geschlossen werden, was wegen des vorzeitigen Ampel-Aus aber nicht mehr geschah. Die Hoffnung ist, dass die aktuelle Regierung das Thema adressiert, im Entwurf des Medizinregistergesetzes tut sie das jetzt noch nicht. Prinzipiell, so der PKV-Verband, könnten alle Privatversicherten die KVNR bei ihrem Versicherer anfragen. Wie umfangreich das bei den einzelnen Versicherungen schon passiert, dazu gebe es keine Zahlen.