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Medizin |

Die Kardiologie schlägt zurück

Scharfe Kritik an der vorläufigen Nutzenbewertung des IQWiG zum implantatbasierten Telemonitoring: Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie beharrt darauf, dass engmaschige Fernüberwachung Leben retten kann.

 

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte – wie berichtet – Ende Juli eine vorläufige Nutzenbewertung zum Telemonitoring mithilfe von Kardioimplantaten, in erster Linie ICD- und CRT-Systemen – veröffentlicht. Die Quintessenz dieses Dokuments lautete, dass es keinerlei Hinweise gebe, dass das implantatbasierte Telemonitoring besser oder schlechter sei als eine normale Versorgung ohne Fernüberwachung.

 

Sollte sich diese Einschätzung im endgültigen Bericht wiederfinden, wäre es eine Zementierung des Status quo. Das IQWiG-Urteil fällt gut genug, um die existierende EBM-Ziffer für die Fernabfrage in regulären Nachsorgeintervallen zu rechtfertigen. Es wäre aber nicht nötig, bessere Erstattungsbedingungen für ein engmaschigeres Telemonitoring zu schaffen.


Nachanalyse ergibt ein anderes Bild

Das sieht die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie völlig anders. Die DGK-Experten plädieren dafür, in der Studienauswertung nicht alle verfügbaren Studien über einen Kamm zu scheren, sondern streng zwischen der reinen Fernabfrage und einem engmaschigen, durch Algorithmen hinterlegten Telemonitoring zu unterscheiden. Außerdem sollte der DGK zufolge die Effektivität des Telemonitorings in erster Linie über den Endpunkt Gesamtmortalität gemessen werden, nicht über den weicheren, fehleranfälligeren Endpunkt der kardiovaskulären oder herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen.

 

Unter diesen Prämissen haben sich die DGK-Autoren die Daten noch einmal vorgenommen. Sie haben fünf Studien (ECOST, IN-TIME, REDUCEhf, TELECART und TRUST) identifiziert, die sowohl Daten zur Sterblichkeit lieferten, als auch eine engmaschige Überwachung beinhalteten und die außerdem mit klaren Therapiealgorithmen arbeiteten. Einbezogen wurde auch noch die britische Großstudie REM-HF, die das IQWiG noch nicht berücksichtigt hatte, da sie im Juli noch nicht publiziert war.

 

Wurde die metaanalytische Auswertung nun auf diese sechs Studien beschränkt, so zeigte sich im Endpunkt „Gesamtmortalität“ eine signifikante, knapp 20%ige Verringerung durch das Telemonitoring im Vergleich zu Standardversorgung. Bei der kardiovaskulären Mortalität waren es ebenfalls signifikante knapp 22%. In den Studien anderen Studien ohne engmaschige Übertragung kompletter Daten-Downloads bzw. ohne klare Therapiealgorithmen gab es dagegen keinen signifikanten Unterschied zur Standardversorgung.

 

Was passiert, wenn jemand klagt?

Könnte eine gesundheitspolitische Blockade des implantatgestützten Telemonitorings im deutschen Gesundheitswesen auch juristische Folgen haben? Die DGK will das nicht ausschließen. In ihrer Stellungnahme diskutiert sie den Fall, dass ein Hinterbliebener eines Patienten klagen könnte, weil dem verstorbenen Angehörigen eine verfügbare Methode vorenthalten wurde, die den Tod hätte verhindern können: „Es wird im Einzelfall ohne Zweifel nachweisbar sein, dass Todesfälle durch Telemonitoring vermeidbar gewesen wären“, so die Autoren forsch. Sie hoffen jetzt, dass das Institut seine bisher noch vorläufige Bewertung noch einmal überdenkt. Das wäre allerdings ungewöhnlich.

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM