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» Das MIO Medikation wird enormen Schub bringen «

Die Medizinischen Informationsobjekte (MIO) sollen das semantische Herz der neuen, elektronischen Patientenakte werden. Bisher waren sie aber Rohrkrepierer. Doch mit dem MIO Medikation dürfte sich das ändern. Wir haben im Oktober 2023 mit Kerstin Bieler gesprochen, Abteilungsleiterin bei der mio42 GmbH.

Kerstin Bieler ist Abteilungsleiterin bei der mio42 GmbH. Foto: © mio42

Frau Bieler, wir wollen uns gleich ansehen, wie medizinische Einrichtungen künftig, in Zeiten der neuen elektronischen Patientenakte (ePA), mit der elektronischen Medikation arbeiten könnten. Bevor wir das tun: Es gibt die mio42 jetzt drei Jahre lang. Wie hat sich das Unternehmen entwickelt?
Wir werden größer, und wir stellen auch noch ein. Anfangs waren wir ein kleines Team und hatten noch Unterstützung von Mitarbeiter:innen der KBV. Jetzt liegt die Entwicklung der Medizinischen Informationsobjekte, der MIOs, komplett bei uns. Das Aufgabenspektrum ist auch breiter geworden: Wir kümmern uns vermehrt darum, wie die MIOs im Versorgungsprozess verankert sind. Das ist wichtig im Hinblick auf die Akzeptanz im Markt und bei den zukünftigen Anwender:innen. Außerdem fangen wir an zu malen. Genauer gesagt: Wir gestalten Visualisierungen, auch UX-Designs oder „Klick-Dummies“ genannt. Das hilft bei der Abstimmung mit den Anwendergruppen, aber auch in der Kommunikation mit den Herstellern. Unser Ziel ist, dass wir künftig bei jeder Festlegung solche Visualisierungen mitliefern.

Wie präsent ist die mio42 im KV-System? Gibt es viel Austausch, oder gelten Sie als Nerds?
Also zumindest die 42 im Namen müssen wir öfter erklären. Wer jünger ist als dreißig, der versteht das in der Regel nicht. Wir gelten schon als ein bisschen nerdig, aber eher im positiven Sinne. Da ist eine Expertise, die sonst schwer zu finden ist, und das wird auch gesehen. Was wir häufiger zu hören bekommen, ist das Vorurteil „Digitalisierung um der Digitalisierung Willen“. Da sind wir kommunikativ gefordert. Wir konnten das, was wir entwickeln, allerdings bisher noch nicht so richtig demonstrieren, weil die MIOs noch nicht in der Versorgung angekommen sind.

Auf der MIO-Plattform finden sich derzeit als festgelegte MIOs u.a. Mutter- und Impfpass, U-Heft, Zahnärztliches Bonusheft, Überleitungsbogen, Telemedizinisches Monitoring, Patientenkurzakte sowie DiGA Toolkit. In Entstehung befinden sich Bildbefund, DiGA Device Toolkit, Krankenhausentlassbrief, Laborbefund, Medikationsplan und Überleitungsbogen chronische Wunden. Das ist eine eindrucksvolle Liste. Wie viele davon sind schon in der Realität angekommen?
Keines.

Woran liegt das?
Das hat mehrere Gründe. Wenn wir den Mutterpass als Beispiel herausgreifen: Der wird wesentlich von Hebammen genutzt, aber die haben keinen ePA-Zugriff. Der geringe Verbreitungsgrad der ePA patientenseitig ist auch ein Riesenthema. Ohne Flächendeckung kommen wir bei den MIOs nicht weiter. Dieses Henne-Ei-Problem soll ja mit der neuen Opt-out-ePA adressiert werden. Ein anderes Problem ist der starke ePA-Fokus der bisherigen MIOs. Kommunikation im Gesundheitswesen funktioniert bisher gerichtet, und so funktioniert die ePA mit den MIOs nicht. Dem begegnen wir damit, dass künftig einige MIOs auch über KIM übermittelt werden können. Es gibt dazu eine eigene KIM-Anwendungsspezifikation der kv.digital. Das macht nicht bei jedem MIO Sinn, aber bei einem Bild- oder Laborbefund oder einem Entlassbrief ist der direkte Übermittlungsweg als Ergänzung zur ePA sehr naheliegend.

