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Medizin |

eMental-Health: Datenflut dank deutscher Forscher

© Rawpixel.com

Randomisierte Telemedizin-Studien sind selten? Nicht in der Psychiatrie. Wissenschaftler aus Deutschland publizieren eine Studie nach der anderen.

 

Ist eine internetbasierte Selbsthilfe-Intervention bei Patienten mit Binge-Eating-Störung genauso effektiv wie eine individuelle Behandlung „von Angesicht zu Angesicht“? Dieser Frage sind Wissenschaftler um Anja Hilbert von der Universität Leipzig in der randomisierten INTERBED-Studie nachgegangen.

 

INTERBED-Studie: Nachhaltige Online-Intervention bei Binge-Eating

An der Studie nahmen 178 Erwachsene mit Binge-Eating teil, einer Essstörung, die durch anfallsartige Essattacken gekennzeichnet ist. Die Patienten wurden entweder mit 20 individuellen Therapiesitzungen einer kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) zu je 50 Minuten behandelt oder, deutlich ressourcenschonender, sie erhielten Zugang zu 11 Selbsthilfemodulen im Internet, bei denen ein professioneller Therapeut mit an Bord war, zu dem die Patienten E-Mail-Kontakt hatten. Der gesamte Behandlungszeitraum betrug jeweils 4 Monate.

 

Primärer Endpunkt war die Anzahl von Binge-Eating-Anfällen pro 28 Tage nach Ende der Intervention. Hier konnte die Internetintervention die Nichtunterlegenheit nicht demonstrieren. Der Face-to-Face-Kontakt war also besser. Der Unterschied verschwand aber im Lauf des Follow-up-Zeitraums, der insgesamt 1,5 Jahre betrug. Ganz am Ende zeigte sich – in einer allerdings exploratorischen Analyse – dann doch die Nicht-Unterlegenheit. Die Autoren sind deswegen der Auffassung, dass die Internettherapien – oder eine Kombination aus Face-to-Face-Therapie und Online-Therapie – ein legitimer Behandlungsansatz sind, vor allem wenn es um langfristige Therapieeffekte geht.

 

IN@-Studie: Moderate Effekte der Online-Nachsorge bei Bulimie

Ebenfalls auf Patienten mit Essstörung zielte die randomisierte IN@-Studie, eine Studie zur Effektivität einer Online-Intervention in der Nachsorge von Bulimie-Patienten nach stationärem Aufenthalt. Diese Patienten haben hohe Rückfallraten. Die unter Leitung von Psychologen der TU Dresden durchgeführte IN@-Studie zielte darauf ab, die Rückfälle zu reduzieren.

 

253 Frauen nahmen teil. Die Intervention bestand in einer 9-monatigen, auf CBT-Prinzipien basierenden Online-Nachsorge, die aus elf Sessions bestand. Zusätzlich gab es individuellen Therapeutenkontakt per E-Mail. In der Kontrollgruppe wurde die Nachsorge jeweils so durchgeführt, wie das in der jeweiligen Einrichtung üblich war. In der Regel gibt es irgendeine Art von Kontakt zu den ehemaligen Therapeuten in der Übergangszeit.

 

Primärer Endpunkt war die Rate „abstinenter“ Patientinnen neun Monate nach Entlassung, also Patientinnen ohne jegliche Bulimiesymptome. Hier gab es zwischen den Gruppen keinen statistisch signifikanten Unterschied, was die Autoren auf einen auch ohne Internet insgesamt engen Nachsorgekontakt zurückführen. Vorteile in der Interventionsgruppe gab es allerdings bei Einzelsymptomen, namentlich beim induzierten Erbrechen, auf das die Patientinnen in der Interventionsgruppe nur halb so oft zurückgriffen wie in der Kontrollgruppe.

 

EVIDENT-Studie: Nutzen der Online-Therapie bei Depression hält an

Und noch mehr E-Mental-Health-Daten aus Deutschland: Druckfrisch publizieren Psychotherapeuten aus Kiel und Hamburg die 1-Jahres-Daten der EVIDENT-Studie, die die zwölfwöchige Online-Psychotherapie Deprexis randomisiert bei 1013 Patienten mit milder bis moderater Depression evaluiert hat.

 

Die Daten zum primären Endpunkt von EVIDENT waren bereits im Frühjahr 2016 publiziert worden. Damals hatte sich gezeigt, dass die Online-Intervention als Ergänzung zur Standardtherapie einer reinen Standardbehandlung nach 3 und 6 Monaten überlegen war, was die Verringerung der Depressionssymptomatik anging. Die jetzt vorgelegte 1-Jahres-Auswertung zeigt, dass der Effekt anhält.

 

Konkret war der Anteil der Patienten, die nach einem Jahr noch in Remission waren, in der Gruppe mit zusätzlicher Internet-Intervention um ein Drittel höher, was statistisch signifikant war. Besonders profitiert haben Patienten, die keine antidepressive medikamentöse Therapie einnahmen. Hier war die Rate an Remissionen bei Einsatz der Online-Tools um 88 Prozent höher. Was die mit dem PHQ-Fragebogen erfasste Symptomatik anging, hat sich der Unterschied zwischen den Gruppen etwas verringert, bleibt aber weiterhin signifikant.

 

Die Studien im Internet:

INTERBED-Studie: http://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/2646394

IN@-Studie: http://www.jmir.org/2017/9/e321/

EVIDENT-Studie: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S000579671730147X?via%3Dihub

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM