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Vernetzung |

Das bringen die neuen Digitalgesetze im Gesundheitswesen

Wird die Medikation zur Killerapplikation für die Opt-out-ePA? Wer bezahlt künftig die gematik? Und wie geht es mit den DiGA weiter? Wir haben in der Friedrichstraße geklingelt.

Bild: © Jarama – stock.adobe.com, 582513724, Stand.-Liz.

Das Frühjahr der digitalen Gesundheitsversorgung hat mit der Veröffentlichung der Digitalisierungsstrategie durch das Team um Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vielversprechend begonnen. Erste Inhalte des neuen Digitalgesetzes und eines Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) wurden bereits kommuniziert. Und die Referentenentwürfe sollen in den nächsten Wochen folgen. 

 

Wir haben die Leiterin der Abteilung 5 „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Susanne Ozegowski, und ihren Unterabteilungsleiter Sebastian Zilch in der Berliner Friedrichstraße zu einem Interview getroffen. Dessen Vollversion werden wir nach Ostern veröffentlichen, einen kleinen Ausblick auf einige der Themen, die besprochen wurden, gibt es hier schon vorab.

 

Die neue Opt-out-ePA

Die Opt-out-ePA soll, so kommuniziert es das BMG, bis Ende 2024 kommen und bis Ende 2025 von 80 % der GKV-Versicherten genutzt werden. Was die Inhalte angeht, werde es eine stringente Priorisierung geben, kündigte Sebastian Zilch an. Erster Anwendungsfall wird die Medikation, die dann quasi als „Kern-MIO“ verknüpft werden kann mit weiteren ePA-Modulen, etwa Module zu bestimmten Versorgungsprozessen wie einem DMP. „Die Philosophie ist: Mehrwerte im Rahmen der ePA dort entstehen lassen, wo sie gebraucht werden“, so Zilch.

 

Susanne Ozegowski betonte, dass es bei der Medikation in jedem Fall eine Verpflichtung für die Leistungserbringer geben werde, arztseitig wie apothekenseitig. Gleichzeitig soll der Aufwand geringgehalten werden. Deswegen soll die ePA-Medikation mit dem E-Rezept insofern gekoppelt werden, als Daten, die fürs E-Rezept erfasst werden müssen, für die E-Medikation mit verwendet werden. Nochmal Zilch: „Die Medikation muss überall laufen. Niemand wird sagen müssen: Haben Sie das? Geht das bei Ihnen? Das ist der Weg.“

 

Und wie geht das mit der Opt-out-ePA?

Funktionieren soll die Sache mit der Opt-out-ePA so, dass sie von den Krankenkassen für alle Versicherten angelegt wird. Damit dürfte die Krankenkassen auch die Stelle sein, an der direkt oder indirekt der Opt-out angesiedelt wird. Entscheidend ist, dass die ePA zunächst einmal ohne App oder User-Interface funktionieren soll. Ärztinnen und Ärzte können quasi „per Default“ damit arbeiten. Wer mehr will, kann mehr haben: „Für all diejenigen, die selbst Daten einsehen wollen, für die, die DiGAs im ePA-Kontext nutzen wollen, für all jene, die Zugriffsrechte der ePA differenziert managen wollen, gibt es weiterhin die Möglichkeit, sich das Frontend, also die ePA-App, zuzulegen. Aber das Frontend ist nicht mehr zwingende Voraussetzung“, so Susanne Ozegowski.

 

Das wiederum impliziert, dass die ePA und die digitale ID, die die Krankenkassen ab Anfang 2024 auf Wunsch zur Verfügung stellen müssen, nicht zwingend aneinander gekoppelt sind. Die ePA soll primär ohne die neue digitale ID funktionieren. Letztere wird nötig, wenn Versicherte ihr Frontend nutzen wollen. Dann muss sie bei der Krankenkasse angefordert werden, und sie kann dann, nach der Erstauthentifizierung, für vereinfachte Folgeauthentifizierungen genutzt werden. Wie diese Folgeauthentifizierungen aussehen werden, ist noch nicht klar. Es gibt die gematik Spezifikation für die digitale ID, die Chipkarten erfordert. Ob das Bestand haben wird, daran zweifeln zumindest sehr viele in der Branche. Dass mit dem Digitalgesetz das Ex-ante-Veto von BSI und Bundesbeauftragtem für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) durch einen (noch nicht näher spezifizierten) Gremienbeschluss ersetzt werden soll, dürfte (auch) in diesen Diskussionen seine Wurzel haben.

