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Medizin |

Die große DiGA-(Zwischen-)Bilanz

Wie viele DiGA wurden schon verordnet? Welche Nutzennachweise gibt es? Welche Indikationen sind die beliebtesten? Antworten auf diese und andere Fragen gab es jetzt in Berlin.

Quelle: © Production Perig – stock.adobe.com

Die scheidende Bundesregierung hat in Sachen digitales Gesundheitswesen eine Menge auf den Weg gebracht. Eine der eindrucksvollsten, weil fundamentalsten Neuerungen war die Einführung der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) als komplett neue Leistungsklasse der GKV mit einem komplett neuen, beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelten Nutzenbewertungsverfahren. Bei einem großen Symposium des Health Innovation Hub des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in Berlin wurde mit viel aktuellem Zahlenmaterial eine umfangreiche DiGA-Zwischenbilanz gezogen.

 

Acht von zehn Anträge setzen auf randomisierte Studien

Einen Überblick über die bisherigen DiGA-Anträge gab Dr. Wiebke Löbker, Leiterin des BfArM-Innovationsbüros. Insgesamt gab es demnach bisher 89 Anträge auf Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis, davon 64 zur vorläufigen und 25 zur dauerhaften Aufnahme. Am häufigsten sind Anträge zu DiGA im Bereich kognitive Verhaltenstherapie. Das waren allein 26. Im Bereich Bewegungstherapie waren 7 Anträge angesiedelt, im Bereich Nachsorge 6. Die übrigen 50 Anträge decken ohne besondere Clusterung andere Themenbereiche ab. 46 der 89 Anträge bezogen sich auf Apps, 25 auf reine Web-Anwendungen und 14 auf kombinierte Lösungen aus App und Web-Anwendung. Außerdem gab es Anträge für VR-Brillen-Applikationen und einen Antrag für eine Windows-Desktop-Applikation. Zusätzliche Hardware war bei 23 der beantragten Anwendungen nötig.

 

Was die von den Herstellern gewählten Methoden zur Evidenzgenerierung angeht, stehen randomisierte Studien klar im Vordergrund: Bei 79 Prozent der Anträge wurde dieses Mittel gewählt, nur das restliche Fünftel setzte auf andere Evidenzformen wie intraindividuelle Vergleiche, Registerstudien mit Matching oder retrospektive Kohortenstudien.

 

Fast immer wird auf medizinischen Nutzen plädiert

Und der Erfolg? Unterschiedlich. Derzeit sind 20 DiGA im DiGA-Verzeichnis, hatten also Erfolg mit ihrem Antrag. Weitere 23 sind derzeit noch in Prüfung. 4 Anträge wurden abgelehnt, und bei 42 Anträgen zog der jeweilige Hersteller selbst zurück. Einige „Rückzieher“, insgesamt 15, haben ihren Antrag in modifizierter Form erneut eingereicht und waren damit dann teilweise auch erfolgreich. Gründe für Ablehnung bzw. Rückzug waren überwiegend Limitationen bei der Evidenz, außerdem systematische Mängel bei der Datenauswertung wie zu geringe Probandenzahlen, ungeeignete Endpunkte oder zu kurze Beobachtungszeiträume.

 

Dr. Wolfgang Lauer, Leiter der Abteilung Medizinprodukte beim BfArM, stellte die 20 gelisteten DiGA im Detail vor. 15 davon sind vorläufig, 5 dauerhaft gelistet. Alle setzen bei der Evidenz auf randomisierte Studien. 19 der 20 DiGA haben einen medizinischen Nutzen in Anspruch genommen, 6 von 20 eine patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung. Insgesamt seien bisher rund 20.000 DiGA von den Ärzt:innen verordnet worden, sagte Julia Hagen vom Health Innovation Hub. Das sei aber nur eine Schätzung, da die genauen Zahlen von den Krankenkassen erst mit Verzögerung ausgewertet werden könnten.

 

Seitens der Krankenkassen berichtete Christina Bernards von der SBK, dass mittlerweile zwei von drei DiGA bei den SBK-Versicherten ärztlich verordnet würden, nur noch bei einer von dreien werde die alternativ mögliche Krankenkassen-Verordnung genutzt. Diese Quote habe anfangs bei 50 Prozent gelegen. Bei einer Million Versicherten hat die SBK bisher 770 DiGA-Codes ausgegeben, am häufigsten in den Bereichen Tinnitus, Hormone/Stoffwechsel, Muskel-/Skelett-Erkrankungen und Psychotherapie. „Eine Häufung in besonderen Kategorien sehen wir nicht“, so Bernards.

 

Wann kommt die Entlass-DiGA?

Schwierigkeiten sieht Bernards bei einigen neueren DiGA, für die es explizite Kontraindikationen. Dies könne eine Krankenkasse nicht ohne Weiteres zeitnah überprüfen, solange die Versorgungsdaten die Kassen so verzögert erreichen, wie sie das derzeit tun. Hier sei denkbar, dass der Zugang zu den entsprechenden DiGA auf den ärztlichen Verordnungsweg beschränkt werde. Bernards wünscht sich außerdem eine bessere Verknüpfung mit ambulanten und auch stationären Versorgungsstrukturen: „Wir sollten kein weiteres Silo aufmachen.“ Dies betrifft unter anderem das Thema DiGA im Rahmen des Entlassmanagements. Hier gebe es einen klaren gesetzlichen Auftrag, so Julia Hagen, der aber trotz seither dreier Anpassungen des Rahmenvertrags bisher nicht umgesetzt wurde.

 

BfArM-Präsident Prof. Dr. Karl Broich betonte, dass sich seine Behörde auch weiterhin als aktiver Partner beim Thema DiGA und bald auch bei den im DVPMG angelegten, digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) sehe. Bei den DiGA gehe es aktuell darum, die Schnittstellen zur elektronischen Patientenakte zu schaffen und bessere Interoperabilität sicherzustellen. Dazu werde am BfArM sowohl auf technischer als auch auf semantischer Ebene an Klassifikationssystemen gearbeitet. „Das BfArM wird eine der wichtigen digitalen Gesundheitsbehörden sein“, so Broich, „das ist unsere Vision, die wir weiter umsetzen wollen.“