Nachdem im Herbst 2022 die damaligen Rollout-Pläne für das E-Rezept gestoppt wurden, weil sich Datenschützer kritisch zu einer (an sich nicht vorgesehenen) E-Mail-Übertragung des E-Rezept-Barcodes von den Arztpraxen an die Apotheken geäußert hatten, ging die für die E-Rezept-Spezifikation verantwortliche gematik in die Revision. Der ohnehin als Option existierende, „dritte Weg“ einer E-Rezept-Übermittlung unter Nutzung der eGK als Identifikations-, nicht Überträgermedium, wurde ausspezifiziert. Und politisch wurde mit Anfang 2024 ein neuer Termin für den E-Rezept-Rollout festgesetzt.
Neben einem Ausdruck des Barcodes, der den Ablageort des E-Rezepts auf dem E-Rezept-Server der gematik codiert, kann das E-Rezept künftig auch ohne Ausdruck einfach dadurch eingelöst werden, dass der Patient nach Rezeptausstellung seine eGK in einer beliebigen Apotheke vorlegt. Dabei wird die Krankenversichertennummer von der Karte in der Apotheke ausgelsen und ein „Proof-of-Patient-Presence“ durchgeführt, die Karte muss also gesteckt werden. Erhalten bleibt außerdem die bisher kaum genutzte Option der E-Rezept-App der gematik. Sie funktioniert etwas anders, dort wird in der App ein Schlüssel für den Abruf hinterlegt. Die App ermöglicht eine Weiterleitung an beliebige Apotheken sowie komfortable Anfragen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Medikamenten bzw. Vorbestellungen ermöglicht.
Nutzungsempfehlung schon im Oktober?
Für die E-Rezept-Übertragung per eGK waren schon zu Beginn des Jahres Praxistests ab Sommer 2023 angekündigt worden. Das scheint zu klappen: Zum ersten Juli werde man mit so genannten Cluster-Tests starten, sagte Jakob Scholz, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter IT bei der KV Westfalen-Lippe, im Gespräch mit E-HEALTH-COM. Diese Cluster-Tests – es wird voraussichtlich zwei bis drei Cluster geben – beinhalten Arztpraxen, die E-Rezepte ausstellen und in deren Umfeld möglichst alle Apotheken diese auch über die eGK abrufen können. „So wollen wir Frust auf Seiten der Praxen und Patienten minimieren“, so Scholz.
Bei den Tests wird es vor allem um die Einlösung in den Apotheken gehen, also um die Funktion der Apothekenverwaltungssysteme (AVS) und damit einhergehend die benötigte AVS-Funktion der Validierung der eGK bei den Systemen der Krankenkassen (VSDM++). Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Einführung ist eine möglichst minimale Rückläuferquote. Sei die gewährleistet und funktioniere auch sonst alles optimal, dann plane die KVWL, ab dem 1. Oktober 2023 den Ärzten im KV-Bezirk die Nutzung des E-Rezepts zu empfehlen – drei Monate bevor es dann Anfang 2024 ohnehin verpflichtend wird.
Praxisthemen in den Praxen wurden adressiert
An den Prozessen in den Arztpraxen sei in den letzten Monaten noch einmal nachgeschärft worden, berichtete Scholz. Die KVWL hat im Rahmen eines Reifegradprozesses im Rollout für Praxisverwaltungssysteme (PVS) insgesamt mehr als zehn „Kernthemen“ definiert, die das PVS leisten können muss bzw. die nicht mehr auftreten dürfen. Diese zehn Kernthemen würden derzeit von 13 PVS erfüllt. Das reicht für die Cluster-Tests, aber natürlich sollten für den anschließenden Rollout möglichst alle circa 145 PVS entsprechend vorbereitet sein.