Kritik von Herstellerseite betrifft auch die Komplexität der MIOs. Haben Sie dafür Verständnis?
Haben wir, ja. Man muss einfach rückblickend sagen, dass U-Heft und Mutterpass nicht die perfekten Themen waren, um mit den MIOs zu starten. Zum einen haben sie eine relativ kleine Zielgruppe auf Anwenderseite, zum anderen sind das umfangreiche Papierdokumente, die mehr oder weniger eins zu eins digitalisiert wurden. Das geschah in einer Zeit, in der davon ausgegangen wurde, dass es dauerhaft parallel Papier geben wird. Das Ergebnis waren sehr komplexe FHIR-Spezifikationen. Wir glauben aber, dass das bei anderen MIOs anders sein wird, insbesondere auch bei Medikation, Laborbefund und Entlassbrief. FHIR ist dafür gemacht, solche medizinische Information zu transportieren. Wenn jetzt Hersteller über FHIR stöhnen, dann muss man auch sagen: Hätten wir CDA genommen, dann hätte uns das auch niemand verziehen, weil das Format einfach veraltet ist.

Beteiligt sich die Industrie denn mittlerweile an der Erstellung der MIO-Spezifikationen?
Wir erhoffen uns zukünftig etwas mehr Engagement, vor allem in den frühen Phasen, in denen es einfacher ist, noch Dinge zu ändern. Das ist natürlich für die Hersteller ein personeller Aufwand, das ist uns klar. Andererseits kriegen wir schon auch die Rückmeldung von Herstellern, dass sie früher eingebunden werden wollen. Da arbeiten wir dran. Ziel sind MIOs, die für alle funktionieren.


Wie ist es mit der Basistechnologie: MIOs sind virtuelle Dokumente, keine Datenbankanwendungen. Macht es das nicht auch unnötig komplex?

Das mag sein, aber daran können wir im Moment nichts ändern, weil die ePA-Architektur die Dokumentenstruktur vorgibt. Das soll auch für die Opt-out-ePA zunächst einmal nicht geändert werden. Man muss auch sagen, dass bei einer „Datenbank-ePA“ andere Fragestellungen auftauchen, die ähnlich komplex sind. Unser Stand ist, dass die gematik überlegt, in diese Richtung zu gehen. Wenn das konkreter wird, dann würden wir als mio42 uns da konzeptionell gerne beteiligen.


Januar 2025 ist derzeit der Termin für den Startschuss der neuen „ePA für alle“. Eine Spezifikation gibt es noch nicht, die gematik ist in der Prüfungsphase. Was lässt sich jetzt schon sagen: Welche Rolle werden MIOs im Rahmen der neuen ePA spielen?
Wir sind mit unseren MIOs fester Bestandteil der ePA, aber MIOs werden natürlich nicht die einzigen Bestandteile der ePA sein. PDF-Dokumente, Bilder etc. werden zu Beginn sehr wichtig sein. Denken Sie zum Beispiel an den Patientendurchschlag einer eAU, der soll ja auch in die ePA, und das ist kein MIO im eigentlichen Sinn. Die Ära der MIOs in der ePA beginnt mit der Medikation, damit sind wir im Entwurf des Digital-Gesetzes explizit beauftragt. Die Medikation wird auch der wichtigste Use Case in der Kommunikation der ePA sein. Wir sind überzeugt, dass das einen enormen Schub bringen wird.

Die Welt der digitalen Medikation ist recht unübersichtlich. Es gibt den BMP, den bundeseinheitlichen Medikationsplan, der ausgedruckt eine gewisse Verbreitung hat. Er verfügt über einen Barcode, der theoretisch eine digitale Übermittlung erlaubt, was aber kaum jemand macht. Es gibt den eMP, der eine Umsetzung des BMPs auf der eGK ist. Auch den verwendet praktisch niemand. Der eMP soll gemäß KHPflEG bis Oktober 2024 als Online-Anwendung zur Verfügung stehen in der Hoffnung, dass er dann häufiger verwendet wird. Sie selbst arbeiten aktuell an einem MIO Medikation. Und jetzt kommt auch noch die ePA mit einer Medikationsliste, die aus dem E-Rezept-Server befüllt werden soll. Vielleicht können wir hier ein bisschen Ordnung reinbringen. Wovon reden wir, wenn wir über die Medikation als erste Anwendung der neuen ePA reden?
Ich würde mal damit anfangen, was im Moment verbesserungsfähig ist. Der BMP ist an sich in Teilen der Versorgung etabliert und hat einen guten Ruf bei den Ärzt:innen. Aber die Nutzung des Barcodes ist schwierig: Papier knittert, es gibt regelmäßig handschriftliche Ergänzungen, manche Patient:innen haben zwei oder drei BMPs. Alles nicht ideal, alles noch sehr auf Papier gebaut. Die Idee ist, dass der Medikationsplan in der ePA viele dieser Probleme löst. Gleichzeitig soll er trotzdem noch ausdruckbar sein, denn es wird ja nicht jeder ein ePA-Frontend bzw. eine ePA-App nutzen. Der eMP auf der eGK wiederum wird, wie Sie sagen, kaum genutzt. Er hat zwei große Mankos, nämlich die sehr begrenzte Speicherkapazität auf der eGK und die Tatsache, dass aktuell dafür eine PIN nötig ist. Auch hier: Beide Probleme werden durch den Medikationsplan in der ePA gelöst. Speicherplatz ist kein Problem mehr, weil die Anwendung nicht mehr kartenbasiert ist, und eine PIN wird nicht mehr gebraucht.

