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Medizin |

Hilfe am Patientenbett: KI für die klinische Prädiktion

Wie kommt ein Algorithmus in die Versorgung? Das Heidelberger KoMed Projekt setzt auf Lokalisierung und hohe Datenqualität.

Bild: © Mint Medical

Maschinenlernalgorithmen, die Röntgenbilder analysieren oder im EKG Rhythmusstörungen diagnostizieren, lassen sich vergleichsweise einfach entwickeln: Es braucht ausreichend große Datensätze, die von Expert:innen des jeweiligen Themas annotiert wurden und anhand derer die künstliche Intelligenz dann lernen kann. Schwieriger wird es, wenn es von der Diagnose in Richtung Prädiktion geht: Wer auf Basis eines EKGs künftige klinische Ereignisse vorhersagen will, braucht qualitativ hochwertige, longitudinale Datensätze zum klinischen Verlauf. Und sollen auf Basis einer komplexen Multiparametermatrix Risiken identifiziert oder Behandlungsbedarfe beschrieben werden, dann gilt das umso mehr.

 

Predictive Health Panel blickte in KI-gestützte Zukunft der Versorgung

Bei der Medica 2021 in Düsseldorf beschäftigte sich das Panel „Predictive Health“ im Rahmen des Medica Health IT Forums mit solchen prädiktiven Algorithmen und mit der Frage, wie es gelingen kann, Ansätze der mittlerweile zahlreichen Forschungsprojekte in diesem Bereich möglichst dauerhaft in der Versorgung zu verankern.

 

Ein interessantes Projekt in diesem Zusammenhang ist das KoMed Projekt, über das Dr. Jan Larmann von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Heidelberg berichtete. Partnerunternehmen sind Mint Medical, Phellow Seven, Philips und Storz. Es handelt sich um ein Projekt, das darauf abzielt, das individuelle Risiko für perioperative Komplikationen besser abzuschätzen. Dazu zählen beispielsweise Wundheilungsstörungen, aber auch die Entwicklung von Nierenversagen bzw. Dialysepflicht.

 

Für das Projekt wird in Heidelberg derzeit ein eigenes Register aufgebaut, das Heidelberg Perioperative Deep Data Registry (HeiPoDD), dem auch eine Biobank zugeordnet ist. Dadurch, dass mit einem eigenen Register und nicht einfach mit Routinedaten gearbeitet wird, soll eine möglichst hohe Datenqualität sichergestellt werden. Erster Schritt ist eine prospektive, exploratorische Kohortenstudie mit 600 Patient:innen, bei denen strukturierte klinische Visiten und unter anderem Proteomanalysen erfolgen. Wichtigster Endpunkt ist das perioperative Outcome nach 60 und nach 90 Tagen.

 

Neue medizinische Berufe ante portas?

Larmann äußerte Zweifel daran, ob es jemals möglich wird, auf Basis von einzelzentrischen Datenbanken prädiktive Algorithmen zu entwickeln, die auf andere Einrichtungen uneingeschränkt übertragbar sind. Als Beispiel nannte er die perioperative Komplikation „Dialysepflichtigkeit“, die nicht einheitlich gehandhabt wird. Vielmehr handhaben Einrichtungen den Zeitpunkt des Beginns einer Dialysetherapie uneinheitlich, was „universelle“ prädiktive Algorithmen zu dieser Thematik schwierig macht.

 

Mit Blick in die weitere Zukunft und hier insbesondere auf die Translation von Forschungsprojekten in die klinische Versorgung ging es Larmann aber nicht nur um qualitätsgesicherte (Register-)Datensätze auf Ebene einzelner Institutionen zum Training oder zur Nachjustierung von Algorithmen. Er sieht auch neue Berufsbilder am Horizont aufziehen, die zumindest in Krankenhäusern bisher nicht vorkommen, beispielsweise medizinische Data Scientists, die mit den klinischen Versorger:innen Hand in Hand arbeiten.