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Medizin |

DiGA-Rechtsverordnung: Das steht drin.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Entwurf seiner DiGA-Verordnung vorgelegt. Das Interessanteste steht in langen Ankreuzlisten.

Quelle: © vegefox.com – stock.adobe.com

Jens Spahn hält Wort: „In den nächsten Tagen“ solle der Entwurf seiner im DVG angelegten Rechtsverordnung (RV) für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) vorliegen, sagte er letzte Woche. Jetzt ist er da, ein inklusive Erläuterungen gut 80 Seiten langes Dokument, davon allein 20 Seiten für zwei ziemlich detaillierte Fragebögen, die Unternehmen ausfüllen müssen, wenn sie sich beim BfArM für die Listung als erstattungsfähige DiGA bewerben wollen.

 

DiGA-Antrag: Preistransparenz von Anfang an

Der Entwurf der RV beschriebt zunächst die prinzipiellen Inhalte, die ein DiGA-Antrag beim BfArM haben muss, wobei der Hersteller entscheiden muss, ob er eine dauerhafte Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis beantragt, weil er den Nutzennachweis bereits für erbracht hält, oder ob eine vorläufige Aufnahme gewünscht ist, bei der dann ein Jahr Zeit für den Nutzennachweis quasi im Echtbetrieb bleibt. Im letzteren Fall wird „mindestens eine Pilotstudie“ vorab gefordert. Die Pilotphase kann einmalig um bis zu 12 Monate verlängert werden.

 

Hier ist vielleicht anzumerken, dass bei den Fast-Track-Verfahren mit begleitender Evaluation der Preis bereits Gegenstand des Antrags sein muss. Das BfArM soll demnach nicht die DiGA-Katze im Sack kaufen müssen. Was die Anforderungen an Funktion und Sicherheit der DiGA angeht, wird sich das BfArM sehr zurücknehmen. Grundsätzlich reicht hier gemäß RV-Entwurf die CE-Zertifizierung aus, die auch nicht nochmal überprüft wird. Lediglich „aus begründetem Anlass“ kann das BfArM zusätzliche Prüfungen vornehmen.

 

Datenschutz und Datensicherheit

Es folgen die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit. Hier wird es interessant. Einer der beiden umfangreichen Fragenbögen ist hierfür vorgesehen, und dieser Fragebogen unterscheidet zwischen „Datenschutz“, „Basisanforderungen an die Datensicherheit“ und „Zusatzanforderungen an die Datensicherheit bei DiGAs mit sehr hohem Schutzniveau“. Im Wesentlichen müssen alle in dem Fragebogen genannten Kriterien erfüllt sein, es sein denn es liegt eine Ausnahme vor, die dann ebenfalls im Fragebogen konkret benannt wird.

 

Basis des Fragebogens ist zum einen die europäische Datenschutzgrundverordnung. Das betrifft zum Beispiel den Grundsatz der Datensparsamkeit sowie Zugriffskontrolle, Protokollierung und Authentisierung. Zum anderen gibt es zusätzliche, damit deutschlandspezifische, sozialrechtliche Kriterien, was die Datenweitergabe angeht. Die sind in §5 Abs. 2 der RV umrissen. Grundsätzlich unzulässig ist demnach die Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken. Darüber hinaus gibt es eine Art Positivliste, die beschreibt, welche Arten der Datenverarbeitung ausschließlich zulässig sind.

 

Konkret sind neben der für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der DiGA  unmittelbar nötigen Datenübertragungen noch Datenübertragungen zum Nachweis der positiven Versorgungseffekte zulässig, außerdem eventuelle abrechnungsrelevante Datenübertragungen – zum Beispiel bei ergebnisorientierten Vergütungsmodellen –, Datenübertragungen zur Erfüllung medizinprodukterechtlicher Verpflichtungen und Datenübertragungen zur „dauerhaften Gewährleistung der technischen Funktionsfähigkeit und der Nutzerfreundlichkeit.“

 

„Umfassendes Tracking unzulässig“

Letzteres betrifft die Tracker, die sowohl bei Ada Health als auch bei der Vivy Akte ein vieldiskutierter Streitpunkt waren. Tracker sollen demnach für DiGAs grundsätzlich erlaubt sein. Allerdings wird in den Erläuterungen zum RV-Entwurf deutlich gemacht, dass es beim „Tracken“ ausschließlich um Funktionsfähigkeit und Nutzerfreundlichkeit gehen dürfe: „Ein umfassendes Tracking der Nutzeraktivitäten ist insoweit unzulässig“, so der Text im Original.

