Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung kritisiert die Vereinbarung daher in mehreren Punkten. So bewertet der Verband die geplante verpflichtende Nutzung eines Tools zur Ersteinschätzung mit hohen Medizinproduktanforderungen kritisch. Hat eine Patientin oder ein Patient bereits Zugang zur telemedizinischen Versorgung bei einem verfügbaren Arzt, sollte die strukturierte Anamnese direkt durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin erfolgen.
Als besorgniserregend sieht der SVDGV ebenfalls die Vorgabe an, eine vorrangige Vergabe von Videosprechstunden an Patienten sicherzustellen, die ihren Wohnort oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der räumlichen Nähe zum Praxissitz haben. Patient:innen mit seltenen oder chronischen Erkrankungen sind oft auf Spezialist:innen aus anderen Regionen angewiesen. Eine Einschränkung der Telemedizin durch regionale oder administrative Barrieren würde diese Patient:innen benachteiligen und den Zugang zu dringend benötigter Expertise behindern.
„Damit Telemedizin Lücken in der Versorgung abfedern kann und einen echten Nutzen für die Versicherten stiftet, muss sie räumliche Grenzen überwinden und – wann immer möglich – bundesweit verfügbar sein,“ erklärt Dr. Anne Sophie Geier, Geschäftsführerin des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung.
Allein durch § 9 HWG dürfen Ärzt:innen nur eingeschränkt über ihr telemedizinisches Angebot informieren. Das nun eingeführte Verbot, telemedizinische Termine alleine zum Zweck einer bestimmten Leistung anbieten zu können (z.B. zur Ausstellung eines Folgerezeptes), schränkt die Kommunikationsmöglichkeiten zusätzlich ein.
Entgegen dem Vorhaben des Gesetzgebers, Telemedizin in Zukunft in weitem Umfang zu ermöglichen, wurde die Obergrenze für telemedizinische Leistungen von 30 Prozent pro Quartal bislang nicht angehoben. Der SVDGV sieht darin einen Rückschritt, der die Benachteiligung digitaler Versorgungsangebote weiterhin zementiert.
Der Markteintritt innovativer Unternehmen wird zudem durch die deutliche Überregulierung zusätzlich eingeschränkt.
“Telemedizin ist ein entscheidender Baustein, um dem rasant steigenden Versorgungsbedarf in Zukunft überhaupt gerecht werden zu können. Die Politik trägt nun die Verantwortung, dieses Thema auf neue Füße zu stellen und Patient:innen flächendeckend einfachen Zugang zu einem breiten telemedizinischen Leistungsspektrum zu geben. Die Regularien müssen deshalb mit Augenmaß ausgearbeitet werden, anstatt noch weitere Hürden aufzubauen und damit zukunftsweisende Versorgungskonzepte infrage zu stellen”, fasst Dr. Paul Hadrossek, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung, zusammen.
Quelle: Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung SVDGV