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Welche Rolle spielen die Fachgesellschaften bei der KI?

Künstliche Intelligenz könnte die bildgebende Diagnostik verändern. Und das birgt einigen Diskussionsbedarf.

Bild: © Global Stock – stock.adobe.com, 823290676, Stand.-Liz.

Wer in der Kardiologie eine umfassende Herzdiagnostik mittels MRT über sich ergehen lassen muss, der braucht ein wenig Zeit. Rund eine halbe Stunde dauert so eine Abklärung, und danach ist seitens des diagnostischen Zentrums noch Nacharbeit erforderlich. Prof. Dr. Benjamin Meder, Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Sprecher der Sektion eCardiology der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) glaubt, dass das schneller gehen kann – dank künstlicher Intelligenz.

 

Algorithmen wurden gezielt auf Diät gehalten

Meder hat kürzlich in der Zeitschrift Lancet Digital Health über ein Projekt berichtet, das einen Blick in die Kristallkugel erlaubt. Auf Basis von über 3000 Patient:innen mit unterschiedlichen Herzmuskel-Erkrankungen und über 1000 Kontrollprobanden wurden verschiedene diagnostische KI-Algorithmen trainiert und validiert. Das Ziel war zum einen ultrakurze MRT-Protokolle. Zum anderen sollten der MRT mittels KI einige Dinge beigebracht werden, die die Ultraschalluntersuchung gut kann, bei der die MRT bisher aber schwächelt, insbesondere die Bestimmung des linksventrikulären enddiastolischen Drucks (LVEDP).

 

Einer der trainierten Algorithmen, AI-CMP genannt, zielt darauf ab, bei einer Kardiomyopathie die unterschiedlichen Ursachen auseinander zu klabüstern. Der Clou daran ist, dass der Algorithmus anhand eines einzigen, nicht-kontrastierten 4-Kammer-Standbilds trainiert wurde. Für den Druck-Algorithmus, AI-LVEDP genannt, musste ein einzelner Herzzyklus im 2-Kammer-Blick reichen, ohne Spezialaufnahmen, ohne unterschiedliche Projektion. Geschwindigkeit war die Ansage.

 

Auf dem Weg zum One-Stop-Shop?

Die Ergebnisse sind dafür, dass mit minimalem Ausgangsmaterial gearbeitet wurde, ziemlich gut. Das AI-CMP Tool schafft bei der Klassifizierung von Kardiomyopathien eine Fläche unter der Receiver-Operating Curve von je nach Art der Kardiomyopathie 0,82 bis 0,92, was sehr gute Wert sind. Der AI-LVEDP-Algorithmus schafft bei der Abgrenzung eines erhöhten von einem normalen LVEDP 0,75 im Vergleich zum Goldstandard Herzkatheter. Das ist genauso gut wie, bzw. sogar eher besser als die Echokardiographie.

 

„Wenn man sich das so ansieht, dann erscheinen extrem kurze One-Stop-Shop-MRT-Protokolle von vielleicht zwei bis fünf Minuten Scan-Dauer zunehmend realistisch“, so Meder. Dies umso mehr, als es sich nicht um eine monozentrische Arbeit handelte. Neben dem Universitätsklinikum Heidelberg waren auch das Universitätsklinikum Ulm und das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart beteiligt, insgesamt vier MRT-Scanner von zwei Herstellern.

 

Wo lang geht es in die Versorgung?

Noch ist das alles Forschung. Wie gelingt der Sprung in die Versorgung? Eine Option wäre, auf die großen Gerätehersteller zu warten: Sie könnten KI-Tools als Features für ihre jeweiligen Systeme anbieten. Aus Sicht der akademischen Forschung ist das allerdings ein bisschen unbefriedigend. Die Alternative wäre die „akademische Translation“ über eine Start-up-Ausgründung. Aber für jedes Tool ein eigenes Start-up zu gründen, ist unter den Bedingungen der neuen Medizinprodukteverordnung (MDR) noch mühsamer als vorher schon.

 

Meder würde mit seiner Veröffentlichung gerne eine Diskussion nicht zuletzt über das Thema Translation bei KI-Anwendungen anstoßen. Könnten die Fachgesellschaften hierbei eine Rolle spielen, etwa indem sie fachspezifische KI-Anwendungen zertifizieren, die dann auf einer zum Beispiel universitätsmedizinischen Plattform angeboten werden können – unabhängig von einzelner Geräteherstellern? Am Ende, so Meder, müssten die regulatorischen Prozesse rings um die KI nutzerfreundlicher, schneller, kostengünstiger werden: „Es muss auch für die universitäre Seite Möglichkeiten geben, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und digitale Innovationen in die Praxis bringen.“

 

Weitere Informationen

Lehmann DH, Meder B et al.: Prediction of diagnosis and diastolic filling pressure by AI-enhanced cardiac MRI: a modelling study of hospital data;

https://www.thelancet.com/journals/landig/article/PIIS2589-7500(24)00063-3/fulltext