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Medizin |

AppQ legt Gütekriterien und Online-Schnittstelle vor

Wer soll sich in dem ganzen medizinischen App-Chaos denn zurechtfinden? Die Frage ist berechtigt. Das Gütekriterien-Kernset des AppQ-Projekts will Teil der Antwort werden.

Quelle: © elenabsl – stock.adobe

Mit Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG), das voraussichtlich am 7. November in die zweite und dritte Lesung im Deutschen Bundestag geht, soll sich ab 2020 ein neuer Weg für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa) in die medizinische Versorgung in Deutschland öffnen. Erstattungsfähig werden demnach digitale Medizinprodukte bis Klasse IIa, die auf einer vom BfArM kuratierten Liste erscheinen. Die Details für deren Erstellung sollen in einer eigenen Rechtsverordnung geregelt werden, die im Laufe des ersten Halbjahr 2020 erwartet wird.


Wie lässt sich die Qualität von DiGas objektivieren?

Dahinter steckt die deutlich breitere Diskussion um die Frage, wie DiGas im deutschen Gesundheitswesen bewertet werden sollen. Die BfArM-Liste wird dabei nur eine Teilantwort sein können. Je nach Art der DiGa werden eine ganze Reihe von Institutionen auf voraussichtlich unterschiedlichen Wegen mitreden müssen, von Organen der Selbstverwaltung bis hin zu medizinischen Fachgesellschaften. Letztere kommen insbesondere dann ins Spiel, wenn es um im engeren Sinne medizinische Anwendungen geht. Denn wer, wenn nicht Diabetesexperten, soll bewerten, ob von einer DiGa erhobene Blutzuckerdaten und für deren Auswertung genutzte Algorithmen Sinn machen? Wer, wenn nicht Herzexperten, soll bewerten, ob eine Screening-App für Herzrhythmusstörungen medizinischen Nutzen verspricht oder schlicht zu Überversorgung führt?

 

Fachgesellschaften und andere Bewerter von DiGas oder „Gesundheits-Apps“ haben im Alltag ein Problem: Die Kriterien für die Bewertung sind dermaßen umfangreich, dass sie bei einer Fülle an medizinischen Apps kaum sinnvoll im Auge behalten werden können, jedenfalls nicht von Fachgesellschaften, deren Kernkompetenz weder beim Datenschutz noch bei der Datensicherheit noch bei Usability oder Interoperabilität liegt, sondern schlicht bei der medizinischen Bewertung des Nutzens. Das zeigen auch Projekte, die versucht haben, derartige Kriterienkataloge zu erstellen. In dem vom Bundesgesundheitsministerium beim Fraunhofer FOKUS in Auftrag gegebenen AppKri-Metakatalog beispielweise befänden sich mittlerweile rund 500 Kriterien, anhand deren DiGas bewertet werden könnten, sagte Fraunhofer-Geschäftsbereichsleiter Dr. Jörg Caumanns.

 

AppQ: Werkzeug der Qualitätstransparent für App-Bewerter

Das Anfang 2019 ebenfalls im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums von der Bertelsmann-Stiftung gestartete AppQ-Projekt setzt genau an dieser Stelle an: „Was wir mit AppQ erreichen wollen, ist ein Werkzeug für eine strukturierte Qualitätstransparenz“, sagte Projektleiter Dr. Johannes Bittner beim „AppQ Release Event“, im Rahmen dessen in Berlin das AppQ Gütekriterien-Kernset in der Version 1.0 sowie der im Volltext online zugängliche Studienbericht des Projekts vorgestellt wurden.

 

AppQ setzt auf dem AppKri Metakatalog auf und nutzt einen Teil der dort gelisteten Kriterien für eine digitale Anwendung, die einerseits Transparenz über die Qualität der gelisteten DiGas verschafft, andererseits die Informationen jenen niedrigschwellig zur Verfügung stellt, die sie benötigen. Konkret definiert das AppQ Kernset neun Themenfelder:

  • Medizinische Qualität
  • Positive Versorgungseffekte
  • Datenschutz
  • Informationssicherheit
  • Technische Qualität
  • Verbraucherschutz und Fairness
  • Interoperabilität
  • Nutzerfreundlichkeit und Motivation
  • Anbindung an das Gesundheitssystem

 

Für jedes dieser Themenfelder gibt es eine begrenzte Zahl an Güte- oder Qualitätskriterien, denen wiederum konkrete Qualitätsindikatoren zugeordnet werden. Das kann die Erfüllung einer bestimmten ISO-Norm sein, aber auch die Einbindung von Experten, Hinweise zu möglichen medizinischen Risiken und vieles mehr.

