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Forschung |

Weltweit erstes hochauflösendes Gehirn aus dem 3D-Drucker entwickelt

In einem gemeinsamen Projekt der MedUni Wien und der TU Wien wurde das weltweit erste 3D-gedruckte „Gehirn-Phantom“ entwickelt, das dem Aufbau von Gehirnfasern nachempfunden ist und mit einer speziellen Variante von Magnetresonanztomografie (dMRT) bildlich dargestellt werden kann. Wie ein wissenschaftliches Team unter Leitung der MedUni Wien und der TU Wien nun im Rahmen einer Studie gezeigt hat, kann mit Hilfe dieser Gehirnmodelle die Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose vorangetrieben werden. Die Forschungsarbeit wurde in der Fachzeitschrift „Advanced Materials Technologies“ publiziert.

Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist ein weitverbreitetes Verfahren der bildgebenden Diagnostik, das vor allem für die Untersuchung des Gehirns verwendet wird. Mit der MRT können Aufbau und Funktion des Gehirns ohne Verwendung von ionisierender Strahlung untersucht werden. In einer speziellen Variante der MRT, der diffusionsgewichteten MRT (dMRT), kann darüber hinaus auch die Richtung der Nervenfasern im Gehirn bestimmt werden. Allerdings ist die korrekte Bestimmung der Nervenfaserrichtung an den Kreuzungspunkten von Nervenfaserbündeln sehr schwierig, da dort Überlagerungen von Nervenfasern mit unterschiedlichen Richtungen auftreten. Um das Verfahren weiter zu verbessern sowie Analyse- und Auswertungsmethoden zu testen, entwickelte ein internationales Team in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien und der TU Wien ein sogenanntes „Brain Phantom“ (Gehirn-Phantom) das mit einem hochauflösenden 3D-Druckverfahren hergestellt wurde.

 

Winziger Würfel mit Mikrokanälen
Dabei arbeiteten Forschende der Medizinischen Universität Wien als MRT-Expert:innen und der TU Wien als 3D-Druck-Expert:innen eng mit Kolleg:innen der Universität Zürich und dem Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zusammen. Bereits im Jahr 2017 wurde an der TU Wien ein Zwei-Photonen-Polymerisations-Drucker entwickelt, der einen hochskalierten Druck ermöglicht. Im Zuge dessen wurde gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien und der Universität Zürich auch an Gehirn-Phantomen als Anwendungsfall gearbeitet. Das daraus entstandene Patent bildet die Basis für das nun entwickelte Gehirn-Phantom und wird vom Forschungs- und Transfersupport der TU Wien betreut.

Optisch hat dieses Phantom nicht viel mit einem echten Gehirn zu tun. Es ist viel kleiner und hat die Form eines Würfels. In seinem Inneren befinden sich feinste, mit Wasser befüllte Mikrokanäle in der Größenordnung einzelner Hirnnerven. Die Durchmesser dieser Kanäle sind fünfmal dünner als ein menschliches Haar. Um das feine Netzwerk der Nervenzellen im Gehirn nachzuahmen, griff das Forschungsteam um die Erstautor:innen Michael Woletz (Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, MedUni Wien) und Franziska Chalupa-Gantner (Forschungsgruppe 3D Printing and Biofabrication, TU Wien) auf eine dafür eher unübliche 3D-Druckmethode zurück: die Zwei-Photonen-Polymerisation. Diese hochauflösende Methode wird vor allem zum Druck von Mikrostrukturen im Nano- und Mikrometerbereich verwendet – nicht für den Druck dreidimensionaler Strukturen im Bereich von Kubikmillimetern. Um Phantome in geeigneter Größe für die dMRT zu erstellen, beschäftigten sich die Forschenden an der TU Wien damit, das 3D-Druckverfahren hochzuskalieren und den Druck von größeren Objekten mit hochaufgelösten Details zu ermöglichen. Durch den hochskalierten 3D-Druck erhalten die Forschenden sehr gute Modelle, die – unter der dMRT betrachtet – verschiedene Nervenstrukturen zuordenbar machen. Michael Woletz vergleicht diesen Ansatz, die Diagnosefähigkeiten von dMRT zu verbessern, mit der Funktionsweise einer Handykamera: „Den größten Fortschritt bei der Fotographie mit Handykameras sehen wir nicht unbedingt bei neuen, besseren Linsen, sondern bei der Software, die die aufgenommenen Bilder verbessert. Ähnlich ist es bei der dMRT: Mittels des neu entwickelten Gehirn-Phantoms können wir die Analysesoftware viel genauer justieren, damit die Qualität der gemessenen Daten verbessern und die Nervenarchitektur des Gehirns genauer rekonstruieren.“

 

Gehirn-Phantom trainiert Analysesoftware
Die authentische Nachbildung von charakteristischen Nervenstrukturen im Gehirn ist daher wichtig, um die Analysesoftware der dMRT „zu trainieren“. Die Verwendung von 3D-Druck erlaubt es vielfältige und komplexe Designs zu erstellen, die verändert und angepasst werden können. Die Gehirn-Phantome bilden so Bereiche im Gehirn ab, die besonders komplexe Signale erzeugen und daher schwierig zu analysieren sind, wie zum Beispiel sich kreuzende Nervenbahnen. Um die Analysesoftware zu kalibrieren, untersucht man daher das Gehirn-Phantom mit dMRT und analysiert die gemessenen Daten wie bei einem echten Gehirn. Durch den 3D-Druck ist das Design der Phantome genau bekannt und die Ergebnisse der Analyse können überprüft werden. Dass dies funktioniert, konnten die MedUni Wien und TU Wien im Rahmen der gemeinsamen Forschungsarbeit zeigen. Mit Hilfe der entwickelten Phantome kann die dMRT verbessert werden, wovon die Planung von Operationen und die Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose profitieren können.

Trotz des erfolgten Machbarkeitsbeweises steht das Team weiterhin vor Herausforderungen. Die größte Herausforderung stellt derzeit die Skalierung der Methode dar: „Die hohe Auslösung der zwei-Photon-Polymerisation ermöglicht den Druck von Details im Mikro- und Nanometerbereich und eignet sich daher sehr gut um Hirnnerven abzubilden. Gleichzeitig dauert es mit dieser Technik aber entsprechend lange, einen mehrere Kubikzentimeter großen Würfel zu drucken“, erklärt Chalupa-Gantner. „Daher zielen wir nicht nur darauf ab, noch komplexere Designs zu entwickeln, sondern auch den Druckprozess selbst weiter zu optimieren.“   

 

Publikation: Advanced Materials Technologies
Toward Printing the Brain: A Microstructural Ground Truth Phantom for MRI;
Michael Woletz, Franziska Chalupa-Gantner, Benedikt Hager, Alexander Ricke, Siawoosh Mohammadi, Stefan Binder, Stefan Baudis, Aleksandr Ovsianikov, Christian Windischberger, Zoltan Nagy;
doi.org/10.1002/admt.202300176

 

Quelle: MedUni Wien