 

Die neue gematik

In Sachen gematik bleiben viele Details zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Susanne Ozegowski betonte, dass es nicht nur darum gehe, eine jetzt komplett staatliche Bundesagentur zu schaffen, also die Governance zu ändern: „Wir werden auch das Aufgabenspektrum anfassen. Damit die Digitalagentur erfolgreich sein kann, braucht sie eine Ende-zu-Ende-Verantwortung für die Prozesse, die sie in der Hand hat.“ Sorgen, dass die neue gematik den Weg in Richtung staatliche IT-Lösungen gehen könnte, versuchte Zilch zu zerstreuen: „Es ist definitiv nicht vorgesehen, dass die gematik eigene Software baut. Von daher kann man sagen, ja, die E-Rezept-App war dahingehend eine Besonderheit. Was aber auch damals schon glasklar so kommuniziert wurde.“

 

Eingegangen wurde im Gespräch auch auf die unter anderem vom GKV-Spitzenverband thematisierte Frage der künftigen Finanzierung der gematik an. Der GKV-SV hatte mitgeteilt, dass er davon ausgehe, dass bei einer Bundesagentur die Finanzierung künftig auch aus Bundesmitteln, sprich Steuern, erfolgt. Dem widersprach Zilch: „Der Zweck der Tätigkeit der gematik ändert sich nicht mit der Digitalagentur. Sie erbringt weiterhin Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Vor dem Hintergrund wüsste ich nicht, warum wir das anpassen müssten.“

 

Neue Medizin und Forschung

In Sachen Telemedizin und in Sachen Forschung sollen die anstehenden Gesetzesvorhaben einige Änderungen bringen. Im BMG wird erwartet, dass im Gefolge des angestrebten Wegfalls der 30 %-Grenze für die Erbringung von Telemedizin durch ambulante Ärzt:innen im EBM-Kontext rein digitale Leistungserbringer auch im GKV-Kontext entstehen werden. Susanne Ozegowski betonte aber gleichzeitig, dass dies durch strukturelle Regelungen begleitet werden solle, die die Präsenzmedizin gerade in strukturschwachen Bereichen stärken.

 

Gestärkt werden könnte die Vor-Ort-Versorgung unter anderem durch assistierte Telemedizin-Modelle, die das BMG in die Diskussion gebracht hat und für die Gesundheitskioske und/oder Apotheken in Frage kommen. Solche Einrichtungen böten sich für regionale Kooperationsszenarien an, bei denen zum Beispiel regionale Fachärzt:innen in Sachen Telemedizin mit einer Apotheke zusammenarbeiten. Ein Vorbild für dieses Konzept seien die Walk-in-Clinics in den USA, so Zilch.

 

Was die Forschung angeht, soll es für die ePA-Daten ein Opt-out geben, analog zum ePA-Opt-out. Mit anderen Worten: Wer nicht will, dass seine ePA-Daten an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) beim BfArM gehen, kann das ablehnen. Bei den Abrechnungsdaten, die nicht aus der ePA kommen, gibt es (wie bisher) auch künftig kein allgemeines Widerspruchsrecht. Eine Besonderheit bei den ePA-Daten ist, dass die Forschung mit ePA-Daten zumindest zunächst überhaupt nur dann möglich wird, wenn sich der Versicherte für die Nutzung eines ePA-Frontends entscheidet. Wer kein Frontend nutzt, für den gilt automatisch der Opt-out. Wer dagegen ein Frontend nutzt, der „spendet“ sein Daten zunächst per Default, kann das aber aktiv abwählen: „Hintergrund ist, dass wir dem FDZ bei der gegenwärtigen ePA-Architektur sonst Zugriff auf alle ePAs hätten gewähren müssen, und das wollten wir nicht. Das ist zwar noch nicht die Optimallösung, aber ein guter erster Schritt, um zeitnah strukturierte Daten aus der ePA für die Forschung zugänglich machen zu können“, so Ozegowski.

 

Die neuen DiGA

Die digitalen Gesundheitsanwendungen sind nicht das Kernthema der beiden neuen Gesetze, aber sie sollen vorkommen. Es geht um eine Weiterentwicklung, die es zum einen ermöglichen soll, dass auch digitale Medizinprodukte der Klasse IIb den DiGA-Status erhalten können. Zum anderen, und da wird es spannend, soll die DiGA für telemedizinische Angebote geöffnet werden. Ziel sei, so Ozegowski, die DiGA stärker mit der restlichen Versorgung zu verknüpfen. Am Fast-Track-Verfahren soll festgehalten werden. Die Frage, ob eine Übertragung des Zulassungsprozederes in Richtung G-BA geplant sei, beantwortete Zilch mit: „Das BfArM macht aus unserer Sicht einen sehr guten Job.“