Licht und Schatten in der Jahresumfrage des Branchenverbands BVMed unter seinen Mitgliedsunternehmen. Zwei Drittel der teilnehmenden Unternehmen – 108 von 230 BVMed Mitgliedern – erwarten für 2023 ein Umsatzwachstum. Das ist etwas mehr als in den Vorjahren, wo es 61% (2022) bzw. 57% (2021) waren, aber die Umsatzerwartungen liegen immer noch ein ganzes Stück unter denen der Vorpandemiejahre. Einen Umsatzrückgang erwarten 19% der Unternehmen, und 12% sogar einen solchen im zweistelligen Bereich: „Das zeigt, dass sich die einzelnen Produktbereiche der MedTech Branche sehr unterschiedlich entwickeln“, so BVMed Geschäftsführer Marc-Pierre Möll, der die Umfrage jetzt in Berlin vorstellte.
Im Durchschnitt liegt der erwartete Umsatzanstieg für 2023 bei 3,3%, nach 3,0% im Vorjahr. Für 2024 ist ein gewisser Optimismus erkennbar: Es wird mit durchschnittlich 4,8% Umsatzwachstum gerechnet, was im langjährigen Mittel läge. Was die Zahlen allerdings auch zeigten, sei, dass kleine und mittelgroße Unternehmen bei ihren Prognosen deutlich verhaltener sind als Großunternehmen. Was die Gewinnsituation angeht, rechnen 20% mit mehr, 31% mit unveränderten und immerhin 49% für 2023 mit niedrigeren Gewinnen als im Vorjahr. Das sei vor allem auf gestiegene Logistik-, Rohstoff- und Energiepreise sowie auf eine Zunahme bei den Personalkosten zurückzuführen, so Möll.
USA laufen Europa den Rang ab
Als Umsatzhürden wahrgenommen werden vor allem der zunehmende bürokratische Aufwand und die Umsetzung der europäischen Medizinprodukterichtlinie (MDR). Jeweils rund zwei Drittel der Unternehmen geben das an. Diese Themen rangieren auf der Liste der Branchenbremsklötze damit deutlich vor dem Fachkräftemangel. Was Investitionen in deutsche Standorte angeht, herrscht Abwarten. Ein Viertel will mehr investieren als im Vorjahr, genauso viele aber auch weniger. Bei den Forschungsausgaben wollen immerhin 20% der Unternehmen reduzieren.
Massiv unzufrieden ist die Branche mit der Entwicklung der europäischen Regulierungssituation. Europa galt lange Zeit als der Kontinent, auf dem medizintechnische Innovationen zuerst ankamen. Damit ist es seit der MDR vorbei. Mittlerweile wird das US-Zulassungswesen als deutlich attraktiver empfunden: 53% geben an, dass das FDA-System das System mit den besten Zulassungsbedingungen sei, nur 12% nennen Europa und die MDR, 35% sind gegenüber beiden Regulationssystemen kritisch. „Selbst die Schweiz orientiert sich Richtung USA und akzeptiert jetzt auch FDA-Zulassungen. Das wäre vor drei Jahren noch undenkbar gewesen“, sagte BVMed-Vorstand Meinhard Lugan.
„Brauchen eine MedTech Strategie 2030“
Insgesamt wird das Innovationsklima in der deutschen MedTech-Branche derzeit als sehr schlecht wahrgenommen. Der Innovationsklimaindex, eine Skala von 0 bis 10, erreicht 2023 nur 3,5 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit Einführung des Indexes im Jahr 2012.
Angesichts der Schwierigkeiten der europäischen MedTech Branche forderte Lugan und fordert der BVMed eine MedTech Strategie 2030. Diese müsse auf eine wettbewerbsfähigere Regulatorik zielen, wobei dem Verband hier u.a. die derzeit alle fünf Jahre nötige Rezertifizierung ein Dorn im Auge ist: „Das ist ein sinnloser Papiertiger“, so Lugan. Wichtig sei außerdem ein besserer Zugang zu digitalen Versorgungsdaten, eine Entbürokratisierungsoffensive sowie ein stärkeres „Mitdenken“ der Medizintechnik bei gesundheitspolitischen Initiativen, speziell Krankenhausreform und Digital-Gesetz.
Was die Hilfsmittelversorgung angeht, spricht sich der BVMed für Reformen aus. Diese müssten auf Versorgungsqualität, Bürokratieabbau und Digitalisierung zielen. „Wir sind für Rahmenverträge, aber ganz klar gegen eine Wiedereinführung von Ausschreibungen, wie sie vom GKV SV gefordert werden. Das ging schon einmal zulasten der Versorgung. Wir sollten die Fehler der Vergangenheit nicht einfach wiederholen.“