Wunden können sehr komplexe Gebilde werden, insbesondere, wenn sie chronisch geworden sind. Sie bestehen aus bis zu drei Hauptgewebetypen (Granulation, Fibrinbelag und Nekrosen), deren Kombinationsvielfalt vermutlich die der Farben in Renaissancegemälden übertrifft. Jede Wunde ist einzigartig. Ihre sichere Einordnung ist komplex.
Genauso einzigartig ist ihr Heilungsverlauf. Hierbei spielen zahlreiche individuelle und medizinisch relevante Faktoren eine Rolle – Lebensalter, allgemeine Verfassung, Vorerkrankungen wie Diabetes und viele mehr. Eine Wunde, deren Heilung länger als drei Monate dauert, gilt als chronisch. Ihre Behandlung ist besonders anspruchsvoll, es drohen zum Beispiel Infektionen, die mit Gewebeverlust einhergehen können.
Gegebenenfalls vorhandene Durchblutungsstörungen können die Selbstheilungsfähigkeiten weiter einschränken. Rückschläge gehören selbst bei guter Versorgung zum Alltag.
In der Praxis haben Pflegende nicht genug Zeit, um jede Wunde regelmäßig bis ins Detail zu untersuchen und den Heilungsprozess zu dokumentieren. Deswegen wird an KI-gestützten Lösungen gearbeitet, die Frühstadienerkennung, Zustands- und Gewebeklassifikation, Verlaufsanalyse und Dokumentation erleichtern.
Der wunde Punkt der Datensätze
Doch Lösungsansätze fahren bisher mit angezogener Handbremse. Ihre erlernte Expertise speist sich aus möglichst vielen und vielfältigen Fotos von Wunden mit passenden Informationen. Für die Forschung verfügbare Datensätze sind rar und von wechselhafter Güte.
Und inhaltlich unausgewogen: Bestimmte Ausprägungen wie zum Beispiel Wunden mit abgestorbenem („nekrotischem“) Gewebe sind viel zu selten vertreten, als dass die KI ihre volle Leistungsfähigkeit erreichen kann. Zudem mangelt es an dunkleren Hauttypen in medizinischen Datensätzen.
Neuronales Netzwerken
Hier setzt Brüngel an. Er will diese schlecht bestückten Bereiche der Datensätze auffüllen, und zwar mithilfe spezieller neuronaler Netze: Diese hochentwickelten Technologien heißen „Generative Adversarial Networks“ (GANs) und sind in der Lage, sich realistisch wirkende Darstellungen „auszudenken“ sowie echte Bilder in andere Darstellungen zu „übersetzen“ – und zwar für den Anwendungsfall von Wundbildern genau jene, die in den Datensätzen Mangelware sind. Solche künstlich erzeugten Bilder werden im Fachjargon als „synthetisch“ bezeichnet. Um sie zu erschaffen, müssen entsprechende GAN-Modelle gelernt und verstanden haben, was das Wesen dieser unterrepräsentierten Wunden ist. So magisch dies klingt, so bodenständig ist es letztendlich: Alles geht auf kluge Statistiken zurück.
Das ist es, was Brüngel tut: Er entwickelt einerseits Methoden und Strategien, die GANs dazu befähigen, Wund-Darstellungen zu erschaffen, die den höchsten Ansprüchen genügen. Andererseits erforscht er die Potenziale und Grenzen dieser Technologie im Kontext der Optimierung von Anwendungen.
Quelle: FH Dortmund