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Medizin |

Diabetes-Experten fordern digitales Diabetes-Präventionszentrum

© Maksim Kabakou

Das Deutsche Zentrum für Diabetes-Forschung und die Deutsche Diabetes-Gesellschaft wollen Big Data nutzen, um gegen die Volkskrankheit Diabetes anzugehen. Daten aus möglichst vielen Quellen sollen integriert werden.

 

Nach Angaben der Deutschen Diabeteshilfe e.V. leben aktuell 6 Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland. In den letzten Jahren sind die Zahlen stark angestiegen: 1998 gab es noch 38 Prozent weniger Erkrankte. Mehr als 90 Prozent der Betroffenen leiden an Typ-2-Diabetes. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und das Helmholtz Zentrum München sind der Meinung, dass mehr für die Prävention und die Entwicklung neuer, moderner Versorgungsformen getan werden muss und fordern ein digitales Diabetes-Präventionszentrum (DDPC).

 

Mustererkennung für bessere Klassifizierung und individuelle Prävention

Das Zentrum soll vorhandene Gesundheits- und Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen sammeln, ordnen und mittels moderner IT-Technologien analysieren, erklärt Prof. Dr. Martin Hrabě de Angelis, Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und Full Professor and Chair of Experimental Genetics,Technical University Munich. Die mathematische und informationstechnische Expertise soll das Helmholtz Zentrum München einbringen. „Wir erhoffen uns dadurch neue Einsichten, zum Beispiel das Erkennen von Mustern, die man ohne die Auswertung großer Datenmengen derzeit nicht erkennen kann“, so der Wissenschaftler Das hätte möglicherweise eine stärkere Subklassifizierung von Diabetikern oder auch von Prädiabetikern zur Folge, für die dann individualisierte Therapie- und Präventionsansätze erarbeitet werden könnten.

 

De Angelis: „Wir wollen ein Präventionszentrum einrichten, bei dem es um verschiedene Aspekte der Prävention geht. Einmal soll verhindert werden, dass Prädiabetiker, überhaupt in den Typ-2-Diabetes rutscht. Es sollen aber auch Komplikationen, die bei Diabetes auftreten, wie Neuropathien oder kardiovaskuläre Probleme vermieden werden.“ Es gäbe jedoch viele Patienten, die diese Komplikationen nicht entwickeln. Durch die Auswertung von Gesundheitsdaten könnten Forscher herausfinden, woran das liegt, so de Angelis Hoffnung. „Doch dazu brauchen wir große Datenmengen und zwar nicht nur die von Betroffenen oder Personen, die kurz davor sind, an Diabetes zu erkranken, sondern auch von ganz gesunden Menschen.“ Für eine ausreichende Validierung reichen die derzeit verfügbaren Informationen schlicht nicht aus.

 

Mehrstufiges Lifestyle-Tracking, um Risikogruppen zu identifizieren

Um eine ausreichende Datenmenge zu erhalten, müsste das Präventionszentrum Informationen aus unterschiedlichen Quellen erhalten. Daten von Krankenkassen, Patienten, Ärzten oder Krankenhäusern wären natürlich wichtig. Auch Informationen zu Umwelteinflüssen sind für die Forscher von Interesse, aber auch andere Datenquellen würden in die Analysen einfließen. „Eine Idee ist, dass man von vielen Menschen – das können sogar Millionen sein – eine limitierte Zahl von Parametern untersucht wird. Dazu gehören beispielsweise Bewegungstracking, oder Ernährungstracking. Sollten zum Beispiel Auffälligkeiten auftreten, könnten man bei kleineren Gruppen in die Tiefe gehen und beispielsweise metabolische Profile, Transkriptionsprofile oder Proteinprofile erstellen“, sagt de Angelis.

 

Dass das Projekt nicht ohne finanzielle Unterstützung durch die Politik durchführbar ist, ist offensichtlich. De Angelis rechnet mit etwa 80 Millionen Euro Kosten pro Jahr. Angesichts der Tatsache, dass jährlich durch Diabetes und seine Folgekrankheiten Kosten von rund 35 Milliarden Euro für Behandlung, Pflege, Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung entstehen, dürfte sich eine Investition auch aus Regierungssicht lohnen.

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM