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Medizin |

DVG: Noch Änderungen auf den letzten Metern?

Am 27. September ist es so weit: Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) geht im Deutschen Bundestag in die erste Lesung. Es gibt ordentlich Gegenwind, aber keine echte Gefahr für den Gesetzentwurf.

Quelle: © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Für Schlagzeilen gesorgt hat in den letzten zwei Wochen vor allem der Bundesrat, dessen Gesundheitsausschuss in seiner Ende der ersten Septemberwoche vorgelegten Stellungnahme „erheblichen Verbesserungsbedarf“ an dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf konstatierte. Vor allem nahm der Gesundheitsausschuss der Länderkammer das geplante Zulassungs- und Erstattungsverfahren für Gesundheits-Apps niedriger Risikoklasse unter Feuer. Hier soll nach Auffassung des Ausschusses der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ins Boot geholt werden: Die Entscheidung über eine Aufnahme in die geplante Erstattungsliste soll, so der Ausschuss in seiner ursprünglichen Empfehlung, im Einvernehmen von G-BA und BfArM erfolgen.

 

Das wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht mit sich machen lassen. Muss er auch nicht, denn das DVG ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Das scheint auch den politisch Verantwortlichen klar zu sein: In seiner Sitzung vom 20. September hat sich der Bundesrat den Vorschlag seines Ausschusses in punkto G-BA mit Mehrheit nicht zu eigen gemacht. Die G-BA-Beteiligung dürfte damit vom Tisch sein. Allerdings wird die Verantwortlichkeit des BfArM weiterhin kritisch gesehen. Empfohlen wird in der abschließenden Stellungnahme des Bundesrats jetzt eine „unabhängige Institution unter Einbeziehung der Selbstverwaltung“.

 

TI: Verschärfung der Sanktionen zum 1.3.2020 wird abgelehnt

Kritisiert wird bei den Gesundheits-Apps seitens des Bundesrats außerdem, dass für den Anspruch auf Versorgung mit einer solchen (Niedrigrisiko-)App die Genehmigung der Krankenkasse ausreichend sein soll. Dies sei ein „Systembruch“, und es müsse zumindest sichergestellt werden, dass es „nicht zur Genehmigung von digitalen Anwendungen kommt, die kontraindiziert sind.“ Wie das geschehen soll, dazu äußert sich die Länderkammer nicht. Konkret empfohlen wird dagegen, dass auch Psychotherapeuten – und nicht nur Ärzte (und Krankenkassen) – digitale Gesundheitsanwendungen verschreiben können sollen.

 

Was den Anschluss an die Telematikinfrastruktur angeht, lehnt der Bundesrat die Verschärfung der Sanktionen für ambulante Ärzte mit Kürzung der ärztlichen GKV-Vergütung um 2,5% zum 1. März 2020 ab. Dies werde angesichts zahlreicher Probleme beim Anschluss der Praxen niedergelassener Ärzte als „nicht zielführend“ angesehen, so die Länderkammer. Auch die Sanktionierung der Krankenhäuser wird explizit abgelehnt. Inwieweit der Deutsche Bundestag in diesen Punkten noch einmal Änderungen vornimmt, bleibt abzuwarten.


Ärzteverbände sorgen sich um Evidenz und fürchten Zulassungswillkür

Deutlich Gegenwind für das DVG gibt es auf den letzten Metern von Seiten einiger Leistungserbringerverbände, deren Einwände, so wirkt es zumindest punktuell, ziemlich direkt in den Bundesratsprozess und dessen abschließende Stellungnahme eingeflossen sind. Der Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa) zielt auf die ärztliche Verordnungskompetenz ab, die durch das DVG untergraben werde. Die Verordnung digitaler Gesundheitsanwendungen ohne ärztliche Verordnung durch Dritte – gemeint dürften Krankenkassen sein – wird kategorisch abgelehnt, weil dies in das Arzt-Patienten-Verhältnis eingreife.

 

Auch die Umgehung des G-BA bei der Bewertung des Versorgungsnutzens digitaler Gesundheitsanwendungen niedriger Risikostufe sieht der SpiFa kritisch. Hier ist allerdings anzumerken, dass selbst G-BA-Chef Josef Hecken kürzlich klargemacht hat, dass ihn die digitalen Anwendungen niedrigen Risikos nicht interessieren und er den G-BA erst ab Medizinprodukteklasse IIb im Boot sieht. Anders formuliert: Der G-BA reißt sich nicht um das, was andere ihm aufbürden wollen.

 

Kriterien für die BfArM-Listung weiter unklar

Die zweite sehr DVG-kritische Leistungserbringergruppe sind die Psychotherapeuten. So fordert die Bundespsychotherapeutenkammer, dass im Bereich mentale Gesundheit nur internet- und mobilbasierte Interventionen eingesetzt werden dürfen, die in einer klinischen Studie mit Kontrollgruppe evaluiert wurden. Einige Psychotherapieanwendungen haben diesen Studiennachweis in der Vergangenheit bereits erbracht.

 

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, an welcher Stelle das Medizinprodukterecht bzw. diejenigen, die es auszulegen haben, die Grenze für „kontrollierte klinische Studie nötig“ ziehen werden. Diese Gretchenfrage ist bisher völlig offen Es läge nahe, diese Grenze bei Klasse IIb zu ziehen, was heißen würde, dass Online-Psychotherapien gar nicht erst auf die BfArM-Liste kämen, jedenfalls nicht in deren im DVG vorgesehener Ausprägung. Das DVG wird sich dazu genauso wenig äußern wie der Deutsche Bundestag. Interessant werden in diesem Zusammenhang die Kriterienkataloge für die BfArM-Liste und für den Nachweis des Versorgungsnutzen, die derzeit noch ausstehen.

 

Weitere Informationen: Stellungnahme des Bundesrats zum DVG vom 20. September 2019

https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0301-0400/360-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1