 

Wenn man den Fragebogen im Detail durchgeht, dann finden sich dort im Kapitel Datenschutz Dinge wie getrennte Speicherung von gesundheitsbezogenen Daten und Abrechnungsdaten, Maßnahmen zu Integrität und Vertraulichkeit, ein ganzer Maßnahmenkatalog zum Thema Einwilligung, die Vorgabe, dass personenbezogene Daten auf das für den Zweck der DiGA Notwendige beschränkt bleiben müssen sowie Vorgaben zu Informationspflichten, Datenschutzfolgeabschätzung, Datenschutzmanagement und Datenverarbeitung.

 

Bei den Basisanforderungen für die Datensicherheit geht es schwerpunktmäßig um Authentisierung, Zugriffskontrolle, Protokollierung, sichere Deinstallation und recht umfangreich um Härtung, außerdem um die Anbindung von Sensoren, externen Geräten und Fremdsoftware. Bei DiGAs mit sehr hohem Schutzbedarf kommen dann Verschlüsselung, Penetrationstests, DoS/DDoS-Maßnahmen und eine strengere Authentisierung zu ihrem Recht.

 

Interoperabilität

Der DiGA-RV-Entwurf beschäftigt sich auch mit der Interoperabilität. So müssen alle über die DiGA erhobenen Daten exportiert und für eine weitere Nutzung durch den Nutzer bereitgestellt werden können. Der Export soll dabei sowohl was Semantik als auch Syntax angeht in einem Vesta-konformen Standard erfolgen oder, wenn nicht vorhanden, über anerkannte internationale Standards.

 

Was die Schnittstellen zu Wearables und persönlichen Medizingeräten angeht, wird ein offengelegtes und dokumentiertes ISO/EN 11073 Profil gefordert, das entweder in Vesta gelistet ist oder für das der Hersteller dort einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Für DiGA-Anträge nach dem 1. Juli 2021 ist außerdem eine Interoperabilität zu den elektronischen Patientenakten der gematik vorgesehen, wobei es dabei primär um Überblicksdaten zu Therapieplanung, Therapieverläufen und Therapieergebnissen gehen soll. Zwischenberichte bzw. „Entlassbriefe“ oder „Arztbriefe“ zu digitalen Behandlungen quasi.

 

Und die medizinischen Inhalte?

Besonders interessiert viele natürlich der so genannte Nachweis eines positiven Versorgungseffekts, quasi die Nutzenbewertung der neuen Digital Health-Anwendungen. Hier werden durch den RV-Entwurf die Leitplanken gesetzt, aber es bleibt doch einiges an Fragen offen. Klargestellt wird, dass Nutzen entweder ein medizinischer Nutzen oder eine „Verfahrens- und Strukturverbesserung“ in der Versorgung sein kann. Letzteres veranlasste AOK-Chef Martin Litsch im Handelsblatt prompt zum Schimpfen: Es sei nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft, ein bisschen mehr Komfort zu bezahlen.

 

Kriterien für einen medizinischen Nutzen sind demnach eine Verbesserung des Gesundheitszustands, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung des Überlebens oder eine Verbesserung der Lebensqualität. Als Verfahrens- und Strukturverbesserung zählt unter anderem eine bessere Koordination der Behandlungsabläufe, eine bessere Ausrichtung der Behandlung an anerkannten Leitlinien, eine Verbesserung von Adhärenz, Gesundheitskompetenz oder Patientensouveränität sowie ein erleichterter Zugang zur Versorgung.

