OptiMedis gilt als Vorreiter bei der Umsetzung integrierter Versorgungsszenarien in Deutschland. Seit vielen Jahren ist das Unternehmen im Kinzigtal im Schwarzwald an der ambulanten Vollversorgung beteiligt, die bei der Finanzierung auf ein Shared-Savings-Modell setzt. Im Rahmen des Innovationsfonds wurde zudem ein Versorgungsprojekt in dem Hamburger Stadteil Billstedt-Horn gestartet, dessen Kernkomponente ein Gesundheitskiosk ist, an den beteiligte Ärzte Patienten mit besonderem Beratungsbedarf überweisen können.
Beide Projekte nutzen auch elektronische Patientenaktenlösungen auf unterschiedliche Art und Weise. Was das Projekt in Billstedt-Horn angeht, wo die erste Förderphase Ende 2019 ausläuft, zog OptiMedis-Vorstand und einer der Geschäftsführer von ‚Gesundheit für Billstedt/Horn‘, Dr. Oliver Gröne, im Gespräch mit E-HEALTH-COM jetzt eine Zwischenbilanz. Der Gesundheitskiosk wird als Erfolg bewertet und soll weitergeführt werden. Die Termine dort seien sehr intensiv, teilweise 45 Minuten lang, was zeige, dass es bei einigen Patienten einen hohen Beratungsbedarf über die übliche medizinische Versorgung hinaus gibt.
Überwiesen an den Kiosk, der mitten im Stadtteil am Marktplatz steht, würden hauptsächlich chronisch kranke Patienten mit zusätzlichem Informations- oder Kommunikationsbedarf. Das können zum Beispiel Sprachschwierigkeiten sein. „Es gibt aber auch eine große Zahl an Personen, die gesundheitlich interessiert sind und die im Sinne unserer Open-Door-Politik ohne Überweisung eine Beratung in Anspruch nehmen“, so Gröne.
Billstedt-Horn: PVS-Vernetzung soll vorangetrieben werden
Was die digitale Umsetzung angeht, hat Billstedt-Horn einige Erfahrungen gesammelt. Zum einen wurde eine mobile Smartphone-Akte getestet. „Die Lösung wurde als ergänzende Leistung zur Stärkung der Versicherten in Testpraxen umgesetzt und hat dort auch funktioniert. Wir werden sie aber in dieser Funktion nicht weiterführen“, so Gröne. Grund sei vor allem, dass sich bei den elektronischen Patientenakten in den letzten Jahren auch politisch viel getan habe.
In Billstedt-Horn wird jetzt auf die Doc Cirrus Lösung gesetzt, in Kombination mit aktuellen Patientenaktenentwicklungen, die unter anderem die Krankenkassen – aber nicht nur sie – in den Markt bringen. Wie genau das aussehen soll, ist derzeit noch in der Diskussion: „Wir denken, dass in einigen Jahren die Anbindung von Arzt-IT-Lösungen an Patientenportale Standard werden wird“, so Gröne. Ein solches Patientenportal könnte in Billstedt-Horn beispielsweise genutzt werden, um den Gesundheitskiosk digital mit den Praxis-IT-Systemen und den elektronischen Patientenakten der Versicherten zu verknüpfen. „Dort könnten dann zum Beispiel vom IQWiG geprüfte Gesundheitsinformationen eingespielt werden“, so Gröne.
Kinzigtal: Neue Netzakte soll kommen
Auch im Kinzigtal tut sich IT-technisch einiges. Dort war bisher eine elektronische Patientenakte im Einsatz, die auf einen Anbieter von Praxisverwaltungssystemen zugeschnitten war. Damit konnten 80 bis 90 Prozent aller Netzwerkärzte angebunden werden. Für die anderen wurde eine separate Online-Plattform genutzt, die mit den Praxis-IT-Systemen verknüpft war. „Davon wollen wir jetzt weggehen. Das hat nicht komfortabel genug geklappt“, so der für das Kinzigtal zuständige Geschäftsführer und OptiMedis-Vorstand Dr. Alexander Pimperl zu E-HEALTH-COM.
Stattdessen wird aktuell in Kooperation zwischen Gesundes Kinzigtal und dem Unternehmen Axaris eine neue Netzaktenlösung entwickelt, die elpax genannt wird. Diese Lösung wurde jetzt in einer ersten Testpraxis installiert. Über die Axaris-Lösung sollen die Arztpraxen komplett PVS-unabhängig miteinander vernetzt werden. Grund für den Systemwechsel sei vor allem, dass die Umsetzung von Netzfunktionen auf Basis der Patientenakte mit der neuen Lösung besser und vor allem primärsystemunabhängiger möglich sei.
So lasse sich beispielsweise über die Software eine Trigger schalten, der den Arzt – egal mit welchem IT-System – informiert, wenn ein Patient mit einer bestimmten Diagnose in einem bestimmten Alter vor ihm sitzt, der für eines der Kinzigtal-Versorgungsprogramme in Frage kommt. „In einem solchen Fall erscheint dann eine Kachel am Bildschirm, über die auch sofort eine Einschreibung des Patienten erfolgen kann. Das ist zum Beispiel ideal für unser Versorgungsprogramm Starkes Herz“, so Pimperl.
Nächster Schritt: App auf Rezept
Aktuell läuft außerdem ein Förderantrag, bei dem es darum geht, die Gesundes-Kinzigtal-Axaris-Lösung um das Thema „App auf Rezept“ zu erweitern. Das ist hoch aktuell, weil die Bundesregierung im „Digitale Versorgung Gesetz“ (DVG) eine Liste mit digitalen Gesundheitsanwendungen einrichten will, die die Krankenkassen dann auch erstatten müssen. Diese Liste soll beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt werden.
In einem ersten Schritt will man sich im Kinzigtal beim Thema digitale Therapielösungen auf die Indikation Depression bzw. Mental Health konzentrieren – einer der wenigen Indikationsbereiche, bei denen das Netz derzeit noch unter dem deutschen Durchschnitt agiert, unter anderem deswegen, weil Psychotherapieplätze in der Region sehr knapp sind. „Ziel ist, dass der Arzt bei entsprechenden Patienten die digitale Lösung direkt in seiner Praxis-IT verordnen kann. Mental Heath bietet sich dafür auch deswegen an, weil es dort für viele Lösungen besonders gute Evidenz gibt“, betonte Pimperl. Zukünftig sollen dann auch andere App-Lösungen direkt aus der Praxis-IT heraus verordnet werden können.