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Vernetzung |

Bundestag verabschiedet Digitale Versorgung Gesetz

Der Bundestag hat heute mit der Mehrheit der Koalitionsstimmen das Digitale Versorgung Gesetz (DVG) beschlossen.

Rede von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag am 7. November 2019; Quelle: twitter.com/BMG_Bund

Auch wenn am Wochenende die Wellen noch einmal hochschlugen: Der Bundestag hat heute das Digitale Versorgung Gesetz (DVG) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verabschiedet. Das Gesetz soll im Januar 2020 in Kraft treten.

 

Parteipolitische Stimmen

Zustimmende Worte dafür erhielt Spahn aus den eigenen Reihen: Der Bundestagsabgeordnete und zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge, lobte das DVG als „großen Schritt für eine moderne Gesundheitsversorgung, den wir trotz starken Gegenwinds gemacht haben“. Gleichzeitig machte Sorge klar: „Nach dem DVG ist vor dem DVG.“ So hätte er sich bei der Einbindung der Gesundheitswirtschaft in das neue Forschungsdatenzentrum ein stärkeres Entgegenkommen des Koalitionspartners SPD gewünscht: „Die Gesundheitswirtschaft ist mit Abstand die treibende Kraft der medizinischen Forschung in Deutschland. Ihr den Zugang zu Forschungsdaten zu verwehren, wäre an der Realität unseres Wissenschafts- und Forschungsstandortes vorbei gedacht.“ Für Sorge sei das darum „definitiv ein Thema für das DVG II“.

 

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut, Berichterstatter für Telemedizin und E-Health machte klar: „Das DVG ist ein ordentlicher Schub für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die Bedenken über den Datenschutz, die in den vergangenen Tagen laut wurden, konnte die Koalition ausräumen. Wir haben klargestellt, dass die Krankenkassen ihre Abrechnungsdaten pseudonymisiert an den GKV-Spitzenverband liefern. Dieser leitet die Daten weiter an das Forschungsdatenzentrum beim BfArM. Von dort werden die Daten anonymisiert und aggregiert an gesetzlich klar definierte Forschungseinrichtungen wie Hochschulen, Unikliniken oder Instituten wie dem IQWiG weitergereicht.“

 

Verbände begrüßen DVG und fordern weitere Schritte

Auch Verbändevertreter kommentierten die Gesetzesverabschiedung. So erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg: „Das Digitale-Versorgung-Gesetz bedeutet den Durchbruch für die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Es enthält die richtigen Maßnahmen, damit digitale Angebote wie Gesundheits-Apps auf Rezept oder Online-Sprechstunden schon bald für alle Patienten verfügbar sind. Digitale Technologien bieten enorme Chancen, um Patienten eine leistungsfähigere medizinische Versorgung und letztlich mehr Lebensqualität zu bieten - und gleichzeitig Ärzte und andere Leistungserbringer zu entlasten.

Das Gesundheitssystem wird nun endlich in die Lage versetzt, den längst überfälligen Schritt ins 21. Jahrhundert zu vollziehen. Doch es sind noch mehr Anstrengungen nötig, um wirklich alle Hürden auszuräumen: Noch immer setzen viele Ärzte etwa beim Versenden von Arztbriefen auf das Fax, was weniger sicher ist und einen immensen Verwaltungsaufwand bedeutet. Die Vergütung hierfür sollte nicht nur reduziert, sondern komplett abgeschafft werden. Gleichzeitig brauchen wir noch mehr Anreize für die Nutzung sicherer digitaler Kommunikationssysteme. Hier raten wir, auf etablierte, internationale Standards zu setzen statt eigene Verfahren zu entwickeln, die das deutsche Gesundheitswesen von internationalen Entwicklungen entkoppeln.