Die mio42 wird im Entwurf des Digital-Gesetzes mit der Spezifizierung der Medikation in der ePA beauftragt. Das MIO Medikation wird demnach eine FHIR-Umsetzung des BMP, ist das korrekt?

Das ist erst mal korrekt, der Medikationsplan in der ePA ist gesetzlich weiter vorgesehen, und auch weiterhin für die Personen, die einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, also Patient:innen mit drei oder mehr Dauermedikamenten. Wir haben für das MIO Medikation insbesondere zwei große Themen vorgesehen, mit denen wir über den BMP hinausgehen bzw. Lücken beseitigen, die der BMP aus Anwendersicht lässt. Das eine sind komplexe Dosierschemata, beispielsweise Schmerzpflaster alle paar Tage, das war bisher schwierig, lässt sich aber in FHIR sehr gut umsetzen. Der zweite große Wunsch aus der Versorgung war es, auch die „Kommunikation über den Plan“ abzubilden. Es wird deswegen eine Kommentierungsmöglichkeit geben, vor allem für die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern. Darüber hinaus möchten wir das Strukturierungsniveau des Medikationsplans erhöhen und damit die Informationen besser nachnutzbar machen – Stichwort Interoperabilität.


Wichtig ist jetzt aber, dass der Medikationsplan auf FHIR-Basis nur ein Teil des gesetzlichen Auftrags im ­Zusammenhang mit der Medikation in der ePA ist. Der andere Teil ist die sogenannte Medikationsliste, die automatisch über den E-Rezept-Server befüllt werden soll. Hier ist im Moment noch nicht ganz klar, wie sich das technisch zueinander verhält, also wie viel davon am Ende ein MIO wird und welche Komponenten vielleicht nicht. Davon hängt natürlich auch ab, wo genau das Thema aufgehängt wird. Wir gehen davon aus, dass das ein Thema ist, das in sehr enger Abstimmung zwischen gematik und mio42 abgearbeitet werden wird.

Warum überhaupt sowohl Medikationsplan als auch Medikationsliste?
Das sind zwei unterschiedliche Anwendungen, die beide ihre Berechtigung haben und die natürlich maximal interoperabel sein sollten. Der Medikationsplan der ePA ist das, was der BMP heute auch schon ist, nämlich eine ärztlich und pharmazeutisch kuratierte Übersicht der Dauermedikation und Bedarfsmedikation. Er dient auf der einen Seite als Kommunikationsmittel und Entscheidungsbasis für Leistungserbringer und auf der anderen Seite als Unterstützung für Patient:innen und Pflegende. Dies ist vor ­allem für Personen sinnvoll, die mehrere systemisch wirksame Arzneimittel einnehmen, die aufeinander abgestimmt sein sollten.


Die Medikationsliste, die über den E-Rezept-Server erstellt wird, ist nicht kuratiert; sie soll automatisch entstehen, und zwar zum einen auf Basis der erstellten E-Rezepte, zum anderen auf Basis der in der Apotheke dispensierten Medikamente. Auch diese Dispensierinformationen laufen über den E-Rezept-Server. Zudem können nicht verordnete OTC-Medikamente einen ähnlichen Weg in die ePA nehmen. Wir reden bei der Medikationsliste gern von einer Art Kontoauszug des E-Rezept-Servers, das trifft es ganz gut.