Eines dieser Kernthemen war eine funktionierende Komfort-Signatur, bei der bis zu 250 Signaturen für maximal 24 Stunden freigeschaltet werden, sodass die Ärzt:innen dann ohne erneute PIN-Eingaben die Rezepte absignieren können. Performance insgesamt war ein wichtiges Thema: „Anfangs dauerte das Signieren und Versenden oft viel zu lange“, so Scholz. Auch an einer Sammelmappe wurde intensiv gearbeitet. Dort werden ausgestellte E-Rezepte gesammelt, und dort können sie – zumindest in den 13 „reifen“ PVS-System – auch signiert werden. Das ist ein Vorteil, denn dann müssen die Ärzt:innen für die Rezeptsignatur nicht noch einmal die individuelle Patientenkarte öffnen.
Offene Baustellen Pflegeheim und Telemedizin
Nur begrenzt hilfreich sein wird der eGK-Weg der E-Rezept-Übertragung für die Rezeptierung im Zusammenhang mit Pflegeheimen. Ein Charme der damaligen E-Mail-Lösung war, dass sie es Arztpraxen ermöglicht hätte, E-Rezepte für Pflegeheimpatient:innen einfach an die zuständige Apotheke zu leiten, auch ohne vor Ort zu sein und die eGK eingelesen haben zu müssen. Dieses Szenario ist allerdings bisher gesetzlich nur dann zulässig, wenn ein Pflegeheim eine heimversorgende Apotheke beauftraget oder wenn es um Zytostatika-Zubereitungen geht.
„Wir wollen in diesem Szenario stark auf KIM setzen“, so Scholz. KIM würde nicht nur die sichere Übertragung des E-Rezepts an die Apotheke ermöglichen, sondern auch eine Übertragung von Rezeptanforderungen aus dem Pflegeheim an die Arztpraxen – sofern die Pflegeheime an die TI angeschlossen und über einen KIM-Dienst verfügen, was in der Breite noch nicht der Fall ist. „Wenn das so kommt, dann wäre das nicht nur für die Praxen ein großer Mehrwert“, ist sich Scholz sicher. „Uns wird immer wieder gesagt, dass ein funktionierendes E-Rezept in der Heimversorgung zu enormen Zeitgewinnen führen würde.“ Ein bisschen Arbeit ist dabei noch nötig: KIM-Klärfälle sollen voraussichtlich im Laufe des Jahres verfügbar sein. Sie eröffnen einen nicht telefonischen Weg für Rückfragen und Vorschläge zur Korrektur an Verordnungen.
In Sachen Telemedizin hilft der Übertragungsweg per eGK ebenfalls nicht weiter. Hier dürfte es entweder auf die Nutzung der E-Rezept-App hinauslaufen oder aber, für die erste Zeit wahrscheinlicher, auf eine Übermittlung des E-Rezept-Barcodes an die telemedizinisch versorgten Patient:innen, die das E-Rezept dann, wo auch immer, einlösen können. Einige Telemedizinplattformen wollen hier erst einmal mit PDF-Dokumenten arbeiten, aber das letzte Wort dürfte das noch nicht sein.
Beyond E-Rezept: Modellregion Hamburg in den Startlöchern
Insgesamt gibt Scholz dem Kooperationsprozess zwischen KV-System und gematik in Sachen E-Rezept sehr gute Noten. „Das war alles sehr nah an der Versorgung. Die gematik hat ihre Rolle gut erfüllt. Sie hat Probleme, die aufgetreten sind, hautnah mitbekommen, und die wurden dann auch gemeinsam angegangen und gelöst.“
Könnte das Prozedere ein Modell weitere Digitalisierungsschritte im TI-Kontext sein, für das Mammutprojekt Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den Arztpraxen oder auch, aktueller, die Einführung des TI-Messengers? Prinzipiell würde Scholz das bejahen. Er betont aber auch, dass KVen und Apothekerkammern sich beim E-Rezept sehr intensiv eingebracht haben: „Unsere originäre Rolle ist das nicht.“
Die Situation künftig ist insofern eine andere, da mittlerweile eine Modellregion ausgeschrieben und an Hamburg vergeben wurde. Deren erste Bewährungsprobe wird die Einführung des TI-Messenger sein, mit der es noch in diesem Jahr losgehen soll. „Seitens der KVWL stehen wir auch weiterhin für Community-Workshops und Praxistests in kleinen Settings zur Verfügung“, betont Scholz.