E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Vernetzung |

Bevölkerung und Gesundheitsdaten: Nützen schlägt schützen

Menschen wollen ihre Gesundheitsdaten teilen, und zwar mit wem sie Lust haben. Das ist, etwas pointiert, ein Ergebnis des ersten deutschen Self Tracking Reports.

Der Self Tracking Report ist eine wissenschaftliche Befragung, die von Dr. Alexander Schachinger von EPatient Analytics initiiert wurde. Unterstützung kam unter anderem von Prof. Dr. Sylvia Thun, Berlin Institute of Health der Charité Berlin, und von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Public Health Experte an der Hertie School Berlin. Der Report ist hervorgegangen aus dem seit 2010 jährlich erstellten EPatient Survey, der methodisch weiterentwickelt wurde.

 

Nicht repräsentativ, aber fast

Die aktuelle Befragung enthielt insgesamt 80 Fragen rund um die Nutzung von Gesundheitsdaten durch die Bevölkerung und rund um die Einstellung der Menschen zum Teilen von Gesundheitsdaten. Relevant ist das nicht zuletzt mit Blick auf das von der Ampel-Koalition geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Die Grundgesamtheit bildeten 5000 Bürgerinnen und Bürger, die über das unabhängige Marktforschungspanel von Kantar Deutschland rekrutiert wurden. Voraussetzung für die Teilnahme waren ein Alter ab 18, ein permanenter Wohnsitz in Deutschland und deutsche Sprachkenntnisse.

 

Die Stichprobe sei nicht bevölkerungsrepräsentativ, komme dem aber nahe, so Schachinger. Voraussetzung für die Teilnahme war „Onlinefähigkeit“, was Schachinger zufolge etwas 90 % der Bevölkerung abdeckt. Die Befragungsteilnehmer:innen wurden außerdem in Anlehnung an die reale Bevölkerungsstruktur quotiert, unter anderem hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Berufsgruppe, Größe des Wohnorts, Bundesland, Einkommen, Haushaltsgröße und Versichertenstatus.

 

Daten erheben ist die Regel, nicht die Ausnahme

Was sind die wichtigsten Ergebnisse? Zum einen nutzen unerwartet viele Menschen schon heute digitale Gesundheits-Tracker, nämlich 42 % der Befragten. Fasst man den Begriff Gesundheitstracking breiter und lässt auch analoge Messungen von Gewicht und Blutdruck zu, dann liegt die Quote sogar bei 78 %. „Die Mehrzahl dieser Daten landet im Moment in Kalifornien oder Südkorea“, so Schachinger. Im Detail gaben 23 % der Befragten an, eine Smartwatch zu nutzen. 15 % nutzen demnach einen digitalen Fitness-Tracker mit Smartphone-Anbindung. Spezifische Sport- und Trainingsuhren nutzen 10 %.

 

Gefragt wurde auch nach klassischen medizinischen Messgeräten und Hilfsmitteln: 38 % haben ein Blutdruckmessgerät, 10 % ein Blutzuckermessgerät und 6 % ein Hörgerät. Dies decke sich mit anderen Umfragen, so Schachinger, was für die Qualität der Stichprobe spreche. Deutlich sichtbar sei, dass mit den technischen Möglichkeiten der Messgeräte auch die Zahl der Menschen, die „neuere“ Parameter erfassen, zunehme, so Schachinger. So messen 20 % Schlafqualität und 10 % Stresssymptome, beides praktisch immer digital. Demgegenüber werden Gewicht und Blutdruck zwar von mehr Menschen – 75 % und 38 % – gemessen. Die „Digitalquoten“ liegen bei diesen Parametern aber nur bei 14 % bzw. 6 %.

 

Wie umgehen mit Gesundheitsdaten?

Das vielleicht bemerkenswerteste Ergebnis des Self Tracking Reports ist die sehr hohe Bereitschaft, Daten zu teilen, und zwar mit den unterschiedlichsten Sparring-Partnern. So geben vier von fünf Befragten an, dass sie für eine nationale Forschungsdatenbank seien, in die Patientendaten einfließen. Sieben von zehn wünschen sich eine Integration medizinisch relevanter Bewegungsdaten aus ihrem Smartphone in die ärztliche Akte, wenn dies der Behandlung dient. Drei von vier hätten gerne von ihren Krankenkassen individuelle Präventionsangebote auf Basis ihrer persönlichen Messwerte und Daten. Und sieben von zehn fänden es gut, wenn sie auf Basis einer elektronischen Patientenakte per SMS informiert würden, wenn sich eine Untersuchungsnotwendigkeit ergibt.

 

Beim Thema Forschung mit Gesundheitsdaten hat der Self Tracking Report noch etwas genauer nachgefasst – und hier Unerwartetes zutage gefördert. So antworteten immerhin 48 % der Befragten auf die Frage, ob sie die Nutzungsrechte an ihren Gen-Daten für die Forschung zu Krebs und seltenen Erkrankungen freigeben würden, mit „Ja“. Nur 28 % sagen „Nein“, der Rest war sich unsicher. Jene, die ihre Gen-Daten für die Forschung freigeben würden, wurden dann gefragt, welchen Organisationen sie die Nutzung erlauben würden. Und siehe da: 63 % würden den Zugriff Unternehmen erlauben, die Medikamente und Medizingeräte entwickeln. Bei einer Bundes- oder Landesbehörde würden es 43 % tun, bei einer gemeinnützigen Stiftung nur 24 %.

 

Patientenakte: Klar pro ePA

Auch in Sachen elektronische Patientenakte (ePA) enthielt der Self Tracking Report einige spezifischere Fragen. Eine davon greift das Spannungsfeld Datenschutz versus Datennutzung relativ pointiert auf. „Strenger Datenschutz ist mir wichtiger als gute medizinische Versorgung“ – dieser Formulierung stimmten 35 % der Befragten zu. Umgekehrt unterschrieben 65 % die Formulierung „Eine effiziente medizinischen Versorgung ist mir wichtiger als strenger Datenschutz“. Diese Zahlen zeigen einerseits, dass es bei diesem Punkt tatsächlich einen gewissen Dissens in der Bevölkerung gibt. Sie illustrieren aber auch, dass eine große Mehrheit sich auch dann mehr digitale Datennutzung wünscht, wenn das mit gewissen Abstrichen beim Datenschutz einhergeht.

 

Für Klaus Hurrelmann sind die Ergebnisse in jedem Fall ein klarer Handlungsauftrag: „Die faktische Nutzung digitaler Geräte und Angebote ist so hoch wie wir das alle nicht erwartet hatten. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, Daten abzugeben, in Deutschland sehr hoch, und die ePA wird ebenfalls sehr positiv bewertet. Die Menschen fühlen sich fast schon im Stich gelassen, sie sind eindeutig weiter als die politischen Regelungen.“ Dieses Spannungsverhältnis, man kann es vielleicht auch Politikvakuum nennen, führt Hurrelmann zufolge am Ende zu Unsicherheit: „Was braucht Politik eigentlich noch, um zu handeln? Die Bereitschaft in der Bevölkerung muss endlich abgeholt werden.“

 

Sylvia Thun, bei der Vorstellung der Daten nicht persönlich anwesend, sieht das ganz genauso: „Es wurde Zeit, der Politik dieses Bild vorzuführen“, schreibt sie auf Twitter. „Die Bürger:innen wollen ihre Gesundheitsdaten für eine bessere und somit auch sichere Medizin nutzbar machen.“

 

Weitere Informationen unter
epatient-analytics.com