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Das E-Rezept: Krabbelt es schon?

Noch nicht ganz glücklich mit dem geplanten E-Rezept ist die Apothekervereinigung ABDA. Andere loben den geplanten Pragmatismus – trotz DIN-A4-Bögen.

Quelle: © elizaliv – stock.adobe.com

Wer den Chef der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, nach seinen Erwartungen ans E-Rezept befragt, der erhält eine etwas nüchterne Antwort: „Das ist wieder eine Anwendung, die im Wesentlichen ein Verwaltungsakt ist. Aus ärztlicher Sicht hat sie keinen richtigen Mehrwert. Das heißt, die Mindestanforderung ist, dass es total reibungslos läuft. Wir müssen sicherstellen, dass das unspürbar ist.“

 

Das E-Rezept bringt viele Vorteile für die Apotheker

Wie realistisch diese Erwartung ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass das E-Rezept mittlerweile ganz offiziell in Berlin und Brandenburg getestet wird, und dass es ab Januar 2022 verpflichtend sein soll. Zeit wurde es, sagte Ralf Königs vom Health Innovation Hub bei dessen Bilanz-Symposium im Berliner Futurium nach bald drei Jahren (harter) Arbeit: „Deutschland ist mit dem E-Rezept seit 18 Jahren schwanger gegangen. Jetzt wurde die Nabelschnur getrennt, und das E-Rezept krabbelt.“

 

ABDA-Chefin Gabriele Overwiening beurteilt die Entwicklungsphase etwas weniger euphorisch: Aus ihrer Sicht sei das Kind auf einem guten Entwicklungspfad, befinde sich aber noch in der Austreibungsphase: „Krabbelfähig ist das noch nicht.“ Grundsätzlich begrüßte Overwiening das E-Rezept allerdings uneingeschränkt, unter anderem weil es in den Apotheken die Prozesse verschlanke, teilweise Retaxationssicherheit bringe und Vorbestellungen ermögliche. Dass das E-Rezept in Teilen der Apothekerschaft trotzdem Reputationsprobleme habe, liege an der (auch durch ABDA-Kommunikation verursachten, die Redaktion) falschen Gleichsetzung von Digitalisierung mit Versandhandel.

 

ABDA: Vorsicht im Fahrstuhl

Bei aller positiver Grundstimmung skeptisch zeigte sich die Apotheken-Chefin in Bezug auf die geplante Umsetzung ab Jahresbeginn. Um die gematik-App, die hoheitliche Staats-App für das E-Rezept, nutzen zu können, brauchen die Versicherten ein NFC-fähiges Handy, eine NFC-fähige Gesundheitskarte und die dazu passende PIN. Dies heiße, dass zu Beginn maximal 10 Prozent aller Versicherten ein E-Rezept auf diesem Weg entgegennehmen könnten, so Overwiening. Es soll deswegen in einer Übergangsphase kreative, semidigitale Umgehungskreisläufe geben, bei denen der 2D-Barcode des – voraussichtlich von den meisten Arztpraxen auf DIN-A4 ausgedruckten – Verordnungsscheins auf noch nicht näher geklärte Weise abfotografiert oder gescannt wird, um damit zum Beispiel die Bestellung in einer Versandapotheke zu ermöglichen.

 

Overwiening sieht das ausgesprochen kritisch, unter anderem weil sie befürchtet, dass das Rezept von Unbefugten „im Fahrstuhl“ heimlich abfotografiert – und dann fälschlich eingelöst – werden könnte. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass auf der einen Seite immenser Aufwand betrieben werde, um bei der gematik-App dem Datenschutz Rechnung zu tragen und andererseits „jeder Foto-Anwendung auf dem Handy“ die Möglichkeit gegeben werde, „diese persönlichen Daten in die Welt hinauszuposaunen.“ Die Übergangslösungen „motivieren Patienten dazu, leichtfertig mit den schützenswerten Daten umzugehen. Das kann ich nicht gutheißen“, so die ABDA-Chefin.

 

Es geht nicht um Rezepte, es geht um Plattformen

Gegenfrage Walter Oberhänsli, CEO von Zur Rose, dem führenden Arzneimittelverssender in Europa: „Warum nicht?“ Oberhänsli sieht die Pläne für den Big Bang des deutschen E-Rezepts im Januar positiv. Die geplanten, niedrigschwelligen Lösungen hält er für eine „sehr pragmatische Lösung“, solange die Identifikationsthematik noch nicht für alle gelöst sei. So werde ein Einlösen des E-Rezepts sowohl in der Offizin- als auch in der Versandapotheke ermöglicht. „Es geht nicht um Versand versus stationär“, so Oberhänsli. Vielmehr gehe es darum, dass Plattformen entstehen, die unterschiedliche Akteure verknüpften und Mehrwert für die Patienten generierten. Oberhänslis Plädoyer: „Lassen Sie uns dieses Feld gemeinsam bestellen und es nicht Playern überlassen, die wirklich niemand will.“

 

Oberhänsli wiedersprach auch Ärztepräsident Reinhardt im Hinblick darauf, dass Ärzt:innen keinen Nutzen vom E-Rezept hätten. Die Erfahrungen in der Schweiz seien andere, die Ärzt:innen sähen dort mehrheitlich auch für sich Vorteile des E-Rezepts, unter anderem weil es eine Interaktionskontrolle erlaube, die Prozesse in der Praxis verbessere und Rückmeldungen gebe, wenn das Rezept eingelöst wurde. Den Hauptvorteil hätten allerdings die Patient:innen, die dank E-Rezept auch bei den rezeptpflichtigen Medikamenten die Wahl bekämen, wie und wo sie ihre Medikamente erwerben. Der Zur Rose-Chef schätzt, dass auch ohne monetäre Anreize etwa 10 Prozent der rezeptpflichtigen Medikamente künftig versandt werden. Das sei zumindest die Erfahrung aus Schweden, wo es – ähnlich wie in Deutschland – ein Festpreissystem gibt.