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Forschung |

Plädoyer für Recht auf Gefundenwerden

Ist der Rechtsrahmen fit für eine Welt digitaler Gesundheitsdaten? Die Initiative „EHDS-Koalition“ hat sich darüber Gedanken gemacht – und bringt drei neue Rechte in die Diskussion.

Bild: © Dierks + Company

Am 3. Mai 2022 hatte die EU-Kommission ihren Entwurf für den europäischen Gesundheitsdatenraum, den EHDS, vorgelegt. Seither wird von vielen Seiten versucht, die Geographie eines solchen Raums zu vermessen bzw. das politische Gelände zumindest schon einmal mit den nötigen Fundamenten auszustatten. Eine Lobby-Organisation, die sich über den EHDS intensiv Gedanken macht, ist die EHDS-Koalition. Sie vereint eine Reihe von überwiegend pharmazeutischen Unternehmen, dazu das Aktionsbündnis Patientensicherheit, die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung (DGIV) und die Initiative Vision Zero, die sich der Förderung von Krebsforschung und Krebsversorgung verschrieben hat.

 

EHDS-Ausgestaltung: Was ist wichtig?

Bei der Vision Zero Herbsttagung in Berlin stellte Christian Dierks von Dierks + Company die bisherige Arbeit der EHDS-Koalition vor. Unter anderem hat man sich in den letzten Monaten mit einem Positionspapier zum EHDS und einer Stellungnahme zum Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes, des GDNG, zu Wort gemeldet. Dass derartiger Input nötig sei, daran ließ Dierks in Berlin keinen Zweifel: „Wir waren uns schnell einig, dass es viel Meinung zum EHDS geben wird in einem Land, das den Datenschutz 1973 erfunden hat.“

 

Dierks und die EHDS-Koalition sehen viele gute Ansätze in EHDS und GDNG, wünschen sich aber an einigen Stellen Präzisierungen und Nachschärfungen. So besteht die Sorge, dass die bisher anvisierte Datenbasis für einen Gesundheitsdatenraum nicht breit genug sein könnte. Ein Opt-out-Mechanismus wird im Zusammenhang mit der Nutzung anonymisierter Gesundheitsdaten für die im EHDS vorgesehenen Zwecke kritisch gesehen. Eine gleichberechtigte Einbindung von Unternehmen sowohl als Datennutzer auch als Datenquelle wird – unter Berücksichtigung des Schutzes von geistigem Eigentum – befürwortet. Plädiert wird außerdem für eine faire Gebührenordnung, die ein Zwei-Klassen-System mit Senkung der Gebühren für öffentliche Forschung vermeidet, sowie für eine Rechtgrundlage für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zu Ausbildungszwecken in nicht-universitären Berufen.

 

Drei neue Rechte

Neben solchen einzelnen Punkten geht es der EHDS-Koalition auch um das große Ganze. Der regulatorische Gesamtrahmen stelle trotz gewisser Fortschritte im GDNG-Entwurf immer noch zu sehr die Abschottung von Daten in den Vordergrund, so der Tenor. Vor diesem Hintergrund hat die EHDS-Koalition als Diskussionsanstoß drei neue Rechte formuliert, die sich in einem regulatorischen Rahmen für Gesundheitsdaten wiederfinden sollten. Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG, stellte diese drei Rechte in Berlin vor:

 

  • Recht auf Datennutzung: Mit einem solchen Recht könnte der Datenzugang gefördert werden und es würde die Möglichkeit eröffnen, unzulässige Restriktionen zu sanktionieren bzw. gerichtlich überprüfen zu lassen.

  • Recht auf Dateneinsatz: Ein solches Recht würde der Tatsache Rechnung tragen, dass Patient:innen nicht an Datenschutzverletzungen sterben, wohl aber an fehlenden Daten bzw. Missinformation. Es könnte mit einer Aufklärungspflicht über die Risiken der Nichtverarbeitung von Daten einhergehen, beispielsweise vor einem ePA-Opt-out.

  • Recht auf Gefundenwerden: Dieses relativ weitgehende Recht wäre quasi die Kehrseite zum europäischen Recht auf Vergessen. Wer seine Daten für die Forschung zur Verfügung stellt, sollte das Recht auf Depseudonymisierung erhalten, also darauf, dass die Daten auf die eigene Person zurückgeführt werden können. Nur so ist es ggf. möglich, auch individuell von neuen Erkenntnissen zu profitieren, zu denen die eigenen der Forschung zur Verfügung gestellten Daten beitragen. Eine etwas weniger radikale Umsetzung eines „Rechts auf Gefundenwerden“ wäre eine Aufklärungspflicht über die Nachteile einer nicht rückführbaren Anonymisierung von Daten.

 

Mittlerweile hat die EHDS-Koalition diese Konzepte auch schon mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, diskutieren können. Man sei sich einig gewesen, dass der Rechtsrahmen durch die mit dem GDNG und anderen neuen Gesetzen anstehenden Änderungen in weiten Teilen gesteckt sei, so Dierks. Nötig sei nicht zuletzt ein größeres Verständnis dafür, die neuen Spielräume jetzt auch zu nutzen.

 

Weitere Informationen

Positionspapier der EHDS-Koalition zum EHDS

https://www.dierks.company/wp-content/uploads/20230426_EHDS-Koalition_Positionspapier.pdf

 

Stellungnahme der EHDS-Koalition zum GDNG

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Stellungnahmen_WP20/GDNG/EHDS-Koalition.pdf