E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Medizin |

Neue Studie untersucht, wie Telemedizin die Behandlung des Bluthochdrucks verbessern kann

Foto: Deutsche Hochdruckliga e.V.

Viele Menschen mit hohem Blutdruck besitzen ein Messgerät sowie eine Health-App auf ihrem Smartphone und führen so ihr Blutdrucktagebuch. Eine qualifizierte Rückmeldung durch einen Arzt erhalten sie bislang jedoch nicht. Diesen Weg der Behandlungs-Optimierung verspricht das europäische Projekt EUSTAR, das derzeit unter der Schirmherrschaft der European Society of Hypertension (ESH) durchgeführt wird.

 

„Gesundheits-Apps wie beispielsweise „Health Book“ von Apple oder „Watson-Health“ von IBM sind im Prinzip eine gute Sache, weil sie die Bevölkerung für Gesundheitsprobleme sensibilisieren“, sagt Dr. Egbert Schulz, Mitglied der Kommission Telemedizin und E-Health der Deutschen Hochdruckliga und Vorstand des Blutdruckinstituts Göttingen e.V. Bei den Apps bleibe es aber bei der Selbstauskunft, eine individuelle Rückmeldung durch den behandelnden Arzt finde nicht statt. Diese Rückmeldung benötigen allerdings viele Patienten, die wegen eines erhöhten Blutdrucks in ärztlicher Behandlung sind. „Manche Patienten nehmen zum Beispiel mehrere Medikamente ein, ein Selbst-Management durch den Patienten ist im Fall Bluthochdruck nicht empfehlenswert“, sagt Dr. Schulz. Dazu stelle die Therapie zu hohe medizinische Anforderungen an die Kenntnis von Wirkungsweisen und Wechselwirkungen der Medikamente. Bei einer seltenen, aber möglichen Therapieresistenz seien beispielsweise komplexe Medikamentenänderungen notwendig, deren Erfolg oder Misserfolg bei einer Standard-Behandlung sich aber wiederum erst nach dem nächsten Arztkontakt zeige. Man verliert also wichtige Zeit. „Andere Menschen mit sogenannter Weißkittelhypertonie haben sogar nur in der Arztpraxis einen erhöhten Blutdruck“, sagt Dr. Schulz. „Sie benötigen dann meistens keine Medikamente.“ 

 

Neben der ambulanten 24-h-Blutdruckmessung, bei der das Gerät automatisch regelmäßig Tag und Nacht den Blutdruck misst, hat sich die Heim-Selbstmessung als gutes Instrument erwiesen. „Allerdings entsprechen nicht einmal die Hälfte der von den Patienten dokumentierten Werte der Realität. Zudem liegt bei vielen Visiten das Blutdrucktagebuch gar nicht vor.“ Diese Lücke wird nach Schulz durch das Blutdruck-Telemonitoring geschlossen. „Die zahlreichen internationalen Studien zur Blutdruck-Telemetrie belegen den Nutzen als Instrument zur Behandlungsoptimierung und Vermeidung nicht zwingend notwendiger stationärer Aufenthalte.“

 

Neben den Patienten, für die eine ärztliche Rückmeldung auf ihre Blutdruckmessung wichtig wäre, wäre es also auch für die Mediziner hilfreich, die Patientenwerte kontinuierlich zu kennen: Schwierig sei die Blutdruckeinstellung beispielsweise bei Jugendlichen mit erhöhtem Blutdruck, Schwangeren, älteren Menschen mit Herzschwäche, in der Dialyse oder nach einem Schlaganfall. „Hier sind wir auf verlässliche Messwerte angewiesen, um kurzfristig reagieren zu können“, sagt Dr. Schulz. Nachdem in einer Pilotstudie der Datenfilter, d.h. ein Benachrichtigungsalgorithmus herausgearbeitet und die Machbarkeit der Methode im Praxisalltag in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt bestätigt werden konnte, gälte es nun, das Blutdruck-Telemonitoring in der Breite in möglichst vielen Indikationen anzuwenden.

