Forderungen der einen, Kritik der anderen
Der GKV-Spitzenverband leitet aus den aktuellen Zahlen mehrere Forderungen an die Politik ab. Gefordert werden „zentrale Anpassungen“ der gesetzlichen Rahmenbedingungen, konkret eine Abschaffung des Fast-Track, sodass nur noch DiGA mit bereits erfolgtem Nutzennachweis aufgenommen werden können. Verhandelte Preise sollten außerdem vom ersten Tag der Aufnahme in die Regelversorgung gelten, und Leistungserbringer und GKV-Spitzenverband sollten in den Zulassungsprozess einbezogen werden. Dies, findet der Verband, werde Vertrauen und Akzeptanz bei Ärzteschaft und Patient:innen steigern.
Das alles freilich hätte mit dem, was Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn und sein Team bei der DiGA-Einführung im Sinne hatten, nur noch wenig zu tun. Der Fast-Track war gerade deswegen geschaffen worden, um die Hürden für digitale Anwendungen zu senken und dazu beizutragen, dass sie schneller in der Versorgung ankommen – notfalls um den Preis, dass nicht immer der Nutzennachweis gelingt und die DiGA dann wieder zurückgezogen werden muss. So gesehen ist das, was die GKV kritisiert, letztlich ein Zeichen dafür, dass die Saat des DVG-Gesetzes aufgeht und der politisch intendierte Effekt erreicht wird.
Interessant ist die Kritik an der Phase der freien Preisbildung sowie der Vorschlag, die GKV in den Zulassungsprozess einzubeziehen. Bisher hatten die GKV und auch Frau Stoff-Ahnis selbst meist kommuniziert, dass sie sich eine Einbeziehung der DiGA in den normalen AMNOG-Prozess vorstellen. Dieser kennt die freie Preisbildung, und die Krankenkassen sind beim AMNOG-Prozess zwar bei der Nutzenbewertung, nicht dagegen bei der vorgelagerten Zulassung eingebunden. Was die GKV jetzt fordert, klingt jetzt etwas anders; tatsächlich wäre eine Einbindung der Krankenkassen in die eigentliche Zulassung – eines Arzneimittels oder, in diesem Fall, eines Medizinprodukts – absolutes Neuland und für viele sicherlich ein ziemlich rotes Tuch.
„Politisch motivierte Interpretation von Daten“
Wenig überraschend übt die Herstellerseite scharfe Kritik an dem DiGA-Report der GKV. Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung betont, dass der Report „auch dieses Mal“ die wachsende Bedeutung des noch jungen Versorgungsbereichs nicht neutral darstelle. Weder sei es richtig, dass der Zugang zur Versorgung für DiGA nicht an Evidenz gekoppelt sei, noch werde bei der Kritik an den Regelungen zur Preisfreiheit und zu Höchstbeträgen transparent darauf hingewiesen, dass der GKV-Spitzenverband an den entsprechenden Verhandlungen immer beteiligt sei.
„Der aktuelle DiGA-Report des GKV-SV weist eine politisch motivierte Interpretation von Daten auf und dient dem Ziel, enger in den Zulassungsprozess von DiGA eingebunden zu werden“, betont Dr. Anne Sophie Geier, Geschäftsführerin des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung. „Die pauschale Kritik ist unbegründet und DiGA sind heute eine zunehmend wichtige Säule der Versorgung: So haben sich die Verordnungs- und Genehmigungszahlen von DiGA im letzten Jahr verdreifacht und die Rückmeldungen von Behandlerinnen und Behandlern sowie von Patientinnen und Patienten sind überaus positiv.“
Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass es die Herstellerseite der GKV in den ersten zwei DiGA-Jahren durch endlose interne Streitigkeiten relativ leicht gemacht hat, in der Öffentlichkeit zu punkten. Die Machtpolitik, die die Herstellerverbände dem GKV-Spitzenverband vorwerfen, und wohl zu Recht vorwerfen, findet durchaus auch innerhalb der Herstellerverbände statt. Den Patientinnen und Patienten hilft diese Machtpolitik nicht, egal an welcher Stelle sie stattfindet.
Philipp Grätzel, Chefredakteur E-HEALTH-COM
Weitere Informationen
DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbands Zeitraum 1.9.2020-30.9.2022
https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/telematik/digitales/2022_DiGA_Bericht_BMG.pdf