E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Medizin |

Gentherapie startet, IT-Lösung hilft

Demnächst starten in Deutschland die ersten Gentherapien für Patient:innen mit Hämophilie. Um die komplexen Versorgungsprozesse optimal abzubilden, hilft eine IT-Lösung.

Bild: © maniki – stock.adobe.com, 419803289, Stand.-Liz.

Somatische Gentherapien bei der Hämophilie werden schon länger in Studien erforscht und kommen jetzt in reguläre Versorgung. Deutschland ist dabei eines der Vorreiterländer. Im August 2022 hat die EU-Kommission das Gentherapeutikum Roctavian zugelassen, das von dem US-Unternehmen BioMarin hergestellt wird und bei Hämophilie A zum Einsatz kommt. Ab April werden voraussichtlich erste Patienten – es gibt bei diesen X-chromosomal rezessiven Erkrankungen nur sehr wenige Patientinnen – damit regulär behandelt. Derzeit laufen noch die abschließenden Verhandlungen mit den Krankenkassen, die Kosten für die Therapien liegen bei über einer Million Euro. Etwas zeitversetzt kommt dann auch Hemgenix von CSL Behring in die Versorgung, eine Gentherapie bei Hämophilie B, die im Februar 2023 die EU-Zulassung erhalten hat.

 

Komplexe Abläufe, die sich gut digital abbilden lassen

Das Ganze ist noch sehr neu und entsprechend unerprobt. Die Gentherapien laufen so ab, dass Patienten für die Therapie sehr umfangreich aufzuklären sind, sowohl was die Gentherapie und ihre Komplikationen angeht als auch im Hinblick auf bestimmte Compliance-Faktoren. Typischerweise sind die Patienten an einem Hämophilie-Zentrum, das bisher schon die Versorgung mit Faktorentherapie gemacht hatte. Dieses Zentrum überweist für die Gentherapie an ein spezialisiertes Zentrum im Sinne eines Hub-and-Spoke-Modells, ist aber in die Nachsorge dann wieder eingebunden. Im Vorfeld ist einiges abzuklären, darunter diverse Laborwerte.

 

Nach der Therapie sind ebenfalls Laborkontrollen nötig, und der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) verlangt eine anwendungsbegleitende Datenerhebung im Rahmen der Nutzenbewertung. Dabei geht es in erster Linie um den Zusatznutzen gegenüber Vergleichstherapien und um die Höhe der Erstattung. Daneben müssen perspektivisch auch noch Daten an das Deutsche Hämophilie-Register (DHR) übertragen werden. Beim Register interessieren eher die längerfristigen Verlaufsdaten zu dieser noch neuen Therapie.

 

Um das Prozedere zu vereinfachen und die Ärzt:innen, die mit Gentherapien noch kaum bis keine Erfahrungen haben, hinsichtlich der nötigen Prozesse an die Hand zu nehmen, hat das Unternehmen smart medication in enger Kooperation mit in Sachen Gentherapie engagierten Hämophilie-Zentren sowie finanziell unterstützt von BioMarin und CSL Behring eine Software entwickelt, auf deren Basis die anstehende Gentherapie-Premiere in Deutschland umgesetzt wird. Die bildet den kompletten Versorgungsprozess ab, unterstützt bei Onboarding und Dokumentation, sorgt dafür, dass keine wichtigen Schritte vergessen werden und hilft bei der für den G-BA-Prozess nötigen Dokumentation.

 

Ziel ist eine Software für alle Arten der Gentherapie

Letztlich handelt es sich bei der Anwendung um eine elektronische Patienten- oder eher elektronische Fallakte, die einen spezifischen Versorgungspfad abbildet, einschließlich Kollaborations-Tools für die beteiligten Leistungserbringer:innen und Datentransfer in unterschiedliche Zieldatenbanken. „Für uns ist das Thema deswegen so spannend, weil es bisher kaum zugelassene Gentherapien gibt und es gleichzeitig ein Feld ist, das sich sehr dynamisch entwickeln dürfte“, betonte Dr. Andreas Rösch, Geschäftsführer der smart medication eHealth Solutions GmbH gegenüber E-HEALTH-COM. Die Gentherapie-Software kommt primär für Roctavian und Hemgenix zum Einsatz. Aber auch Unternehmen wie Pfizer und Roche drängen mit Hämophilie-Gentherapien in den Markt – und könnten damit interessante Kooperationspartner bzw. Kunden werden.

 

„Unser längerfristiges Ziel ist es, eine Software anzubieten, die unabhängig von der Art der eingesetzten Gentherapie genutzt werden kann, also auch jenseits der Hämophilie“, so Rösch. „Es wird natürlich individuelle Anpassungen geben müssen, aber die prinzipiellen Prozesse dürften bei anderen somatischen Gentherapien ähnlich ablaufen.“ Insbesondere die Kooperation zwischen zuweisenden Ärzt:innen und Zentren sowie die Notwendigkeit der anwendungsbegleitenden Dokumentation und Registerforschung sind weitgehend indikationsunabhängig, solange die Gentherapien so neu sind, wie sie sind.