 

Grundlage für den Nutzennachweis sollen „vergleichende Studien“ sein, die belegen, dass „die Intervention gegenüber der Nichtanwendung der DiGA“ überlegen ist und deren Studienergebnisse „vollumfänglich“ im Internet zu veröffentlichen sind. Sie müssen demnach nicht zwingend im engeren Sinne wissenschaftlich publiziert sein. Die entsprechende Studie muss in der Regel innerhalb der EU, möglichst im Inland stattfinden. Viel konkreter wird es nicht. In die Pflicht genommen wird hier das BfArM, das einen „Leitfaden“ vorlegen soll, der die Anforderungen an das wissenschaftliche Evaluationskonzept weiter ausführt. Solche Leitfäden für die Evidenzgenerierung, die sich am Risiko der digitalen Anwendung orientieren, gibt es in einigen anderen Ländern bereits, unter anderem in Großbritannien, wo das NICE diesbezüglich vorgelegt hat.

 

Einen eigenen kurzen Passus hat der RV-Entwurf für DiGAs, die diagnostische Instrumente sind. Hier sei mittels einer Studie zu belegen, dass Sensitivität und Spezifität der DiGA im Hinblick auf die jeweils definierte Patientengruppe vergleichbaren diagnostischen Methoden „nicht nachstehen“. Die abschließende Bewertungsentscheidung des BfArM wird im §18 des RV-Entwurfs thematisiert. Maßgeblich sollen demnach insbesondere Besonderheiten der Indikation, das DiGA-Risiko und das (Nicht-)Vorliehen von Versorgungsalternativen sein.

 

Sonstiges: Gebühren, Online-Verzeichnis und Schiedsstelle

Weitere Paragraphen des RV-Entwurfs beschäftigen sich mit der Frage, wie mit wesentlichen Veränderungen an der DiGA umgegangen werden soll. Diese müssen vom Hersteller beim BfArM angezeigt werden. Es soll ein Webportal geben, das über die BfArM-gelisteten DiGAs informiert, ab 2022 muss das dann auch barrierefrei sein. Die Informationen im elektronischen DiGA-Verzeichnis müssen technisch so gestaltet sein, dass sie von Dritten genutzt werden können. Das dürfte unter anderem auf Praxis-IT-Anbieter zielen, die Ärzte via Praxis-IT auf DiGAs hinweisen wollen, damit die Ärzte überhaupt auf die Idee kommen, eine DiGA zu verordnen.

 

Über Geld wird schließlich auch noch geredet. Die Gebühren, die für einen Antrag zu berappen sind, liegen zwischen 3000 und 9900 Euro. Spätere Änderungen kosten extra. Details bringt der RV-Entwurf schließlich beim Thema Schiedsverfahren. Das kommt dann zum Zug, wenn sich der jeweilige DiGA-Hersteller und der GKV-Spitzenverband – ggf. nach Ablauf der Testphase mit freier Preisbildung – nicht auf einen Erstattungsmodus verständigen können. Schon im DVG war festgelegt worden, dass die Schiedsstelle aus drei unparteiischen Mitgliedern und je zwei Vertretern von GKV-Spitzenverband und Herstellerverbänden bestehen soll. Über die drei unparteiischen Mitglieder muss Einigkeit erzielt werden, andernfalls entscheidet das BMG.

 

Der RV-Entwurf bringt jetzt neu eine vierjährige Amtsperiode der Schiedsstelle. Außerdem soll das BMG das Recht bekommen, Mitglieder und ihre Stellvertreter „aus wichtigem Grund“ abzuberufen. Die Geschäftsstelle der Schiedsstelle wird beim GKV-Spitzenverband angesiedelt. Ein Schiedsverfahren beginnt, wenn Hersteller oder GKV einen Antrag dazu stellen. Entschieden wird mit einfacher Mehrheit, im Zweifel entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.