 

Das EUSTAR-Projekt soll daher jetzt klären, ob das Blutdruck-Telemonitoring die Behandlungsergebnisse verbessern und stationäre Behandlungen verhindern oder reduzieren kann. Die zunächst 50 teilnehmenden ESH-Hypertonie-Exzellenzzentren versorgen ihre Patienten mit einem zertifizierten Blutdruckmessgerät, das die Daten über ein integriertes Modem anonymisiert und, nur einer Gerätenummer zugeordnet, an einen zentralen Server übertragen kann. Dort werden die Blutdruckwerte dann mit den Grenzwerten verglichen, die der behandelnde Arzt gemäß der wissenschaftlich belegten Regeln vorher festgelegt hat. Professor Dr. med. Martin Middeke, Principal Investigator von EUSTAR und Sprecher der Kommission Telemedizin und E-Health der Hochdruckliga erläutert: „Werden die Grenzwerte überschritten, wird eine Benachrichtigung an den behandelnden Arzt ausgelöst.“ Dieser prüfe dann, ob er Kontakt zu seinem Patienten aufnehmen sollte. In der Regel erfolge dies durch einen Anruf aus der Arztpraxis. Eine Benachrichtigung ist laut Professor Middeke auch vorgesehen, wenn der Patient über drei Tage keine Messergebnisse übertragen hat. „Dadurch sollen Systemfehler erkannt und der Patient zur Mitarbeit motiviert werden“, sagt der Experte.

 

Alle Daten der Patienten werden an ein EUSTAR-Zentralregister weitergereicht. „Die Auswertung wird später zeigen, ob die Telemetrie tatsächlich die Versorgung der Patienten in der Breite verbessert“, erwartet Dr. Schulz. Um die Privatsphäre gegen Missbrauch zu schützen, werden die Patientendaten vor der Weitergabe anonymisiert. „Die eingesetzten Systeme erfüllen alle Anforderungen des Datenschutzes“ versichert der Experte. Dazu gehört auch, dass die Datenübermittlung an den Arzt verschlüsselt über eine abgesicherte Leitung erfolgt. „Außerhalb der Praxissoftware kursieren keine personifizierten Daten. Erst innerhalb der jeweiligen Praxissoftware werden die anonymisierten Blutdruckwerte wieder mit den persönlichen Patientendaten zusammengeführt. Der Arzt kann also innerhalb des von ihm eingesetzten Praxisverwaltungssystems mit den Telemonitoringdaten arbeiten. Das macht die Methode so praktikabel und innovativ.“ Die EUSTAR-Plattform ist zudem in der Lage, anonymisiert Patientendaten aus dem Praxissystem für spätere Analysen automatisch zu extrahieren, wenn der Arzt beziehungsweise das Zentrum und der Patient an der Studie teilnehmen wollen und dem zustimmen.

 

Die Studie ist zunächst auf wenige besonders qualifizierte Behandlungszentren beschränkt. Später soll die Teilnahme allmählich ausgeweitet werden. Die Technik ist soweit ausgereift, dass sie im Prinzip auch für andere Krankheiten genutzt werden könnte. Dr. Schulz betont: „Die Telemedizin soll den Hausarzt nicht ersetzen sondern ihm ein Instrument in die Hand geben, seine Hochdruckpatienten noch besser zu behandeln. Sie könnte eine kostengünstige und effektive Erweiterung der Versorgung darstellen und in den normalen Praxisalltag integriert werden. Die Belastung der Praxis-Ressourcen durch Telemedizin sollte in größeren Studien untersucht werden. Erste kleinere Analysen hatten erfreuliche Ergebnisse gebracht “ Auf dem Kongress der Deutschen Hochdruckliga in Berlin berichten die Experten der Kommission Telemedizin und eHealth der Deutschen Hochdruckliga, in Symposien, was Telemedizin leisten. Zudem gibt es einen Workshop „Hand-on“ zum Thema Blutdruck-Telemonitoring, in dem es um die Anwendung in der Praxis geht.

 

Quelle: Deutsche Hochdruckliga e.V.