Es wird also zumindest bei einem Teil der Menschen künftig „zwei Medikationen“ in der ePA geben, nämlich die unkuratierte Liste, die bei jedem existiert, der die ePA nutzt und der irgendeine Verordnung erhält, und die Online-Version des BMP bei jenen, bei denen die Behandelnden einen Medikationsplan erstellen. Aus Sicht der Ärzt:innen wird die entscheidende Frage sein, ob das alles unkompliziert nutzbar ist: Lassen sich Medikamente aus der Medikationsliste per Klick in den Medikationsplan übernehmen? Sind Plan und Liste so darstellbar, dass alles übersichtlich und intuitiv nachvollziehbar ist? Können AMTS-Funktionen genutzt werden? Wie sieht es damit aus?
Wir kommen hier in den Bereich dessen, was ohne ePA-Spezifikation noch zu einem gewissen Grad Spekulation ist. Aber als mio42 haben wir für das derzeit in Entwicklung befindliche MIO Medikation schon die ersten der erwähnten Klick-Dummies erstellt. Das macht es zumindest vorstellbar. Eine wesentliche Frage wird am Ende sein, wie das jeweilige Primärsystem den ePA-Zugriff und damit den Zugriff auf die Medikation in der ePA umsetzt. Darauf haben wir keinen direkten Einfluss. Aber wir können zeigen, was denkbar wäre, und wir haben das in enger Abstimmung mit Anwender:innen umgesetzt. Natürlich nicht an einem realen Praxis-IT-System, wir nutzen dazu ein Demo-System. Und hier haben wir viel positive Resonanz erhalten: Die zukünftigen Anwender:innen verstehen das Konzept und schätzen es als hilfreich ein. Nun muss der Plan nur noch aufgehen.

Dann legen wir mal los: Wie könnte die Medikation in der Praxis-IT künftig aussehen?
Bei Menschen ohne Medikationsplan wird nur die Medikationsliste angezeigt. Diese Liste stellt das Primärsystem und ggf. auch das ePA-Frontend der Patient:innen aus den E-Rezept-Server-Einträgen chronologisch zusammen. Wie viel davon auf dem E-Rezept-Server und wie viel im Primärsystem passiert, ist noch offen, aber das sind Details. Dadurch, dass der E-Rezept-Server die Daten in die ePA übermittelt, sind sie auch vor einer automatischen Löschung geschützt. Auf Arztseite ist unsere Hoffnung, dass die Praxis-IT-Hersteller die Medikationsliste so umsetzen, dass die Ärzt:innen nicht extra in die ePA navigieren müssen, sondern dass die ePA-Daten schon bei der Anmeldung im Hintergrund vom dem Primärsystem geladen werden und dann im Behandlungszimmer bereits zur Verfügung stehen. Die Darstellung der Liste könnte dann zum Beispiel eigene und Fremdverordnungen markieren, das wäre ein Gewinn an Übersicht. So ist bei einer weiteren Verordnung schnell zu erkennen, was der:die Patient:in auch von anderen Ärzt:innen verschrieben bekommen hat, sodass etwaige Kontraindikationen berücksichtigt werden können. Die Übersicht ersetzt natürlich kein Gespräch, zum Beispiel über den tatsächlichen Einnahmestatus oder die Verträglichkeit – aber man hat eine deutlich bessere Grundlage für die Behandlung.


Wurde ein Medikationsplan erstellt, dann gibt es auf Basis des MIO Medikation zusätzlich die Anzeige der typischen Zeilen und Zusatzinformationen, die vom BMP im Prinzip bekannt sind. Hier müssen nur Änderungen vorgenommen werden, wenn der:die Patient:in eine Änderung in der Gesamtmedikation hat. Bei Folgerezepten bleibt der Medikationsplan wie vorhanden. Essenziell ist aus unserer Sicht, dass der Medikationsplan und die Medikationsliste in einer gemeinsamen Ansicht für die Anwender:innen angezeigt wird, sodass diese nicht zwischen unterschiedlichen Fenstern oder Modulen hin- und herspringen müssen.

Wie interoperabel sind diese beiden Pläne?
Die Idee ist, dass ein neu verordnetes Medikament oder auch ein extern verordnetes Medikament, das in der Medikationsliste auftaucht, mit einem Klick, einem Häkchen oder einer anderen Markierung in das MIO Medikation übernommen werden kann, und zwar ohne dass über die Rezeptierung hinaus eine Verbindung zum E-Rezept-Server erforderlich ist. Das muss also nicht zweimal eingegeben werden. Allerdings sind für den BMP bzw. das MIO Medikation Zusatzinformationen nötig oder sinnvoll, die die reine Verordnung nicht liefert. Diese dienen vor allem zur Unterstützung der Patient:innen; z. B. Einnahmehinweise wie „unzerkaut zur Mahlzeit einnehmen“ oder patientenverständliche Gründe wie „Blutdrucksenker“. Diese Informationen müssen dann entweder noch manuell eingegeben werden oder das PVS liefert sie aus den lokal verfügbaren Daten wie einer im Hintergrund liegenden Arzneimitteldatenbank zu.

