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Medizin |

Evidenz für sektorübergreifende Telemedizin

Das Telemedizinnetzwerk TELnet@NRW hat in Nordrhein-Westfalen die Umsetzung infektiologischer und intensivmedizinischer Leitlinien verbessert und die Behandlungsqualität gesteigert.

TELnet@NRW war ein Förderprojekt im Rahmen des Innovationsfonds des deutschen Gesundheitswesens. Die Ergebnisse waren dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bereits vorgelegt worden und hatten im April 2021 zu dessen Empfehlung geführt, die aufgebaute Infrastruktur in die Regelversorgung zu überführen. Jetzt hat das Team um Gernot Marx von der Intensivmedizin des Universitätsklinikums Aachen die Details im Journal of Medical Internet Medicine publiziert.

 

Wählen Ärzt:innen weiser dank Telemedizin?

Bei der Studie handelte es sich um eine Cluster-randomisierte Studie, an der 17 Krankenhäuser und 103 niedergelassene Ärzt:innen teilgenommen hatten. Insgesamt wurden im Rahmen des TELnet@NRW-Netzwerks zwischen Februar 2017 und Januar 2020 fast 160.000 Patient:innen versorgt. Zugelassen für Telekonsile waren zum einen hospitalisierte Patient:innen mit Staphylococcus aureus Bakteriämie und/oder intensivmedizinischer Versorgung, zum anderen ambulante Patient:innen mit infektiologischen Erkrankungen oder dem Verdacht darauf.

 

Expertenkonsultationen erfolgten durch die Kliniken des Universitätsklinikums Aachen, wobei die intensivmedizinischen Telekonsultationen rund um die Uhr zur Verfügung standen, die teleinfektiologischen Konsultationen einmal pro Woche sowie zusätzlich bei dringendem Bedarf. Primärer Endpunkt war die Umsetzung von insgesamt zehn infektiologischen Choosing Wisely-Empfehlungen, sechs davon in der Intensivmedizin und vier im ambulanten Sektor. Sekundär wurden unter anderem Leitlinientreue bei Sepsis und ARDS sowie Sepsissterblichkeit ermittelt.

 

Leitlinientreue wurde in einigen Bereichen besser

Zu den ambulanten Empfehlungen im primären Endpunkt zählten die jährliche Grippe-Impfung bei Risikopatienten, die Masernimpfung bei Kindern sowie der Verzicht auf Antibiotika bei unkomplizierten Atemwegsinfektionen und asymptomatischer Bakteriurie. Im intensivmedizinischen Bereich ging es unter anderem um leitliniengemäße Antibiotikatherapie und Fokussanierung bei Staphylokokkeninfektionen sowie um den Verzicht auf Candida-Therapien und auf Antibiotikatherapien bei reiner CRP-/PCT-Erhöhung ohne Hinweis auf Infektion.

 

Insgesamt konnten die Ärzt:innen aus Nordrhein-Westfalen bei einer Reihe von Endpunkten teils deutliche Effekte erzielen und damit die Versorgungsqualität stark verbessern. So gab es jeweils statistisch signifikante Verbesserung bei der Leitlinientreue im Bereich Staphylococcus-Infektionen (OR 4,0; 95% CI 1,83-9,20; p<0,01) und im Bereich Sepsis (OR 6,82; 95 % CI 1,27-56,61; p=0,04). Die Sepsis-Sterblichkeit war in der Interventionsgruppe mit 23,8 % geringer als in der Kontrollgruppe (28,8%), allerdings war das nicht statistisch signifikant. Im ambulanten Bereich gab es signifikante Verbesserungen bei der Leitlinientreue in Sachen unkomplizierte obere Atemwegsinfekte und asymptomatische Bakteriurie. Auch die Antibiotikatherapie nach Operationen verbesserte sich, während in den anderen Endpunkten teils keine signifikanten Effekte gezeigt werden konnten.

 

Marx: „Digitaler Umbruch jetzt!“

Zu den Limitationen der TELnet@NRW-Studie zählt, dass Interventions- und Kontrollphasen nicht zeitlich parallel liefen, sodass „gesundheitssystemweite Lerneffekte“ ein möglicher Bias sein könnten. Das Studiendesign war so, dass die teilnehmenden Zentren in vier Cluster randomisiert wurden, die alle mit der Kontrollphase starteten und dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Interventionsphase übergingen. Innerhalb der Cluster erfolgten dann Vorher-nachher-Vergleiche.

 

Trotz dieser Limitation hält Studienleiter Marx die Ergebnisse für sehr solide: „Telekonsile verbessern die Behandlungsqualität sehr deutlich. Auf diesem Weg kann höchste medizinische Expertise schnell und unkompliziert flächendeckend verfügbar gemacht werden.“ Der Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen betont, dass er TELnet@NRW nicht nur als rein regionales Projekt sehe: „Es eignet sich als Blaupause. Der digitale Umbruch in der Versorgung muss jetzt erfolgen. Telemedizin wirkt!“

 

 

Weitere Informationen:

JMIR-Publikation der TELnet@NRW-Studie

https://preprints.jmir.org/preprint/34098/accepted

 

G-BA-Beschluss zur Überführung in die Regelversorgung vom 21. April 2021

https://innovationsfonds.g-ba.de/downloads/beschluss-dokumente/57/2021-04-16_TELnet-NRW.pdf