Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Digitalpolitik im deutschen Gesundheitswesen in seinen etwas mehr als drei Jahren Amtszeit ordentlich durchgeschüttelt. Im Rahmen der virtuellen DMEA 2021 blickte er jetzt zurück und nach vorn. Am meisten sei er darauf stolz, dass es endlich gelungen sei, die elektronische Patientenakte zu starten. Dies gelte umso mehr, da er im Jahr 2003 als damals einfacher Abgeordneter noch miterlebt habe, wie dieser Prozess unter Ulla Schmidt (SPD) seinen Anfang nahm: „Wer immer der nächste Gesundheitsminister ist, vielleicht bin ich es ja auch selbst: Das Ding ist on track, aber es braucht noch viel Aufmerksamkeit.“
Natürlich könne niemand mit allem zufrieden sein, was in den letzten Jahren erreicht wurde, so der Minister. Einen echten „Flop“ seiner digitalpolitischen Agenda sieht er zwar nicht. Aber es habe schon eine Reihe von Situationen gegeben, in denen nicht alles perfekt gelaufen sei. Aktuell stößt sich Spahn an der Anbindung der Arztpraxen an die ePA. Nachdem die Krankenkassen zum 1. Januar fristgerecht den Versicherten eine ePA zur Verfügung gestellt hätten, werde die Anbindung der Ärzt:innen nicht völlig im Zeitplan erfolgen können: „Ich kann auch nicht immer nachvollziehen, warum es so lange dauert. Vielleicht bin ich zu wenig Techniker. Manchmal habe ich das Gefühl, es werden alle erst aktiv, wenn die Deadlines kommen.“
Spahns Hoffnung ist, dass die Lehren aus den Defiziten Deutschlands im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dazu beitragen, die derzeitige Digitalisierungsdynamik aufrecht zu erhalten. Der größte Hemmschuh sei gewesen, dass der Staat keine Möglichkeit habe, die Bürgerinnen und Bürger schnell digital anzusprechen: „Ich hätte sehr gerne, dass jeder Bürger eine eineindeutige digitale Identität hat. Lasst uns das doch als Anspruch ins Grundgesetz schreiben. Wer nicht will muss nicht, aber als Anspruch.“
Das Fehlen einer solchen elektronischen Identität habe sich in den letzten 16 Monaten an allen Ecken und Enden negativ bemerkbar gemacht. Spahn nannte als Beispiel die FFP2-Masken: „Warum mussten wir über die Apotheken gehen? Warum Voucher? Weil ich nicht einfach einen QR-Code an Risikogruppen schicken kann, idealerweise in eine elektronische Patientenakte. Das hätte ich gern gemacht, aber wir haben in Deutschland nicht ansatzweise die Möglichkeit, Daten so direkt zusammenzuführen und aufs Handy zu bringen.“
Große Hoffnungen setzt Spahn auf die digitalen Corona-Impfzertifikate, die in Form einer App verfügbar gemacht und europaweit einheitlich sein sollen. Ganz in trockenen Tüchern ist das noch nicht, aber die Vision ist aus Sicht des Ministers einiges Engagement wert: Wenn es gelinge, für 27 EU-Mitgliedstaaten ein System zu etablieren, bei dem zum Beispiel ein italienisches Restaurant den QR-Code zur Impfung eines Touristen aus einem anderen EU-Land auslesen kann, dann sei das etwas, das es sonst auf der Welt nicht gebe: „Es gibt kein anderes digitales Impfzertifikat, das mehr ist als eine Insellösung. Hier hat Europa die Chance, den Standard zu setzen.“