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EHDS auf der Zielgeraden

Vom Kommissionsvorhaben zur europäischen Verordnung: Beim EHDS läuft die letzte Abstimmungsrunde – und es gibt Bewegung beim Opt-out.

Nach großem Hurra bei der Veröffentlichung der Kommissionspläne für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) im Mai 2022 ist es zwischenzeitlich etwas stiller um den EHDS geworden. Das ist nicht untypisch für die europäische Gesetzgebung, weil sich an die Kommissionspläne ein oft langer Abstimmungsprozess anschließt, bei dem die Mitgliedsstaaten – der Rat der EU – und das Europaparlament ihre Positionen einbringen.

 

In der nun laufenden Endphase der europäischen Gesetzgebung geht es darum, einen Kompromiss zwischen dem Rat und dem Parlament, auch unter Vermittlung durch die EU-Kommission, zu finden. „Trilogverhandlungen“ wird das mitunter genannt, und beim EHDS läuft derzeit die letzte dieser Runden. Bis Mitte März soll eine politische Einigung erzielt werden. Ziel ist, dass das Europaparlament den Verordnungstext noch vor der diesjährigen Europawahl durchwinken kann. Gelänge dies nicht, gäbe es mit dem neuen Parlament einen neuen Trilog.

 

Der EHDS im Überblick

Prinzipiell geht es beim EHDS darum, einen EU-weiten Rechtsanspruch auf einen schnellen und einfachen Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten zu schaffen. Außerdem soll Angehörigen von Gesundheitsberufen sowie Wissenschaftler:innen ein umfassender Zugang zu derartigen Daten ermöglicht werden. Vorstellen kann man sich die EHDS-Verordnung als eine Art Rahmengesetzgebung, innerhalb derer sich nationale Gesetze bewegen müssen, die elektronische Patientenakten (ePA), aber auch den forschenden Zugriff auf Gesundheitsdaten regeln.

 

Entsprechend besteht der Entwurf für die EHDS-Verordnung aus zwei Säulen: Eine regelt Fragen rund um die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung („Primärnutzung“). Hier geht es konkret darum, Daten, die in den Mitgliedsstaaten bereits für einen übergreifenden Zugriff (zum Beispiel in einer ePA) vorliegen, auch grenzüberschreitend zugänglich zu machen. Das war in Deutschland mit seiner weitgehend inexistenten ePA bisher eine eher theoretische Diskussion, aber das wird sich ändern.

 

Patientenrechte als wichtiger Diskussionspunkt

Die zweite Säule des EHDS regelt die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten, unter anderem für die Forschung, aber auch zum Beispiel für Public Health-Zwecke. Auch hier sind die nationalen ePAs wichtige Andockstellen. Kernelement des grenzüberschreitenden Zugriffs sind in beiden Fällen die so genannten National Contact Points (NCP), die die Mitgliedsstaaten bei der Konzeption ihrer jeweiligen ePAs berücksichtigen müssen. In Deutschland ist dafür die gematik zuständig. Dabei geht es natürlich auch um Fragen wie Freiwilligkeit, Opt-out und Zustimmungspflichtigkeit.

 

Diese Patientenrechte waren tatsächlich einer der wichtigsten Diskussionspunkte der letzten anderthalb Jahre. Der Medizinrechtler und Datenschutzexperte Dr. Uwe K. Schneider von der Kanzlei Vogel & Partner hat bei LinkedIn den Stand der Dinge bei diesen Diskussionen vor ein paar Tagen ausführlich dargestellt. Umstritten war und ist demnach vor allem der Umfang der Rechte, mit denen die Patient:innen die Übertragung und Weiterverarbeitung der sie betreffenden Daten steuern können. In Deutschland betreffen diese Diskussionen die gesamte Opt-out-Architektur der ePA, also das Recht, der Anlage einer ePA zu widersprechen bzw. eine schon angelegte ePA zu löschen, das Recht, der forschenden Nutzung der eigenen Daten innerhalb gewisser Grenzen zu widersprechen und das Recht, bestimmte Leistungserbringer:innen von einem Datenzugriff im Versorgungskontext auszuschließen.

 

Deutschland will und wird seinen Opt-out retten

Wie Schneider in seinem Beitrag ausführt, kannte der ursprüngliche EHDS-Entwurf lediglich den Widerspruch zum Datenabruf durch individuelle Leistungserbringer:innen, nicht aber einen Widerspruch beim forschenden Zugriff. Er sah auch keine Opt-out-Option für die ePA an sich vor. Das führte zu der Frage, was mit Ländern wie Deutschland oder Österreich ist, die einen solchen „General-Opt-out“ prinzipiell gestatten, Deutschland etwa qua Digital-Gesetz.

 

Diese Frage wurde Anfang Dezember 2023 insofern etwas entschärft, als der Europäische Rat sich auf eine gemeinsame Position zum EHDS einigen konnte. Diese enthält eine Protokollerklärung Deutschlands, interessanterweise in deutscher Sprache. Dort wird darauf hingewiesen, dass Deutschland davon ausgehe, dass seine Regelungen für die Telematikinfrastruktur, inklusive ePA-Opt-out, mit dem EHDS kompatibel seien. Die Zustimmung zur Ratserklärung wurde von Deutschland mit Hilfe der Protokollerklärung an diese Prämisse gekoppelt. Insofern deutete sich zu diesem Zeitpunkt bereits an, dass es (einmal mehr) eine Öffnungsklausel geben wird, die mit Blick auf die begrenzte Regulierungskompetenz der EU im Gesundheitsbereich nationale „Sonderwege“ zulässt.

 

In den Trilog-Verhandlungen geht es jetzt zum einen um eine solche mögliche Öffnungsklausel, zum anderen aber auch grundsätzlicher darum, ob es bei einer Öffnungsklausel bleibt – oder ob das Europaparlament nicht doch umfassende und differenzierte Opt-out-Rechte tatsächlich auch auf europäischer Ebene verlangt. Schneider zumindest würde das nicht nur begrüßen, er hält es vor dem Hintergrund der Europäischen Grundrechte für möglicherweise sogar zwingend.

 

Weitere Informationen

Beschluss des Europarats zum EHDS inklusive deutscher Prokollerklärung

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-16641-2023-INIT/en/pdf

 

Scheider, Uwe K. Endspurt zum European Health Data Space (EHDS): Wie werden die Rechte der Patienten gewahrt?

https://www.linkedin.com/pulse/endspurt-zum-european-health-data-space-ehds-wie-werden-schneider-uuwce/