E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Medizin |

GKV initiiert G-BA-Verfahren für Herzinsuffizienz-Telemedizin

Es ist so weit: Der GKV-Spitzenverband hat ein G-BA-Verfahren für die telemedizinische Behandlung von Patienten mit Herzschwäche eingeleitet. Dreh- und Angelpunkt dürfte die TIM-HF II-Studie werden.

 

Auf Antrag des GKV-Spitzenverbandes hat der Gemeinsamen Bundessauschuss (G-BA) das Beratungsverfahren für ein neues telemedizinisches Behandlungsprogramm für Patienten mit einer schweren Herzschwäche eingeleitet. Eine solche Nutzenbewertung ist laut GKV-SV notwendig, um das Verfahren künftig als ambulante GKV-Leistung anbieten zu können.

 

Mit Telemedizin Krankenhaustage und Sterblichkeitsrate senken

Mit Hilfe der Telemedizin wollen Kardiologen die 1,8 Millionen Patienten mit einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) in Deutschland besser versorgen. „Die bisher vorliegenden Erkenntnisse der Kardiologen haben uns überzeugt, einen Antrag auf Nutzenbewertung zu stellen. Wir hoffen, dass sich die Hinweise bei einer umfassenden Methodenbewertung verdichten und der Nutzen wissenschaftlich belegt werden kann. Chronische Herzschwäche war in den vergangenen zehn Jahren die häufigste Ursache für Klinikeinweisungen von Patienten. Wenn wir diese Zahl reduzieren könnten, wäre das sehr gut“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands.

 

Neue Untersuchungs- und Behandlungsverfahren für die gesetzliche Krankenversicherung können von niedergelassenen Ärzten erst dann angewendet und mit der GKV außerhalb von Selektivverträgen abgerechnet werden, wenn der G-BA ihren Nutzen geprüft und positiv eingestuft hat. „Nicht immer, wenn Telemedizin im Titel von Projekten auftaucht, steht dahinter tatsächlich ein neuer Versorgungsansatz. In diesem neuen Behandlungskonzept hingegen sehen wir die Chance, für eine tatsächlich bessere Versorgung der Patienten“, so Dr. Pfeiffer.

 

Was ist neu? Und wie funktioniert das Behandlungsprogramm genau?

Das „Telemonitoring-basierte Management von Patienten mit Herzschwäche“, so der Titel des Behandlungsprogramms, hat ein Kardiologen-Team aus verschiedenen Forschungseinrichtungen entwickelt. Es basiert auf einzelnen Bausteinen, die zusammen einen Versorgungsansatz darstellen, den es in der Regelversorgung so bisher nicht gab: Vitalparameter der Patienten werden nicht mehr nur sporadisch, sondern kontinuierlich erfasst und ausgewertet. Durch eine feste Kooperation von einem Telemedizinzentrum (TMZ) und niedergelassenen Ärzten sind Interventionen zeitnah möglich; die Patienten werden lückenlos an jedem Tag im Jahr betreut, auch außerhalb der Sprechstundenzeiten der niedergelassenen Ärzte.

 

Und so funktioniert das Programm im Detail: Täglich messen die Patienten zu Hause bestimmte Körperfunktionen wie beispielsweise den Blutdruck, die Sauerstoffkonzentration im Blut und das Gewicht. Diese Werte werden über eine gesicherte Mobilfunk-Verbindung an das TMZ übertragen und dort von Computern ausgewertet. Bei auffälligen Befunden werden sofort die medizinischen TMZ-Experten sowie die behandelnden niedergelassenen Hausärzte und Kardiologen benachrichtigt. Das medizinische Personal muss auffällige Befunde innerhalb von vier Stunden registrieren und innerhalb von 24 Stunden über Behandlungsmaßnahmen entscheiden. „Einfach nur Daten erfassen und übertragen verbessert die Versorgung von Patienten nicht. Es kommt darauf an, dass wie hier im Projekt auf registrierte Veränderungen beim Patienten schnell und zuverlässig therapeutisch reagiert wird“, so Dr. Pfeiffer.

 

Das Projekt, auf das Pfeiffer anspielt, ist die TIM-HF2-Studie, eine randomisierte, kontrollierte Großstudie. In deren Rahmen wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Friedrich Köhler von der Charité Berlin in ganz Deutschland 1500 Herzinsuffizienz-Patienten versorgt, die in den 12 Monaten vor Studienbeginn zumindest einmal wegen Herzinsuffizienz im Krankenhaus waren, eine EF von maximal 45% aufwiesen und nicht depressiv waren. Da die TIM-HF2-Studie die größte randomisierte Telemedizinstudie bei Herzinsuffizienz war und zudem unter deutschen Versorgungsbedingungen stattfand, dürfte sie die Nutzenbewertung, die das IQWiG im Rahmen des G-BA-Prozesses erstellen muss, maßgeblich prägen.

 

TIM-HF2-Studie: Mortalität sank, kardiovaskuläre Krankenhauseinweisungen nicht

Die medizinischen Ergebnisse der TIM-HF2 wurden im August 2018 bei der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in München vorgestellt und in der Zeitschrift The Lancet publiziert. Im Telemedizinarm der Studie wurden die Patienten sehr engmaschig betreut, und es gab auf Seiten der Tele-Ärzte klar definierte Handlungsalgorithmen für unterschiedliche medizinische Konstellationen. Unter diesen Bedingungen war das Telemonitoring der Standardbehandlung signifikant überlegen.

 

Der primäre Endpunkt war die „Zahl der durch ungeplante kardiovaskulär bedingte Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle verlorenen Tage“. Sie betrug 17,8 Tage innerhalb eins Jahres in der Telemedizingruppe gegenüber 24,2 Tagen in der Kontrollgruppe. (p=0,046) Dieser recht deutliche Unterschied ging in erster Linie auf eine um 30 Prozent niedrigere Sterblichkeit in der Telemedizingruppe (7,9% vs. 11,3%) zurück – ein großer Erfolg dieser Studie.

 

Was sich – anders als von Politikern und auch von Krankenkassenvertretern teilweise suggeriert – nicht unterschied, waren die kardiovaskulär bedingten Krankenhaustage. Das ist deswegen relevant, weil dieser Parameter die Kostenkalkulationen maßgeblich beeinflussen dürfte. Bisher hat die TIM-HF2-Studie noch keine gesundheitsökonomische Auswertung vorgelegt. Die soll aber noch kommen. Was in der Telemedizingruppe etwas geringer ausfiel, waren die ungeplanten Krankenhaustage wegen Herzinsuffizienz. Die dürften sich bei insgesamt unveränderten kardiovaskulären Klinikeinweisungen aber nicht wirklich auf die Versorgungskosten auswirken.

 

Text: Philipp Grätzel, teilweise aus Material des GKV-Spitzenverbands