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Medizin |

DiGA-Liste: Es ist vollbracht.

Sind zwei schon eine Liste? Kalmeda von mynoise und velibra von GAIA sind die ersten beiden DiGAs, die auf Rezept verschrieben werden können. Deep Healthcare reagiert reserviert.

Quelle: © Production-Perig – stock.adobe.com

 

Der Zeitplan, den das erst vor einem Dreivierteljahr in Kraft getretene Digitale Versorgung Gesetz (DVG) vorgesehen hatte, war extrem sportlich. Und insofern sind die wenigen Wochen, die es jetzt länger als angekündigt gedauert hat, bis das BfArM seine Liste erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) öffentlich gemacht hat, eigentlich kaum der Rede wert. Tatsache ist: Die Liste ist seit letzter Woche online. Die beiden Wegbereiter für voraussichtlich eine ganze Menge anderer DiGAs sind die App kalmeda des Unternehmens mynoise, die sich an Tinnitis-Patienten richtet und die über Apples und Googles App-Stores heruntergeladen werden kann, außerdem die Web-Anwendung velibra von GAIA, die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie für Patienten mit unterschiedlichen Angststörungen zugänglich macht, gedacht zum Beispiel als Begleitung für eine hausärztliche Therapie solcher Patienten.

 

Sind zwei schon eine Liste? Wenn nicht, dann soll es bald eine Liste werden. Laut BfArM sind aktuell 21 weitere Anwendungen in der Prüfung durch das Institut, und bei weiteren rund dreimal so vielen Unternehmen habe es zumindest Beratungsgespräche gegeben. Diese Zahlen sind längst nicht so hoch, wie von einigen im Sommer kolportiert worden war, aber sie sind auch nicht so niedrig, wie manche Kassandra es nach dem Motto „Stell dir vor, es ist DiGA und keiner geht hin“ an die Wand gemalt hatte.

 

Emperra und Selfapy stehen im Startblock

Unter den 21 DiGAs in Bearbeitung sind auch sehr prominente Anwendungen. So verriet Janko Schildt von Emperra, einem Hersteller digitaler Diabetesprodukte, bei der virtuellen eHealthCon der AOK Nordost am Tag nach dem Listenlaunch, dass sein Unternehmen, das unter anderem dank Selektivverträgen mit der AOK Nordost schon breite Versorgungserfahrung hat, bereits im Mai einen DiGA-Antrag eingereicht hat. „Ich denke, dass sich in den nächsten Wochen etwas entscheiden wird“, so Schildt. Muss es auch, zumindest ist der gesetzlich vorgesehene Zeitraum für die BfArM-Bewertung bereits abgelaufen.

 

Emperra mit seinem Esysta-System ist insofern ein interessanter DiGA-Kandidat, als das Unternehmen seine Anwendungen eng mit der antidiabetischen Therapie verzahnt und sowohl Hardware- als auch Software-Komponenten im Angebot hat. Es handelt sich damit um eine Lösung, die in Richtung höherer Medizinprodukteklassen verweist, die dann – Stand heute – nicht mehr durch das DVG abgedeckt wären. Diese komplexen Anwendungen sind aber nicht Gegenstand des laufenden Antrags.

 

Ebenfalls einen DiGA Antrag eingereicht, und zwar im August, hat Nora Blum, Gründerin von Selfapy. Die gleichnamige App entstammt erneut dem psychiatrischen Bereich, sie zielt als zertifiziertes Medizinprodukt der Klasse I auf eine Online-Unterstützung für Menschen, die unter psychischen Belastungen, Depression, Angst- oder Essstörungen leiden. „Wir erwarten das finale Feedback im November und sind zuversichtlich, dass das klappt“, so Blum.

 

Klose: Schiedsverfahren „total normal“

Klar ist freilich auch, dass es bei den DiGAs noch enorm viel Klärungs- und Verbesserungsbedarf gibt. Als größte Baustelle gelten derzeit die sich immer weiter hinziehenden Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung zu Finanzierung und Nutzennachweis zwischen GKV-Spitzenverband und den Herstellerverbänden. Strittig ist unter anderem das erste Jahr der Finanzierung im Rahmen des Fast Track Verfahrens. Hier sieht das DVG vor, dass Herstellerpreise gezahlt werden, bevor dann auf Basis des nachgewiesenen Versorgungsnutzens verhandelt wird. Gleichzeitig wird im Gesetz als Option eine Regelung für Höchstpreise auf Basis von DiGA-Gruppen genannt. Der GKV-SV will dieses Modell, das an die Festbetragsgruppen bei der Generika-Finanzierung erinnert, gerne durchsetzen. Die Hersteller wenden sich strikt dagegen, weil es Innovationen ausbremse.

 

Christian Klose vom Bundesministerium für Gesundheit ist von den Zankereien weder überrascht noch beeindruckt. Er erwartet ein Schiedsverfahren: „Ein Schiedsverfahren ist ein total normales Verfahren im Rahmen der Selbstverwaltung, wir haben permanent Schiedsverfahren. Das war uns bei den Höchstpreisen total klar, die spielen natürlich eine entscheidende Rolle, und da ist es für alle Beteiligten schwer, sich zu bewegen. Dieser Punkt wird wohl geschiedst werden müssen.“ Er gehe davon aus, dass das relativ schnell geschehe, so Klose.

 

KBV: Das kostet Milliarden

Erstaunlich schlechte Laune verbreitete die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die die Freischaltung der DiGA-Liste mit einer Pressemeldung begrüßte, die den Titel „Teure Apps mit unklarem Nutzen“ trug. Die KBV stellte darin eine Beispielrechnung vor, die auf Vorarbeiten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zurückging. Der Rechnung liegen Kosten von 476 Euro für ein Quartal einer Angst-Anwendung sowie 116,97 Euro für ein Quartal einer Tinnitus-Anwendung zugrunde. Letztere kann viermal im Jahr verordnet werden.

 

Daraus errechneten sich laut Zi bei 2,7 Millionen anspruchsberechtigten Patientinnen und Patienten in beiden Indikationen maximale Jahreskosten von 1,3 Milliarden Euro unter der Annahme, dass alle behandelt würden. Nun gibt es allerdings auch und gerade bei den beiden Indikationen Angst und Tinnitus eine ganze Menge anderer Medikamente und Verfahren, die wenig evidenzbasiert sind und die ziemlich teuer würden, wenn sie allen 2,7 Millionen Patienten verordnet würden. So gesehen ist die Rechnung zumindest etwas schwierig, zumal sie ein völlig unkritisches Verordnungsverhalten bei der eigenen Klientel unterstellt.

 

Weitere Informationen

DiGA-Verzeichnis des BfArM https://diga.bfarm.de/de

https://diga.bfarm.de/de

 

„Teure Apps mit unklarem Nutzen“ – Stellungnahme der KBV

https://www.kbv.de/html/1150_48513.php