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Vernetzung |

Big Data im Gesundheitswesen – Japan als Vorbild

Japans Gesundheitsreform-Initiative zeigt Möglichkeiten der Digitalisierung und der internationalen Zusammenarbeit auf.

Quelle: © imacoconut – stock.adobe.com

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen steht ganz weit oben auf der Agenda der Verantwortlichen – und doch sind immer wieder Hürden zu überwinden, die einem schnellen Fortschritt im Weg stehen. Insbesondere gilt das für den Datenschutz. Wie ist den Risiken zu begegnen, wo liegen die Schwachpunkte eines Systems, in dem viele Akteure Zugriff auf Patientendaten haben? Viele Länder schaffen bereits den notwendigen Rahmen, indem sie die entsprechenden Gesetze auf den Weg bringen und einen patientenorientierten Ansatz für die digitale Gesundheitsversorgung fördern.

 

Andere Länder, andere Sitten

Im Zentrum der Diskussion in Deutschland steht vor allem die elektronische Patientenakte (ePA). Damit sie ihre Optimierungspotenziale entfalten kann, braucht sie ein Maximum an Interoperabilität – also strukturierte Daten in einem einheitlichen Format, die überall eingelesen und verarbeitet werden können. Stoßen grenzenlose Interoperabilität und die damit einhergehende Standardisierung hierzulande eher auf Skepsis, läuft es anderswo genau entgegengesetzt: So drohen in den USA solchen Akteuren, die sich verweigern, sogar empfindliche Strafen.

 

Datenschutz und Datenintegrität sind wichtig, insbesondere im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten und vor allem bei Krankheiten und Gesundheitsversorgung. Doch kann sich eine alternde Gesellschaft wie die unsere kaum leisten, auf die Vorteile eines digitalisierten Systems zu verzichten. Der Patient rückt in den Mittelpunkt und kann mehr Kompetenz im Hinblick auf seine Gesundheit erwerben.

 

Hinzu kommt, dass die Gesellschaft im Durchschnitt immer älter wird – was das System im Ganzen unter Druck setzt. Je größer die Zahl der Leistungsempfänger und je kleiner die Zahl der aktiven Beitragszahler, desto effizienter muss die Gesundheitsversorgung funktionieren.

 

Japans Gesundheitsreform zur Verbesserung des Datenzugangs

Das gilt natürlich nicht nur für Deutschland. Ein weiterer Staat, der sich dieser Herausforderung im besonderen Maß stellen muss, ist das Hochtechnologieland Japan. Die Japaner haben eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung. So lag der Anteil der über 65-Jährigen im Februar 2018 bei 28 Prozent und damit weit über dem im Dezember 2017 für Deutschland ermittelten Wert von 21 Prozent.

 

Japan hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, diese Chancen zu nutzen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur technische Details und die Verbesserung des Angebots, sondern auch die Ermittlung möglicher neuer Wertschöpfungspotenziale und wirtschaftlicher Vorteile dieser Entwicklung.

 

Um besser auf den demografischen Wandel vorbereitet zu sein, hat die japanische Regierung begonnen, ihre medizinischen und pflegerischen Systeme zu modernisieren, indem sie den Zugang zu IT-Lösungen und Daten vereinfacht. Dazu gehört die Einführung des im Mai 2018 in Kraft getretenen Next Generation Medical Foundation Law, welches es ermöglicht, dass Gesundheits- und Pflegedaten, die über verschiedene Leistungserbringer oder Krankheitsbilder verstreut sind, leichter verfügbar und nutzbar werden. Auf diese Weise will die Regierung dafür sorgen, dass die Datenverarbeitung sich am Patientenwohl orientiert und es einfacher machen, zu verstehen, wo und wann medizinische und pflegerische Probleme im Einzelnen auftreten könnten. Die Verfügbarkeit der Daten sollte auch die Gesundheitsdienstleister ermutigen, ihre Ausgaben niedrig zu halten. Nicht zuletzt kann das einfach zugängliche System Forscher und Unternehmen aus dem Ausland anlocken, auch aus Deutschland.

 

Unternehmen als Innovationstreiber

Wie könnte demnach eine Zusammenarbeit mit Partnern aus Deutschland konkret aussehen? Möglich ist sie in vielen Bereichen – vom Technologietransfer über konkrete Kooperationen von Unternehmen, Leistungs-/Kostenträgern, Instituten und Behörden. Auch in der Forschung kann die Zusammenarbeit intensiviert werden. Dabei haben die Japaner natürlich auch ihre eigene Wirtschaftsentwicklung fest im Blick und strukturieren ihren Markt entsprechend neu. Ziel ist unter anderem, internationalen Unternehmen ein optimales Umfeld für deren Aktivitäten zu bieten. Die demografische Entwicklung wird hier als Chance und Gelegenheit zu einer umfassenden Transformation des Gesundheitssektors begriffen – einer, die Unternehmen ebenfalls neue Perspektiven erschließt. So könnte tatsächlich eine Win-win-Situation entstehen, die einerseits für mehr Gesundheit, andererseits auch für mehr Wertschöpfung sorgt.

 

Daher ist die japanische Initiative nicht nur zu begrüßen, sondern in jeder Hinsicht zu nutzen: Die Daten, die von der japanischen Seite angeboten werden, können den entscheidenden Anstoß für den Aufbau der deutschen oder europäischen Variante eines digitalisierten Gesundheitswesens geben. Dazu gehört der Aufbau einer zentralen nationalen Datenbank ebenso wie die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Datennutzung von Forschung und Industrie. Zudem sorgen gezielte Maßnahmen für Datenintegrität und -schutz.

 

Regulatorisches Rahmenwerk

Die richtigen regulatorischen Voraussetzungen ermöglichen eine echte Datensouveränität und können der hierzulande vorherrschenden traditionellen Datensparsamkeit entgegenwirken. Die Japaner haben ein entsprechendes Rahmenwerk geschaffen, das auch jenseits der Insel Aufmerksamkeit verdient. Doch reicht das Spektrum möglicher Zusammenschlüsse und Kooperationen bereits viel weiter. So haben deutsche Unternehmen die Möglichkeit, in Japan zu forschen und sich der dort vorhandenen Daten zu bedienen.

 

Unabhängig des Standorts sollen die einzelnen Kooperationsprojekte letzten Endes nicht nur auf neue Vorsorge- und Behandlungsoptionen beschränkt bleiben, sondern auch lukrative Geschäftsmöglichkeiten erschließen, etwa für innovative Medizinprodukte und digitale Gesundheitsdienste, die den Markt verändern.

 

Wichtig dafür sind aber eben nicht nur der Wille zur Kooperation und die technische Interoperabilität von Systemen, sondern auch und vor allem angepasste regulatorische Voraussetzungen für eine nahtlose Integration von Unternehmen in Deutschland und Japan. Eine solche enge Zusammenarbeit gibt allen Beteiligten die Möglichkeit, von Anfang an die richtigen Weichen zu stellen, indem sie sich auf gemeinsame Standards einigen und von den Erfahrungen ihrer Partner profitieren. Denn alle Initiativen stehen und fallen mit der Menge beziehungsweise Qualität der verfügbaren Daten: Sie sind der Treibstoff im Innovationsmotor – können aber bei rechtlichen Unklarheiten auch schnell zum Sand im Getriebe werden.