Die Nutzung pseudonymisierter Gesundheitsdaten von Versicherten wird zu einem medizinischen Fortschritt führen, von dem Millionen Menschen profitieren können. Allerdings wird diese Regelung ihren vollen Nutzen nur entfalten, wenn die Gesundheitsdaten auch für die private Forschung, sowie für die Hersteller von Medikamenten und Gesundheitsanwendungen verfügbar gemacht werden. Durch die Pseudonymisierung gelingt es, die Daten der Patienten zu schützen und ihnen dennoch neue, auf ihren Bedarf abgestimmte medizinische Leistungen anbieten zu können. Riesiges Potenzial liegt dabei im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Hier arbeiten Unternehmen und Startups aktuell mit Hochdruck an neuen Methoden auf Basis pseudonymisierter Gesundheitsdaten. Dabei muss ein höchstmögliches Maß an Sicherheit sowohl bei der Übermittlung der Daten als auch bei ihrer Verwaltung im künftigen Forschungsdatenzentrum garantiert werden. Das Forschungsdatenzentrum muss in diesem Punkt höchsten Ansprüchen genügen.

Wir erwarten jetzt, dass das Digitale-Versorgung-Gesetz weiterentwickelt, sowie pragmatisch und patientenorientiert umgesetzt wird. Danach steht als nächstes wichtiges Projekt die Einführung der elektronischen Patientenakte an, um das Gesundheitssystem Deutschlands auf dem nun eingeschlagenen Weg weiter voranzubringen“, so Berg.

 

Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, bewertet die Gesetzesinitiative insgesamt positiv. „Wir sehen im DVG viele gute Ansätze, um einen schnelleren und niedrigschwelligen Weg von digitalen Lösungen in die Regelversorgung zu gewährleisten und damit die Patientenversorgung und die Versorgungsprozesse zu verbessern“, kommentiert BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Das DVG sei aber nur ein erster Schritt. „Die guten Ansätze müssen jetzt rasch erweitert werden - beispielsweise um eine bessere Unterstützung telemedizinischer Lösungen und eine Ausweitung auf die Medizinprodukte-Klassen IIb und III vor“, so der BVMed. Das DVG sieht in den neuen Paragraphen §33a und § 139e SGB V ein Fast-Track-Verfahren für den Zugang von digitalen Gesundheitsanwendungen („DiGA“) in die Gesundheitsversorgung vor. Bei einer digitalen Gesundheitsanwendung, die nach Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in das Verzeichnis nach § 139e SGB V aufgenommen werden kann, handelt es sich um ein Medizinprodukt, das nach der der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung einer niedrigen Risikoklasse (Klasse I oder IIa) zuzuordnen ist.

Die MDR regelt nach Ansicht des BVMed ein sehr hohes Niveau der Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten. Mit der CE-Kennzeichnung sind damit die ersten Kriterien für die Aufnahme von digitalen Gesundheitsanwendungen in das BfArM-Verzeichnis erfüllt. Hinzu kommen Anforderungen an Datensicherheit, Datenschutz und Barrierefreiheit von digitalen Gesundheitsanwendungen. Zusätzlich etabliert der Gesetzgeber im § 139e SGB V den neuen Begriff „Positive Versorgungseffekte“, der sich aus medizinischem Nutzen oder Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der gesundheitlichen Versorgung ergeben kann.

Das Nähere zu den erforderlichen Nachweisen wird das Bundesgesundheitsministerium in einer Rechtsverordnung regeln. Aus Sicht des BVMed besteht die besondere Herausforderung darin, „dass für digitale Gesundheitsanwendungen neue Evaluationskonzepte entwickelt werden müssen, die den besonderen Eigenschaften von digitalen Gesundheitsanwendungen wie Agilität und schnellere Lebenszyklen gerecht werden“, so Möll.

Zudem sollte aus Sicht des MedTech-Verbandes auch mitbedacht werden, dass das BfArM entsprechende Kriterien zur Überprüfung der positiven Versorgungseffekte benötigt, die die Aufnahme- und Bestätigungs-Prozesse in zügiger Form möglich machen, damit kein „Antragsstau“ entsteht.

 

Quellen: Pressemitteilungen von Bundesregierung, Tino Sorge, Dirk Heidenblut, Bitkom, BVMed