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Vernetzung |

Digital Health in Singapur: Patientennutzen und integrierte Versorgung

Foto: Dr. Jason Cheah, CEO Woodlands Health Campus, Singapore auf der HIMSS 2019

Blick über den Tellerrand: Ist das fortschrittsstarke Singapur in Sachen eHealth ein potenzielles Vorbild für Deutschland?

 

Zu den Dingen, die die US-amerikanische Healthcare-IT-Konferenz HIMSS attraktiv machen, gehört seit Langem die sehr internationale Ausrichtung. Eines der Länder, das in diesem Jahr bei der HIMSS 2019 in Orlando seine Bühne erhielt, war Singapur.

 

Ganzheitlicher Ansatz für Gesundheit und Wohlbefinden

Das kleine, fortschrittsorientierte Land in Ostasien habe ein ganzheitliches Digitalkonzept entwickelt, das das gesamte Leben eines Bürgers umfasse, erläuterte Dr. Jason Cheah. Er ist Internist und Gesundheitsmanager und war verantwortlich für den Aufbau von Singapurs National Agency for Integrated Care (AIC). Heute leitet er den Aufbau des ersten integrierten „Smart Health“-Versorgungscampus „Woodlands Health“ mit 1.400 Betten im Norden des Landes, ein Projekt der National Healthcare Group (NHG).

 

Unter dem Motto „River of life“ integriert der Singapurer Ansatz ein nachhaltiges Gesundheitssystem mit den Eckpunkten Jobs und Fähigkeiten, Produktivität und Innovation. Als Zugangsschlüssel in diese Welt dient die Sozialversicherungsnummer, die jedem Bürger zugeordnet ist – etwa für das Einloggen ins Gesundheitsinformationsportal.

 

Zu der nationalen „smarten“ Gesundheitsinitiative zählen diverse Dienste und Angebote, darunter eine weitgehende Digitalisierung der Gesundheitskommunikation, die Nutzung von Telemedizin, ein „Gesundheitsmarktplatz“ sowie im Krankenhaus „smarte Stationen“, „smarte Logistik“ und ganz neu designte Operationssäle, dazu der Einsatz von Robotik und KI. Dieser technische Teil wird verquickt mit dem Ansatz, den Patientennutzen voranzubringen – insbesondere durch Betonung der Versorgung im Quartier und durch Maßnahmen zur Erkrankungsvermeidung durch Prävention – sicher auch geleitet vom Wunsch einer Reduktion der Versorgungskosten.

 

„Nicht alles neu erfinden“

Natürlich ist der Zugriff auf Patientendaten ein wichtiger Schwerpunkt. Interoperabilität ist dort wie hier eine zentrale Forderung, die erste Geige „sozusagen“. Mit Blick auf die Plausibilität der Umsetzung des integrativen Ansatzes in die Regelversorgung haben die Strategen in Singapur die zweite Geige definiert: eine angemessene Inzentivierung aller Stakeholder durch – auf Basis von EPA-Daten kalkulierte – Pauschalvergütungen pro Indikation in Abhängigkeit etwa von Überweisungen in kostengünstigere Quartier-Krankenhäuser.

 

Wie interpretiert Dr. Volker Amelung den Ansatz in Singapur? Man mache dort nicht den „großen Wurf in einem Schlag“, sondern setze ein Konzept mit vielen Mosaiksteinchen um, so der Professor für Internationale Gesundheitssystemforschung an der MHH und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Managed Care. „Die Strategen haben sich umgesehen und Brauchbares aus USA und UK übernommen – und nicht alles selbst neu erfunden, wie das in Deutschland üblich ist.“

 

Was lernen wir daraus? Der Experte fordert mehr Pragmatismus im deutschen System – grenzüberschreitend sollten Sozial- und Gesundheitsversorgung, Industriepolitiker, Technologieanbieter an einen Tisch gebracht werden mit der Aufgabe, nachhaltige Lösungen zu suchen. Der „River of life“ könne tatsächlich als Vorbild dienen, denn kein Bürger bzw. Patient möchte zig Apps für unterschiedliche Zwecke nutzen, sondern ein Cockpit für alle Funktionen. Genau das ist in Singapur über die Plattform WeChat gegeben.

 

In Deutschland, so Prof. Amelung in Orlando, sollten wir lernen, dass sich gewisse Dinge nicht isoliert lösen lassen, und wir sollten Technologien auch einmal einsetzen ohne Langzeit-Studien und -Evaluationen. Singapur und die USA zeigen uns, wie das geht. Und der Rat des Experten zu guter Letzt: „Mehr Unternehmertum in Deutschland und mehr Macher sind nötig, die Verantwortung übernehmen!“.

 

Michael Reiter und Mirjam Bauer