 

AppQ sei selbst keine Instanz, die Apps oder DiGas bewerte, so Bittner. Es platziere sich vielmehr an der Schnittstelle zu jenen, die Apps aus unterschiedlichen Blickwinkeln bewerten wollen. Das kann eine Institution wie die Weiße Liste der Bertelsmann Stiftung sein, die die Qualität von Apps für Bürger bzw. Patienten transparent macht, ähnlich wie sie das im Moment mit der Qualität von Krankenhäusern macht. Es kann aber auch eine Fachgesellschaft sein, die in ihrem speziellen Kompetenzbereich ein Gütesiegel oder eine Zertifizierung digitaler Anwendungen etablieren möchte. Diese potenziellen „Bewerter“, und das ist das Neue an AppQ, können auf die – von den DiGa-Herstellern einzupflegenden – Daten zu den Qualitätskriterien über eine digitale Schnittstelle zugreifen. „Unser Ziel ist, damit die Arbeit bewertender Instanzen deutlich zu erleichtern“, so Bittner.

 

Auf dem Weg zu einem IQTIG für die digitale Anwendungen?

Nun darf man sich die Sache nicht wie eine Checkliste vorstellen, bei der eine dreistellige Zahl an Kriterien vom Hersteller abgehakt werden und vollständig erfüllt sein müssen. Eine bewertende Instanz kann vielmehr festlegen, welche Kriterien ihr für ein bestimmtes Zertifikat oder eine Listung wichtig sind. Bei einer Fachgesellschaft wird dieser Katalog anders aussehen als etwa bei einer Patienten- oder Verbraucherschutzorganisation. In jedem Fall definiert die bewertende Instanz auf Basis von AppQ einen eigenen Kriterienkatalog und erkennt dann über die AppQ-Schnittstelle ohne Zusatzarbeit, welche Apps die geforderten Kriterien erfüllen und welche nicht.

 

Dass das Ganze nur dann auf Dauer die DiGa-Diskussionen in Deutschland wirklich voranbringen wird, wenn es nicht bei der jetzt vorgelegten Version 1.0 des Gütekriterien-Sets bleibt, ist den Machern bei der Bertelsmann-Stiftung klar. Insbesondere dann, wenn AppQ zu einem Werkzeug in einem digitalen Nutzenbewertungsprozess werden soll, müsse der Datensatz am besten kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt werden, sagte Senior Project Manager Timo Thranberend zu E-HEALTH-COM. Das ist auch aus Sicht der bewertenden Instanzen wichtig. Denn die müssen sich – auch rechtlich – auf die von den Unternehmen per Selbstauskunft zur Verfügung gestellten Angaben zu den Gütekriterien verlassen können, wenn sie ihre Empfehlungen aussprechen.

 

Wie eine solche Verstetigung von AppQ aussehen könnte und wo AppQ auf Dauer angesiedelt werden könnte, wenn es denn bleiben sollte, ist am Ende eine derzeit noch von vielen Konjunktivem durchpflügte, politische Frage. Mit den Qualitätsindikatoren der Krankenhäuser gibt es eine Art Prototyp-Verfahren, bei dem in diesem Fall der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und dem G-BA zuarbeitende Institute wie das IQTIG die Funktion der „Clearingstelle“ für Qualitätskriterien übernehmen. Das können bei DiGas auch andere Instanzen sein, aber irgendwelche Instanzen werden es wohl sein müssen. Das ist bisher aber noch völlig offen.

 

Weitere Informationen:

Vollständiger AppQ-Studienbericht der Bertelsmann-Stiftung

https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studienbericht_AppQ_191028.pdf

 

Metakatalog von Qualitätskriterien für Gesundheits-Apps aus dem AppKri-Projekt: www.appkri.de