Anderes Szenario: Patient:in mit Medikationsplan wird aus dem Krankenhaus entlassen. Welche Möglichkeiten gibt es? Die zuweisenden Ärzt:innen finden es ja unter Umständen nicht so toll, wenn im Medikationsplan umfangreiche Änderungen vorgenommen werden.
Das ist unterschiedlich. Es gibt manche, die Änderungen geradezu erwarten, und andere, die genau das nicht wollen. Auch deswegen wollen wir das MIO Medikation um die Kommentierung erweitern. Das bringt Flexibilität. Wir arbeiten außerdem an dem MIO Entlassbrief, bei dem wir Szenarien mit Entlassmedikation oder angepassten Medikationsplänen mitberücksichtigen.

Was kann ich mit dem MIO Medikation noch machen, was der Papier-BMP nicht kann?
Einiges. Das System kann zum Beispiel automatisch Medikamente markieren, die neu sind, sodass in der Arztpraxis schnell erkannt werden kann, wenn es Änderungen seit dem letzten Praxisbesuch gibt. Es lässt sich zudem insbesondere bei der Medikationsliste sehr gut darstellen, was die Originalverordnung war und was in der Apotheke ausgegeben wurde, zum Beispiel bei Rabattverträgen. Auch beim ganzen Bereich AMTS gibt es Vorteile, weil AMTS-Module auch OTC-Medikamente aus der Medikationsliste berücksichtigen können, die im Medikationsplan vielleicht bisher gar nicht aufgetaucht sind.

Dafür müssen die AMTS-Module aber umprogrammiert werden?
Klar, die müssen auf die Quellen eingehen, die sie haben. Aber das ist nicht überkomplex. Die Systeme haben für die AMTS-Prüfungen zukünftig mehr Informationen, das ist erst mal ein Vorteil.

Ein Wort zum Thema Performance. Beim KBV-Anbietermeeting im September wurde befürchtet, dass die Synchronisierung mit dem E-Rezept-Server bis zu 60 Sekunden dauern könnte. Ist das so?
Das kann im Moment niemand seriös sagen – es klingt jedoch erschreckend. Es ist klar, dass die Performance ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz sein wird. Ich glaube, dass das allen Beteiligten klar ist. Aber noch mal: Es ist auch eine Frage der Umsetzung. Wenn die Aktualisierungen vom PVS direkt nach Einlesen der eGK am Empfang vorgenommen werden, dann sind etwas längere Abfragezeiten kein großes Drama, solange Arzt oder Ärztin nicht während des Patientengesprächs auf die Kommunikation mit der ePA warten müssen. Bei Apotheken ist wiederum eine sehr schnelle ePA erforderlich, da diese keine Empfangssituation haben. Wenn eine Person am Tresen steht, möchte sie sofort bedient werden.

Abschlussfrage: Wie geht es nach dem MIO Medikation weiter?
Das wissen wir noch nicht so genau. Im Digital-Gesetz ist es so angelegt, dass die Details der zweiten Stufe der „ePA für alle“ erst über eine Rechtsverordnung bekanntgegeben werden. Was immer wieder genannt wird, sind Laborbefund und Entlassbrief, dazu eventuell noch die elektronische Patientenkurzakte. Die Reihenfolge bei diesen Themen ist aber noch Spekulation. Allerdings gibt es für alle drei Anwendungen MIOs in der Entwicklung, insofern gehen wir davon aus, dass wir da eine zentrale Rolle spielen. Die Patientenkurzakte haben wir damals für eine separate Anwendung auf einem eigenen Server entwickelt, das lässt sich also nicht eins zu eins für die ePA übernehmen. Aber grundsätzlich sind da wichtige Vorarbeiten schon gemacht, und es ist natürlich sehr sinnvoll, dass das in die ePA integriert wird.

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MIOs: So geht mitmachen


Die mio42 GmbH bindet bei der Erstellung der MIOs Stakeholder durch Beiräte ein und stellt jedes MIO vor Festlegung der Öffentlichkeit zur Kommentierung bereit. Wer sich bei einem in der Entwicklung befindlichen MIO beteiligen bzw. eine Kommentierung beisteuern möchte, kann sich auf der Webseite mio.kbv.de über die aktuellen Projekte informieren und dann über mio@kbv.de mit dem mio42 Team in Kontakt treten, um passende Beteiligungsmöglichkeiten auszuloten.

https://mio.kbv.de

 

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Das Interview führte Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM,
im Oktober 2023.